Stereoide in den Markt gepumpt
- Written by Redaktion_Report
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Im Kampf um den lukrativen Smartphonemarkt liefern sich Nokia, Microsoft und andere ein heißes Rennen. Die Gegner: Apple und Google. Zu gewinnen gibt es Wachstum mit Services jeder Art.
Nokia und Intel lancieren mit „MeeGo“ einen Vorstoß für einen neuen Standard für Mobile Computing. Die gemeinsame Plattform auf Linux-Basis soll vor allem leistungsfähige Geräte der nächsten Generation ansprechen: Smartphones, Netbooks, Tablet-PCs und sogar TV-Sets. Kai Oistämö, Vice President Devices Nokia, und Intels Leiterin für Software und Services, Reneé James, betonen auf dem Mobile World Congress in Barcelona den absolut offenen Herstelleransatz. „Wir bieten mit MeeGo die beste aller möglichen Softwareplattformen für Entwickler, Multimedia, die Entertainment- und Kommunikationsindustrie“, verspricht James einen Marktstart im zweiten Quartal.
MeeGo ist nicht die einzige Softwareplattform Nokias, aber vielleicht die erste, die einen derart engen Schulterschluss mit dem Mitbewerb sucht. Während bei den Finnen das neue System die Applikationsplattform Maemo über kurz oder lang ablösen soll, zieht Intel nun seine Ressourcen aus seiner Linuxdistribution Moblin ab. Das Resultat ist ein Untergrund für Applikationen, der beide Welten vereint: Handsets und Mobile PCs. Aber auch Symbian-Handys, Nokias weit verbreitetes Betriebssystem, wird es weiterhin geben. „Symbian ist einfach das beste Mittel, Smartphones in den breiten Markt zu bringen“, weiß Kai Oistämö. Bei MeeGo werde es dagegen für die Entwickler unerheblich, welche Art von Endgeräte die Nutzer gerade verwenden. Eine Applikation wird nur ein einziges Mal gebastelt werden müssen und überall laufen - vom Highend-Handset bis zum Massenprodukt. Auch aus Nutzersicht bedeutet dies einen Paradigmenwechsel: Anwendungen können problemlos von Device zu Device mitgenommen werden. „A single ecosystem. No walls“, formuliert dies Oistämö. „Das ist, wie Stereoide in den Entwicklungsmarkt zu pumpen.“
Kampf um den Markt
Ob die beiden Konzerne die betonte Offenheit gegenüber anderen Geräteherstellern auch in tatsächliche Partnerschaften umwandeln werden können, bleibt indes fraglich. Mittlerweile wäre ein Schulterschluss gegen unterschiedlichste Mitbewerber nötig: der Quereinsteiger Apple ist weiterhin unangefochtener Trendsetter am Smartphonemarkt. Microsoft dagegen wird nicht müde, sein Mobil-Versionen von Windows dominant am Markt zu platzieren (Kasten). Dann ist da noch Google mit seinem Betriebssystem Android, das stetig an Attraktivität und Applikationsumfang zulegt. Und schließlich hat in Barcelona auch noch Samsung sein erstes Handy mit dem werkseigenen, viel versprechenden Betriebssystem Bada (koreanisch: die Welle) vorgestellt. Den passenden Application Store dazu wird es natürlich ebenfalls in Kürze geben.
Im Gegensatz zum iPhone schaffen Bada, Nokias Betriebssystem-Derivate und in Kürze auch die Android-Plattform, den Web-Animationsstandard Flash darzustellen. Apple weigerte sich bislang beharrlich, Flash für seine Handsets freizugeben. Doch wird dieser Nachteil wohl in wenigen Monaten behoben sein. Der Flash-Eigentümer Adobe werkt Meldungen zufolge eifrig daran, Apples Zweifel hinsichtlich der Fehleranfälligkeit von Flash auf dem Mac-Betriebssystem auszuräumen. Doch auch Microsofts neues mobiles System, Windows Phone 7, wird in seiner ersten Version Flash noch nicht unterstützen.
