Zweiter Frühling?
- Written by Redaktion
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Schon eine kleine Einzelmaßnahme kann das bauphysikalische Gleichgewicht schnell zum Kippen bringen«, warnt Architekt Christian Hanus, Leiter des Lehrgangs Sanierung und Revitalisierung an der Donau-Universität Krems. »Denkt man hingegen im Großen, kann eine Sanierung den zweiten Frühling für Gebäude bedeuten«, erklärt Georg Bursik, Geschäftsführer von Baumit Wopfinger. Und Günter Prirschl, Leiter der Anwendungstechnik bei Bramac, ergänzt: »Eine Sanierung ist nicht nur eine Behübschung des Gebäudes. Sie dient in erster Linie dazu, die Bausubstanz für lange Zeit zu erhalten, also eine Verjüngung und Erneuerung des Bauwerks zu erreichen«. Eine Gesamtsanierung bedeutet auch für Hanus einen Zeitsprung. »Allerdings neigen Bewohner und Betreiber heute zu schrittweisen Adaptionen des Gebäudes. Investitionen werden in der unsicheren Wirtschaftslage nur abschnittsweise getätigt. Bauten werden in der Regel an die Benutzer angepasst. Es wird nicht versucht, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen.« Die heutigen Sanierungsziele liegen in Energieeffizienz, Barrierefreiheit sowie in der Modernisierung der Haustechnik. Durch verbesserte Energieeffizienz können Hausbesitzer massiv sparen. »Dächer aus den 60er/70er-Jahren sind kaum bis gar nicht gedämmt, dadurch entweichen 30 Prozent der Energie«, zeigt Martin Olbrich, Prokurist von Tondach Gleinstätten auf. »Das Dach bildet den wichtigsten Bauteil der Gebäudehülle. Hier gilt es anzusetzen.«
Der Sonne entgegen
Neben Energieeffizienz fallen Olbrich noch weitere Gründe für eine Dachsanierung ein. »Das Dach bildet den höchsten Schutz für das Gebäude und die Menschen, die darin wohnen.« Wenn das Dach in seiner Funktion beeinträchtigt ist, etwa durch alte, mangelhafte, undichte Dacheindeckungen, lose Dachelemente, Frost- oder Hagelschäden, und Wasser eintritt, hat dies Feuchteschäden und letztendlich Schimmelbildung zur Folge. »Vorhandener Dachbodenraum wird gerne zu Wohnraum ausgebaut«, ergänzt Prirschl. »Dafür ist in den meisten Fällen ein Unterdach erforderlich.« Durch jahrzehntelange Bewitterung werden Dacheindeckungen in Mitleidenschaft gezogen. Daher sind Anschlüsse an Kamin und Fenster zu überprüfen und gegebenenfalls zu erneuern. Für den Bramac-Technikleiter ist auch die Luft- und Winddichtheit der Gebäudehülle entscheidend. In immer mehr Fällen trägt das Dach zur solaren Energiegewinnung bei. »Dies kann durch Indach- oder mit Aufdachkollektoren erfolgen. Optisch schöner sind Indachkollektoren. Preisgünstiger sind Aufdachkollektoren«, informiert er.
Wertsteigerung heißt Komfortsteigerung
Dem großvolumigen Wohnbau kommt im Klimaschutz besondere Bedeutung zu. Durch Sanierung gewinnt das persönliche Wohlbefinden und die Geldtasche, aber auch die Umwelt. Denn Sanierung heißt nicht nur, an die Fassade eine thermische Dämmung anzubringen oder Fenster zu tauschen. Es gilt, der Materialermüdung entgegen zu wirken, konstruktive Fehlplanungen aus der Vergangenheit zu beheben, Bauteile zu tauschen, die Bausubstanz zu verbessern und die Sanitärausstattung zu modernisieren. Innovative Maßnahmen wie Photovoltaik in die Gebäudehülle zu integrieren, schafft einen Mehrwert. Für die Donau-Universität ist die gesamtheitliche Planung unumgänglich. »Der Architekt muss als Generalist auftreten und rechtliche, energetische, baubiologische und benutzergerechte Aspekte beachten. Die Klärung der energetischen Frage reicht allein nicht mehr aus. Hausverwaltungen und Eigentümer benötigen für ihre Entscheidungsgrundlagen auch die Klärung rechtlicher Aspekte, d.h. Fragen rund um Mietrecht, Wohnungseigentumsrecht, Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht, aber auch Modelle der Finanzierung, Antworten zu Amortisationsfragen, Denkmalschutz und Statik«, so Hanus. Dazu stellt sein Team mit der Energie- und Umweltagentur NÖ ein Netz an Sanierungsberatern für den großvolumigen Wohnbau bereit. »Die Berater betreuen Hausversammlungen, berechnen Wärmebrücken, sanieren mit Augenmerk auf Barrierefreiheit und Passivhauskomponenten, begleiten beratend über die gesamte Projektdauer und vermitteln zwischen Energieberatern und Planern«, fährt Hanus fort. Projekte dieser Art gibt es in jedem Bundesland. Kontaktdaten dazu gibt es unter www.bauen-sanieren.klimaaktiv.at.
Chemikalienfrei
Böden, Wände, Fliesen, Türen und Fenster werden heute mit einer Vielzahl an Werkstoffen, Lacken, Putzen, Folien, Spachtelmassen usw. für ein langes Leben ausgestattet. Oberste Priorität muss daher die Verwendung von baubiologisch einwandfreien Materialien haben. »Dazu gibt es bereits etliche bauökologische Zertifikate und Institutionen wie bauXund«, informiert Hanus. »Unproblematisch sind traditionelle Baumaterialien, wie Leinölfarben, Kalkfarben, Lehmputze oder Parkettböden. Beim Einsatz neuer Materialien muss man immer auf die Kombination achten, denn Baustoffe können Schadstoffe abgeben. Es besteht die Gefahr chemischer Reaktionen unter Abgabe von Lösungsmitteln oder gasförmigen Substanzen. Häufig kommt es auch zum Versagen des ganzen Systems, etwa durch Diffusionsgeschlossenheit an Fenstern und Wänden«, so Hanus. Bei Sanierungsprodukten, besonders für den Innenraum, ist daher stets auf die Materialverträglichkeit zu achten. »Bei der Eindeckung und bei Aufsparrendämmsystemen ist neben der Materialverträglichkeit auch auf die zugesagten Garantien zu achten. Die Verwendung von Nicht-Originalzubehör kann zum Verlust eines etwaigen Garantieanspruches führen«, zeigt Günter Prirschl auf. »Mit Wissen allein ist es hier leider nicht getan. Das Fatale ist, dass es heute eine Vielzahl an Materialien gibt, die immer wieder den Namen wechseln. Bei Sanierungen braucht es unbedingt jemanden, der sich von Beginn an nur mit dieser Materie beschäftigt, der Ausschreibungen kontrolliert und auf der Baustelle prüft, ob das, was offeriert wurde, auch eingesetzt wird. Es braucht einen Kontrollprozess bis zur Abnahme. Aus Berichten von Kollegen weiß ich, dass hier böse Überraschungen passieren können«, erzählt Sanierungsexperte Christian Hanus aus der Praxis.