Die grauen Panther auf Jobsuche
- Written by Redaktion
- font size decrease font size increase font size
Die Rezession hat amerikanischen Pensionisten schwer zugesetzt. Das Ersparte ist dahin, jetzt beginnt die Suche nach Nebenjobs. Mehr als zwei Drittel aller US-Rentner wollen arbeiten.
Vor wenigen Wochen hat an der Ecke ein neues Deli aufgemacht, ein typisch amerikanischer Laden, in dem fetttriefende Sandwiches und schlechter Kaffee serviert werden. Ein paar Tische, eine lange Schank, einige Latinos in der Küche: Es ist ein Laden wie viele in der Gegend, ganz und gar nichts Außergewöhnliches – bis auf den Besitzer, der ist etwas Besonderes. Er heißt Steve und ist 83 Jahre alt. »Mir war schlicht und einfach langweilig in der Pension«, erklärt er. Vor zehn Jahren hat sich der Kaufmann in den Ruhestand begeben, ausgiebig Golf gespielt, eine Kreuzfahrt gemacht. Und dann? »Ich bin meiner Frau unsäglich auf die Nerven gegangen – und sie mir.« Jetzt steht er wieder in seinem Laden.
Was Steve nicht dazu sagt: Die große Rezession hat seine Ersparnisse dezimiert und um seinen Lebensstandard zu halten, braucht er Extraeinnahmen – wie viele Amerikaner. Sein Deli ist kein Zeitvertreib, er braucht das Geld, weil er sonst seine Rechnungen nicht zahlen kann. Aber über die eigene Klammheit offen zu reden, ist gänzlich unamerikanisch. Da wird die sonst so offene Geldkultur plötzlich sehr verschwiegen.
Aber anonyme Umfragen bringen Licht ins Dunkel, so wie jene, die das Employee Benefit Research Institute (EBRI) seit 1996 jährlich durchführt. Die jetzt veröffentlichte Studie 2012 zeigt ein klares Bild: Steve ist ganz und gar durchschnittlich.
Die Wirtschaftsflaute hat einen ohnedies längst bestehenden Trend deutlich verstärkt. Aus dem Konsumweltmeister von früher sind die Hungerkünstler von heute geworden. Rund 60 % der Amerikaner geben an, dass sie weniger als 25.000 Dollar für ihre alten Tage zur Seite gelegt haben. 30 % haben gerade einmal 1.000 Dollar auf der hohen Kante.
Noch nie waren die Werte so schlecht. Vergleicht man die Ersparnisse mit den Einschätzungen der Amerikaner, was sie für ein sorgenfreies Rentnerdasein bräuchten, dann wird die Kluft deutlich. 500.000 Dollar, schätzt jeder dritte Befragte, würden gerade ausreichen, um den Lebensstandard in der Pension nicht einschränken zu müssen, 18 % denken, ein Betrag zwischen 250.000 und 500.000 wäre genug, und 34 % finden mit weniger als 250.000 das Auslangen.
Aber die tatsächlichen Ersparnisse sind weit von diesen Beträgen entfernt und so glaubt die Mehrheit der Amerikaner mittlerweile, dass sie frühestens mit 65 die Pension antreten wird. Und ganze 70 % sind davon überzeugt, dass sie, um den Haushalt aufrechterhalten zu können, Geld dazuverdienen müssen. Arbeiten auch in der Pension ist also angesagt, aber das ist bei einer Arbeitslosenrate von rund 9 % gar nicht so einfach.
27 % der Pensionisten haben tatsächlich einen Job, mit dem sie ihre Rente auffetten, der Rest der arbeitsuchenden Rentner geht leer aus. Die Realität spiegelt sich auch in der EBRI-Studie wider: Während 72 % derer, die jetzt im Arbeitsprozess stehen, glauben, immer einen Job zu finden, wenn sie einen brauchen, sinkt dieses Vertrauen bei den Pensionisten. 54 % der Rentner halten es für nahezu aussichtslos, je noch einmal einen Arbeitslohn zu beziehen. Die Realität schlägt zu und jene, die als Spätsechziger einmal versucht haben, Beschäftigung zu finden, sind ziemlich illusionslos, was ihre Chancen betrifft.
Steve hat da einen anderen Weg gewählt. Weil ihn keiner anstellen wollte, ist er Jungunternehmer geworden – mit 83 ...