Intelligente Netze, riesiges Neuland
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Smart Meter, Smart Grid, intelligente Energieversorgung
sind die Themen der Energiezukunft Europas. Welche Ansätze und Piloten neue Geschäftsmodelle erschließen.
Ausbauen und Einsparen – das wäre die Essenz, wenn man die Klima- und Energieziele der Europäischen Kommission in drei Worte fassen wollte. Weniger Stromverbrauch, eine höhere Energieeffizienz und der Zuwachs von regenerativen Energien am Strommix Europas sind die Stoßrichtung, in die Politik und Wirtschaft nun in den nächsten Jahrzehnten Seite an Seite voranschreiten wollen. Es gilt die Erneuerbaren wie Windkraft und Solarenergie in einen praktikablen Verbund mit den herkömmlichen Großkraftwerken zu bringen. Die einen speisen sauberen Strom je nach Windstärke und Sonneneinstrahlung in die Netze ein, die anderen halten das Energieangebot aufrecht, wenn es meteorologisch mal nicht so passt. Auch die Speicherung von Strom ist da ein brennendes Thema. Denn nicht immer sind die Verbraucherzentren bereit, ad hoc den erzeugten Strom auch abzunehmen. Allein, wie Speicherlösungen über die Pumpspeicherkraftwerke Österreichs hinaus aussehen könnten, das steht noch in den Sternen. Oder hoffentlich nicht ganz so weit entfernt: Möglicherweise taugen auch die Batterien der Elektroautos dazu, künftig in kleinteiliger Manier Angebot und Nachfrage in einem veränderten Strommarkt zu regeln.
Konservativen Schätzungen zufolge nimmt der weltweite Markt für intelligente Energienetze bis 2014 gut 100 Milliarden Euro Volumen ein. Durch Effizienzsteigerungen in den Netzen könnten mit Smart Grids weltweit bis 2020 auch mehr als eine Milliarde Tonnen CO2 eingespart werden. Smart Grids helfen auch, die Kosten gering zu halten. Das Sparpotenzial in Europa beträgt Studien der EU zufolge 7,5 Milliarden Euro jährlich. Wie unsere Stromzukunft aussehen kann, lässt sich derzeit auch im Kleinen mitverfolgen, in alter deutsch-österreichischer Freundschaft. Die Zahl der Wind- und Solarkraftwerke hat in den letzten Jahren bei unserem Nachbarn stark zugenommen. In Deutschland sind die Speicherkapazitäten aber begrenzt. Österreich verfügt hingegen über große Pumpspeicherkraftwerke. Deshalb gewinnt die energiewirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern an strategischer Bedeutung. Sie könnte auch zu einem Vorbild für die Etablierung eines europäischen Energiebinnenmarktes werden.
>> Verpflichtende Maßnahmen <<
Um das ehrgeizige Ziel Brüssels zu erreichen, bis 2020 eine Senkung des Energieverbrauchs um 20 % zu erreichen, pocht die EU-Kommission nun auf verpflichtende Maßnahmen der Energieversorger, um die Haushalte zu Einsparungen zu animieren. Der heimische Regulator preschte jüngst mit einem Vorschlag vor, dieses Thema den Stromnetzbetreibern umzuhängen. Die heimischen Energieversorgungsunternehmen wiederum sehen Kundenaktionen und Services rund um Einsparungen und Effizienz vielmehr für die Vertriebsbereiche prädestiniert. Schließlich verfügen diese bereits über den Kontakt zu den Endverbrauchern. Einem Entwurf des Ministers zufolge wird ein Teil dieser verpflichtenden Maßnahmen wohl künftig als Netzzuschlag ausgewiesen. Den Vertrieben wird eine Effizienzverbesserung von 0,5 % per anno vorgegeben. Das hält man auch in der Branche allgemein für machbar. Die Energieversorger haben indes in den letzten Jahren das Thema alles andere als verschlafen: Zigtausende Kundenberatungen auf Energiesparmessen, verschiedenste Marketingaktionen – manch einer hält die Bestrebungen in einzelnen Bundesländern bislang für mustergültig.
