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Lobbyschlacht um Basel III

\"''DieDas ungeliebte Basel II hat die Unternehmensfinanzierung umgekrempelt. Jetzt ringen Politik und Banken um den Nachfolger Basel III. Was auf die Kreditinstitute zukommt, womit die Wirtschaft rechnen muss.

Von Heinz Van Saanen

Wenn Österreicher als Warner und Kritiker auftreten, ist das den internationalen Wirtschaftsmedien meist keine müde Zeile wert. Kürzlich schafften es aber gleich zwei heimische Vertreter aus Politik und Wirtschaft prominent in eine Handelsblatt-Story zum Thema Basel III. Othmar Karas warf sich als Vizepräsident der EVP-Fraktion im Europaparlament ins Zeug und forderte, dass die »geplanten Maßnahmen noch stärker auf ihre Auswirkungen auf die Realwirtschaft abgeklopft werden müssen«. Erste-Group-CEO Andreas Treichl wurde bei einer Anhörung in Brüssel noch deutlicher. Die Reform erschwere die zukünftige Kreditvergabe und werde eine Rezession auslösen, die die »letzte Krise wie ein Schlaraffenland aussehen lassen wird«, zitiert das Handelsblatt den Austro-Banker. Dominieren die kleinen Ösis jetzt gar schon die internationale Diskussion? Und wie geht das überhaupt, obwohl Österreich in keinem Basel-relevanten Gremium vertreten ist? Die Alpenrepublik ist kein Mitglied der G20, die als treibende Kraft hinter Basel III stehen, und ist auch nicht im Basel-Ausschuss vertreten.

Österreich ist also ein reiner Zaungast ohne Recht und Stimme. Und Zaungäste dürfen auch schon einmal deutlicher werden als Verhandler, die jede ihrer öffentlichen Äußerungen auf die diplomatische Goldwaage legen müssen. Verhandelt werden wird noch viel, auch wenn der Zeitplan und die Rahmenbedingungen für Basel III festgelegt sind (siehe Kasten Seite 20). Das »Konsultationspapier« liegt seit Februar am Tisch, die Daten der »offiziellen« Auswertungsstudie wurden erst kürzlich erhoben, sind aber noch nicht evaluiert. Die Evaluierung der Daten soll im Juni stattfinden und im Herbst im finalen Richtlinienentwurf münden. Wie dieser im Detail aussehen wird, steht noch in den Sternen. Ein paar Konstanten zeichnen sich jedoch ab. »Politisch wird unheimlich viel Druck gemacht«, sagt etwa Andreas Pangl, Generalsekretär des Fachverbands der Raiffeisenbanken. Pangl lehnt sich bei der Einschätzung der Rolle der USA aus dem Fenster. »Die USA erzeugen Druck und die EU spielt willig mit. Dabei ist noch nicht einmal ausgemacht, ob die USA bei Basel III auch selber mitziehen«, so Pangl. Hintergrund der Skepsis: Die Vereinigten Staaten waren bereits die Triebfeder hinter Basel II, haben das Regelwerk zur Risiko­minimierung bei Krediten aber selber nie zur Gänze umgesetzt.

Nach der Pfeife Washingtons

Während Europa brav nach der Pfeife Washingtons tanzte und die Basel-II-Regeln wie gewünscht 2007 implementierte, überschwemmten die Ami-Banken wie zum Hohn die Welt mit faulen Krediten und lieferten so den Initialzünder für die Finanzmarktkrise. Kritik an Basel III kommt auch aus der Wirtschaftskammer. »Nach der Finanzmarktkrise soll alles blitzschnell gehen. Was als Basel III am Tisch liegt, ist jedoch überzogen und würde weit in die Wirtschaft hinein gehen«, sagt Herbert Pichler von der WKO-Bundessparte Bank und Versicherung. Auch Pichler kommt ein Seitenhieb auf die Vereinigten Staaten über die Lippen: Man verstehe die Fehler, die in den USA gemacht wurden. Deswegen die europäische Wirtschaft abzuwürgen, sei jedoch kontraproduktiv. Eine Einschätzung, die nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Während sich kontinentaleuropäische Unternehmen zu 80 Prozent über den klassischen Kreditmarkt finanzieren und nur zu 20 Prozent über den Kapitalmarkt, ist das Verhältnis in den USA genau umgekehrt.

Sollte Basel III, wie die Auguren meinen, vor allem die europäischen Retailbanken treffen, würde das fast zwangsläufig das Angebot verknappen und die Finanzierungskosten der europäischen Unternehmen in die Höhe treiben. Die angelsächsischen Unternehmen – und zum Teil auch die Banken selbst – wären von diesem Szenario weitgehend abgekoppelt, zumindest solange die Börsen in New York und London als taugliche Finanzierungsinstrumente mitspielen. OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny preschte vor und schätzte die durch Basel III indizierten Zusatzkosten für den heimischen Finanzsektor auf rund 10 Milliarden Euro. Bankenkreise legen noch eins drauf und sehen die Zusatzkosten eher im Rahmen von 10 bis 13 Milliarden.