Das Gedränge um die besten Handy- und Mobile-Computing-Plattformen ist noch lange nicht zu Ende. Immerhin - und das lässt sich für den diesjährigen Mobile World Congress sagen – spricht die Branche nun nicht mehr über Hardware, sondern Softwareplattformen. Die Handsets sind bunt und leistungsfähig geworden und kopieren mehr oder weniger die Einfachheit und Funktionalitäten des iPhone. Jetzt geht es weiters darum, jene Anwendungen zu finden, die das Leben ihrer Nutzer einfacher machen. Bei Nokia beispielsweise sind dies Navigation und Musik. Die Gratis-Lösung Ovi Maps wurde dreieinhalb Wochen nach Marktstart bereits drei Mio. Mal heruntergeladen und bietet lokale Navilösungen für Fußgänger und Autofahrer in 74 Ländern. Der Handyhersteller kann sich nun rühmen, die mobile Navigation in den Massenmarkt gebracht zu haben. Ganz zu schweigen von einem neuen Geschäftsmodell: die Expertise eines weltweit tauglichen Services wird hier mit lokalen, personalisierbaren Inhalten verheiratet. Noch sind die Karten werbefrei.
Handymoney
Musik, E-Mail, Messaging, Spiele und vieles mehr - das möchten die Nutzer jetzt auf ihren Handys nutzen. Und vielleicht auch bald Bezahllösungen. M-Paying wird bereits seit längerer Zeit von einzelnen Dienstleistern geboten - in Ländern wie Österreich auch schon ganz erfolgreich. Doch ein weltweit gültiger Standard für das Bezahlen mit dem Handy hat sich bislang nicht durchgesetzt. „Es gibt auf der Welt 4,4 Mrd. Handys und 1,8 Mrd. Bankkonten. Diese Lücke wollen mit Nokia Money schließen“, meint nun Niklas Savander, Executive Vice President Services Nokia. Die Idee bei Nokia Money: Wird das Handset einmal mit der Money-Applikation geladen, soll eine Transaktion so einfach wie das Senden einer SMS-Nachricht sein. Nokia kreiert mit Netzbetreibern und lokalen Banken ein weiteres neues – diesmal monetäres - Ökosystem.
Ein kommerzieller Pilot findet heuer in der indischen Stadt Pune statt. Innerhalb von 12 Monaten sollen dann alle großen Metropolen des Subkontinents erschlossen werden. Für Savander ist der Schritt zum mobilen Geld logisch und auch reguläre Bankkunden sollen diesen Service nutzen. „Wir zahlen ja auch nicht mehr mit Scheckbüchern, sondern managen unser Geld bereits online.“ Diese Erkenntnis ist mittlerweile bis zum letzten Hersteller und Netzprovider durchgedrungen: einfach muss es sein.
Neues Mobile Windows
Microsoft-Boss Steve Ballmer persönlich stellte auf dem Mobile World Congress die neue Generation der Mobile-Windows-Plattform vor. Ballmer und Microsoft Vice President Joe Belfiore, verantwortlich für die Phone-Strategie, wurden nicht müde zu betonen, dass man ein Handy nun wirklich als Handy betrachten würde – und nicht als PC. Auf den herkömmlichen Desktopansatz wird künftig verzichtet. Ein zentraler Punkt von „Windows Phones 7“ sind Themenportale, die Internetinhalte, Anwendungen und auch persönliche Daten bündeln. Letztere spielen auch auf der dynamisch erstellbaren „Startseite“ des Handys eine größere Rolle. Der Nutzer kann nach Belieben dort Kontakte pinnen, um jederzeit etwa am letzten Stand des Facebook-Status seiner Familie oder Kollegen zu sein. Integriert in jedem Windows Phone-7-Handy ist auch der Mediaplayer Zune. Erste Handsets sollen zum Weihnachtsgeschäft erhältlich sein. Steve Ballmer hofft bis dahin auf die Glückszahl 7. Hat doch auch Windows 7 bislang nur positive Kritiken erhalten.
Last modified onDienstag, 16 Februar 2010 13:56