Energieeffizienz – das heißt auch, intelligente Netze und Zähler einzuführen, die in den Haushalten Energie und Kosten sparen helfen. Einer der Frontrunner dazu ist die Energie AG Oberösterreich mit dem aktuell größten heimischen Smart-Meter-Pool. 100.000 AMIS-Zähler (»Automated Metering and Information System«, von Siemens in Österreich entwickelt) sind bereits installiert. Das entspricht gut 20 % der Kunden der Oberösterreicher. Zwar war dies mit entsprechenden Kosten und Pionieraufwand verbunden, doch hat fairerweise der Regulator einige Kosten abgegolten.
Einer Verordnung des Wirtschaftsministeriums zufolge müssen bis Ende 2019 95 % der Haushalte mit den neuen Zählern ausgestattet sein. Auch wurden in den vergangenen Wochen erstmals die technischen Spezifika zu den Smart Meters festgemacht. Damit ist die Kostensituation bei Investments für die Energieversorger besser abschätzbar. Themen wie Datenschutz und Cybersecurity spielen noch hinein – da gilt es nun jene Perfektion zu erreichen, um allen Anforderungen gerecht zu werden.
>> Intelligentes Netz <<
Den Smart Meters übergeordnet bildet künftig das Smart Grid ein intelligentes, automatisiertes Stromversorgungsnetz. Es ist mit Informations- und Kommunikationstechnik ausgestattet, um einen durchgängigen Datenfluss von der Stromerzeugung bis zum Verbraucher und umgekehrt zu ermöglichen. Während bei konventionellen Stromversorgungsnetzen die Erzeugung dem Verbrauch folgt, steuert ein Smart Grid auch den Verbrauch abhängig von der Verfügbarkeit der elektrischen Energie im Netz. Durch das mögliche Verlagern von Lastspitzen in Nebenzeiten werden die Netze gleichmäßiger ausgelastet.
Wie dramatisch der Wandel in den Netzen bereits heute ist, zeigt die Zahl der Erzeugungsanlagen in Deutschland. Wenn in Bayern die Sonne aufgeht oder ein besonders windstarker Tag Windkraftanlagen an der Nordsee schnurren lässt, wirkt sich das sofort mit Netzschwankungen auf die gesamte Infrastruktur aus. Waren im Jahr 1990 noch knapp 1.000 Anlagen am Netz, sind es aufgrund der vielen neuen regenerativen Erzeuger mittlerweile fast eine Million. Der zunehmend fluktuierenden Einspeisung stehen derzeit aber noch kaum flexible Lasten gegenüber.
>> Puffer überall <<
Ein Vorteil des Datenaustausches in Smart Grids besteht darin, dass sowohl Energieversorger als auch -verbraucher definierte Einrichtungen der angeschlossenen Gebäude, beispielsweise Kühlanlagen, als dezentrale Energiepuffer nutzen können. Auch Elektrofahrzeuge können eine Bedeutung als derartige Energiespeicher bekommen. Die Praxis könnte so aussehen, dass Gebäude während Niedertarifzeiten vergleichsweise viel Strom beziehen, um ihren Bedarf zu decken und gleichzeitig ihre Energiespeicher, wie etwa Boiler, Kühlanlagen und E-Cars, zu befüllen. In dieser Zeit erzeugen sie wenig eigenen Strom. In Hochtarifzeiten dagegen wird die gespeicherte Energie zur Deckung des Eigenbedarfs genutzt, um möglichst wenig teuren Strom zu beziehen. Gleichzeitig wird viel Strom selbst erzeugt und der Überschuss ins Netz gespeist. Auch die Stromprodukte und Tarife werden durch eine Smart-Grid-Infrastruktur variabler. Die starren, beschränkten Tarifmöglichkeiten mit dem klassischen Tag- und Nachtstrom sind damit passé.
Noch gibt es viele offene Fragen beim Ausbau der Smart Grids und der Entwicklung dezentraler Versorgungsnetze. Fakt ist: Die Energienetze stehen jetzt an einem ähnlichen Punkt wie die Informationstechnologie vor 20 Jahren und die Automobilbranche vor 100 Jahren. Damals gab ein riesiges Neuland, das nach und nach erkundet und geformt wurde. Wir stehen nun vor neuen Chancen durch Smart Grids.