Während die »offizielle« Auswertungsstudie noch auf sich warten lässt, publizierte J.P. Morgan bereits erste Zahlen über den Effekt von Basel III. Laut der US-Bank, die 17 global agierende Institute befragte, würde die Kapitalrendite von durchschnittlich 13,3 auf 5,4 Prozent sinken. Ein Effekt, der aber geografisch höchst ungleich verteilt ist: Während die US-Banken durch die unterschiedliche Finanzierungskultur weitgehend aus dem Schneider wären, würde die Belastung im Wesentlichen von den kontinentaleuropäischen Banken geschultert werden.

Getriebene Politik

Was die neuen Eigenkapitalregeln insgesamt kosten könnten, ist umstritten. J.P. Morgan rechnet etwa mit 162 Milliarden Euro, andere Berechnungen gehen von einem zusätzlichen Kapitalbedarf von bis 300 Milliarden Euro aus. So oder so, Basel III wir für Europa teuer, während der Nutzen zumindest bezweifelt werden darf.
Getrieben werden Europas Politiker nicht nur von den USA. Glaubt man Insidern, treiben sie sich psychologisch bereits selbst. »Angesicht der aktuellen Krise will keiner der EU-Staatschefs zugeben, dass er etwas im eigenen Land nicht durchsetzen kann«, meint ein Beobachter, der mit der politischen Krisenbewältigung auch sonst hart ins Gericht geht. Sowohl der Zeitplan wie auch die Zielsetzung von Basel III seien ein Eingeständnis des eigenen Scheiterns. Ursprünglich hätte Basel III den Sinn gehabt, alte Krisen wie die von 2007/2008 zu verhindern. Diesen Gedanken hätte man vollständig aufgegeben. Jetzt gehe es nur mehr darum, zukünftige Euro-Krisen irgendwie abzufangen.

Anders als Resteuropa gehen die Schweizer, obwohl sie nicht direkt im EU-Boot sitzen, auch mit Basel III um. Die eidgenössische Finanzmarktaufsicht erhöhte die Eigenkapitalanforderungen bereits 2008 drastisch. Ab 2013 müssen die Schweizer Banken noch einmal mit einem zusätzlichen Sicherheitsaufschlag von 100 Prozent gegenüber den EU-Banken kalkulieren. Zum Vorreiter und Musterknaben des noch nicht einmal finalisierten Basel-III-Paketes haben sich die Schweizer nicht ganz freiwillig entwickelt. Nicht nur, dass sie ohnehin als Geldbunker für korrupte Politiker, Wirtschaftsmagnaten und Steuerflüchtlinge gelten und von der internationalen Gemeinschaft dafür zumindest verbal geächtet werden. Nach der Beinahepleite der UBS – die das Potenzial hatte, das ganze Land in den Abgrund zu reißen –  zogen die Politiker scheinbar im richtigen Moment die Reißleine. Die ehemals allmächtigen Züricher Banker, schwer gedemütigt durch ihr eigenes Versagen und der trotzdem ungebrochenen Boni-Gier, verspürten den geballten Zorn des Volkes und der Aktionäre und leisteten keinen nennenswerten Widerstand.

 

 

Der Lange Weg zu Basel III:

> Basel I ist ein historischer Oldie. Basel II ist zwar erst seit rund drei Jahren in Kraft, aber die Genealogie reicht auch schon lange zurück. Gut ein Jahrzehnt wurde in Brüssel gerungen und gefeilscht, bis das Regelwerk endlich stand. Version II adressierte vor allem die Kreditvergabe und deren Risiken und krempelte so vor allem die Unternehmensfinanzierung um. Echte Fans von Basel II sind rar, die Skeptiker umso zahlreicher. Kritisiert werden der bürokratische Aufwand und das enge formale Korsett, in dem Kreditnehmer via Mausklick über einen Kamm geschoren werden. Wie weit Basel II für die gedrosselte Kreditlust der Banken verantwortlich ist, ist schwer zu sagen. Just als das Regelwerk in Kraft trat, setzte die Finanzkrise ein. Das neue Baby Basel III adressiert vor allem eine Stärkung des »harten« Eigenkapitals der Banken. Details sollen bis Herbst im »Baseler Ausschuss« festgezurrt werden. Sollte die aktuelle Arbeitsfassung in Kraft treten, befürchtet der heimische Finanzsektor hohe Zusatzkosten. OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny spricht von rund 10 Milliarden Euro, Bankenvertreter von einer Bandbreite zwischen 10 und 13 Milliarden. Da sich in Österreich– so wie im Rest Europas – die Unternehmen zu 80 Prozent über Kredite und nur zu 20 Prozent über den Kapitalmarkt finanzieren, wäre in diesem Szenario eine Verteuerung oder Verknappung der klassischen Kreditfinanzierung wohl unausweichlich. Die Österreicher müssen bei der Vertretung ihrer Interessen übrigens über die Bande spielen: Sie sind weder Mitglied des Basel-III-Treibers G20 noch sitzen sie im Basel Ausschuss. Was bleibt, ist der indirekte Weg über die EU-Kommission. Für die Unternehmen bleibt – vorerst einmal - alles beim Alten. Angesichts der Krise wurde das Inkrafttreten von Basel III auf 2013 verschoben.
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