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Den Worten Daten folgen lassen

Anfang 2010 tritt auch in Österreich die gesetzliche Vorratsdatenspeicherung in Kraft. Das exzessive staatliche und private Datensammeln gerät allerdings immer mehr in die Kritik.


Die rote Regierungshälfte hatte sich zwar gewehrt, aber die EU lässt keine Ausreißer mehr zu: Ab Jänner 2010 tritt auch in Österreich die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung in Kraft. Die Minimalvariante, die Infrastrukturministerin Doris Bures, immerhin in Zusammenarbeit mit dem Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte, jetzt auf den Weg bringen musste, war der regelmäßig nach Law and Order rufenden konservativeren Reichshälfte zwar bei weitem nicht genug, doch auch in der abgemilderten Variante stellt das neue Gesetz in den Augen von ARGE-Daten-Sprecher Hans Zeger einen unzumutbaren Eingriff in die Rechtsordnung der Republik dar. „Mit dieser Richtlinie hat man ein ganz wesentliches Grundprinzip unserer Gesellschaft verlassen - unbeobachtet leben zu können, so lange man sich nichts zuschulden kommen lässt“, äußerte Zeger gegenüber dem Standard seine tiefgreifenden Bedenken gegen den schleichenden Paradigmenwechsel in der Behandlung aller Staatsbürger.

Dass sich in der Alpenrepublik trotzdem keine der arrivierten Parteien so richtig mit den brennenden Themen des digitalen Lebens, vom Urheberrecht bis zum Datenschutz, anfreunden kann, zeigte sich auch an der Verleihung des österreichischen „Big Brother Awards“ an die oberösterreichischen Grünen: Ausgerechnet die Grünen, in den Augen vieler am ehesten jene Partei, die sich auf diesem Gebiet profilieren könnte, hatten im Land ob der Enns im vergangenen Wahlkampf gemeinsam mit den Bundesregierungsparteien die Einführung einer Internetsperrliste nach deutschem Vorbild gefordert. Beim großen Bruder Deutschland ist diese Forderung übrigens nach massiven Protesten und Regierungsverhandlungen wieder vom Tisch. Bezeichnend für die grüne Hilflosigkeit der „Politik 2.0“ gegenüber ist aber auch die traurige Tatsache, dass sich bei der groß als partizipatives Internetprojekt angekündigten grünen Vorschlags- und Diskussionsplattform zukunftskongress.at bei gezählten 30 Themen kein einziges zum Thema Internet finden lässt.

Wahrscheinlich aber brauchen sich die sonst überall gegen Kontrolle auftretenden Grünen deshalb keine grauen Haare wachsen zu lassen, denn auch im Rest der Bevölkerung ist das Bewusstsein um den Umgang mit privaten Daten im Internet inferior. Der ungebrochene Boom sozialer Netzwerke von Facebook bis zu Twitter lässt viele Netzbewohnerinnen darauf vergessen, dass sie ihre teils intimsten Tagebucheinträge mehr oder weniger öffentlich für jeden offen ausstellen – vom Bewerber screenenden Personalchef bis zum eifersüchtigen Ex. Dass auch der Umgang der Seitenbetreiber mit diesen Daten nicht gerade vorbildlich ist, zeigte sich vor kurzem, als ein jugendlicher Hacker 2,7 Millionen Datensätze der Social-Network-Seite SchülerVZ entwendet hatte. Nach einem angeblichen Erpressungsversuch nahm sich der Jugendliche tragischerweise daraufhin in der Untersuchungshaft das Leben – mit den fragwürdigen Umständen der Ereignisse beschäftigt sich inzwischen die Justiz.

Dass jene Unmengen von Daten, die zukünftig auch in Österreich von staatlicher Hand gesammelt und sechs Monate gespeichert werden, tatsächlich Wertvolles zur Terror- und Verbrechensbekämpfung beitragen werden, wird seit Jahren von Menschenrechtsorganisationen mit guten Argumenten bezweifelt. Diese willkürliche Vergrößerung des Heuhaufens lädt dafür zu atemberaubendem Missbrauch ein – nicht nur durch die Staaten selbst, sondern auch durch die seit Jahren mit Millionengeldern dafür lobbyierenden privaten Rechteinhaber, die in der Datensammlung einen essentiellen Schritt zur Einzementierung ihres analogen Geschäftsmodell samt Abmahnwellen und „Three Strikes“-Gesetzgebung sehen. In Großbritannien, dem inzwischen am schärfsten überwachten Land der Welt, rudert die Regierung bei noch weiterreichenden Überwachungsplänen übrigens bereits wieder zurück: Die heftig umfehdete „Data Communications Bill“, von Kritikern vielsagend „Big Brother Act“ genannt, wurde nicht zuletzt wegen öffentlicher Diskussionen jüngst auf die lange Bank geschoben.

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