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''Der Ton wird schärfer''

\"DerVerhandlungsprofi Matthias Schranner über verengte Wahrnehmung, den geplatzten Opel-Magna-Deal und ­warum Politiker ­häufig so schlechte Verhandler sind.

report:  Sie werden oft erst gerufen, wenn schon Feuer am Dach ist. Sind solche brenzligen Situationen eine besondere Herausforderung?

Matthias Schranner:  Normale Verhandlungen reizen mich nicht mehr besonders. Mich interessieren die wirklich kniffligen Fälle, wo man schon in einer Sackgasse steckt oder knapp davor steht.

report:  Sitzen Sie selbst auch am Verhandlungstisch oder halten Sie sich immer im Hintergrund?

Schranner: Ich sitze nie am Verhandlungstisch. Die Unternehmen, die ich berate, haben selbst Top-Verhandler. Ich bringe lediglich eine andere Sichtweise ein. Mein Vorteil ist, dass ich emotional nicht in das Geschehen involviert bin. Die Kunden verlieren oft den Blick fürs Ganze oder übersehen eine mögliche Alternative. Durch den Druck und die Stresssituation verengt sich die Wahrnehmung.

report:  Ist Ihrer Meinung nach der Ton in den Verhandlungen durch die Krise schärfer geworden?

Schranner: Die Wirtschaft steht stark unter Druck. Auch in langjährigen partnerschaftlichen Beziehungen herrscht plötzlich ein schärferer Ton. Solange jeder noch gut lebt, kommt man schon irgendwie durch. Schwierig wird es, wenn der Spielraum kleiner wird und die Margen geringer. Sehr oft wird jetzt in Verhandlungen gleich mit Drohungen eingestiegen. Das hat zwei Folgen: 1. Wer droht, legt sich selbst fest. 2. Die Wahrscheinlichkeit des Gesichtsverlustes ist sehr hoch.

report:  Sie ziehen gerne Parallelen zu Ihren Erfahrungen bei der Polizei. Aber sind diese Situationen wirklich vergleichbar? Es geht ja in der Wirtschaft nicht um Leben und Tod, nur um Geld oder Macht.

Schranner: Es ist vergleichbar, weil es sich in beiden Situationen um Menschen handelt. Wie ein Geiselnehmer kann auch ein Manager mit Druck nicht gut umgehen. Und es geht nicht nur um Geld, sondern auch um sein Ansehen, seine Karriere. Wie stehe ich vor der Presse da, wie werde ich intern beurteilt?

report: Durch Ihre Tätigkeit bei der Drogenfahndung beherrschen Sie die »Sprache der Straße« Gibt es auch in der Wirtschaft eine eigene Sprache, gewisse Codes oder Signale?

Schranner: Jede Branche hat ihre eigene Sprache und Philosophie. Wenn ein Einkäufer aus der Pharmabranche in den Lebensmittelhandel wechselt, ist er mit ganz anderen Spielregeln konfrontiert. Forderungen werden etwa anders beurteilt. Genauso hat auch jedes Land seine Eigenheiten.

report:  Sie haben früher nur Unternehmen beraten, jetzt auch politische Parteien. Sind Politiker besonders schlechte Verhandler?

Schranner: In der Politik werden jedenfalls mehr Fehler gemacht als in der Wirtschaft. Die CDU-FDP-Koalition ist ein typisches Beispiel: Es war von der FDP sehr unklug, schon vor Beginn der Verhandlungen dermaßen auf den Putz zu hauen. Es ist klar, dass man aus dieser Situation nicht mehr ohne Gesichtsverlust herauskommen kann.

report:  Ein aus österreichischer Sicht besonders interessanter Deal, nämlich Opel-Magna, ist im Vorjahr nach langen Verhandlungen überraschend gescheitert. Was ist da schiefgelaufen?

Schranner: Das ist nicht überraschend gescheitert. Jeder, der sich mit Verhandlungen auskennt, konnte das sehen. In jeder Verhandlung gibt es ein »Window of Opportunity« – das ist jener Zeitpunkt, um zu einem Ergebnis zu kommen. Dieses Fenster war offen, wurde aber nicht genutzt. Alle Parteien haben geglaubt, die Zeit sei auf ihrer Seite. Wenn man zwischen den Zeilen gelesen hat, war zu erkennen, dass die Amerikaner den Abschluss bewusst verzögern. Als dann General Motors die Forderungen dramatisch erhöht hat, war klar, dass es zu keiner Einigung mehr kommt.

report:
  Sie kritisieren die sogenannte »Harvard-Methode«. Im Gegenzug wird Ihnen ein zu harter Verhandlungsstil vorgeworfen, der langfristige Beziehungen gefährden könnte. Warum lehnen Sie eine Lösung, die beiden Seiten hilft, so stark ab?

Schranner: Beide Methoden haben ihre Berechtigung. Wenn beide Seiten eine Win-win-Lösung anstreben, ist das Harvard-Konzept perfekt. Die Grenze ist aber erreicht, sobald eine Seite glaubt, gewinnen zu können und den anderen auflaufen lässt. Ich sage immer: an das Gute glauben, auf das Schlechte vorbereitet sein. Wenn ich überrascht bin, habe ich in der Vorbereitung Fehler gemacht. 

 

Buchtipp:  

> Matthias Schranner: Teure Fehler. Die sieben größten Irrtümer in schwierigen Verhandlungen. Econ 2009.
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