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Bastlerhit

(Foto: photos.com) Trautes Heim. Wenn der  Wohnraum zum Trauma wird. (Foto: photos.com) Trautes Heim. Wenn der Wohnraum zum Trauma wird.

Wohnraum wird immer rarer, die Suche nach Lebensraum immer aufwendiger. Und irgendwann stellt sich die Frage: Lebst du noch oder wohnst du schon? Ein Besichtigungstermin mit Rainer Sigl.

Hereinspaziert, nur nicht schüchtern! Grüß Sie Gott, angenehm, schön, dass Sie da sind! Ja, schauen Sie sich ruhig um, lassen Sie sich Zeit, lassen Sie alles auf sich wirken! DAS könnte bald Ihr Zuhause sein! Vorsichtig, gnä’ Frau, ich muss Sie aber genau wie den Herrn Gemahl bitten, vielleicht auch den Helm mit der Stirnlampe aufzusetzen, weil da hinten gibt’s ein klitzekleines Problemchen mit der Elektrik und der Beleuchtung, haha, tja, in der Anzeige steht’s ja eh, »Bastlerhit«, nicht, da kann sich der kreative Besitzer dann so richtig austoben und eigene Gestaltungsideen einfließen lassen! Wie bitte? Ja, die Sandsäcke sind im Preis inklusive, weil schauen Sie, die Nebenräume sind leider ein kleines bisschen überflutet seitdem da nebenan, direkt hinter der Wohnzimmerwand, die Tiefgarage ausgehoben wurde.

Ach so, das haben Sie nicht gewusst, dass es tatsächlich ein Sous-Sous-Terrain gibt? Sie haben geglaubt, das ist ein Tippfehler? Haha, goldig. Doch doch, nicht wahr, die Stadt ist ja sowas wie ein Schweizer Käse — wie bitte? Nein, nicht wegen dem Geruch hier drin, das ist sozusagen der Duft der Geschichte, haha, sondern weil die Stadt ja völlig untertunnelt ist, vor allem hier im Zentrum. Apropos: die Lage! Was sagen Sie zu der Lage dieser Traumimmobilie? Location, location, location, nicht wahr, fantastisch, zentral, historische Substanz und … wie bitte? Natürlich ist das ein »Altbauklassiker«, ich bitte Sie, in meinem Geschäft kann ich mir keine Lügen in den Anzeigen erlauben — wofür halten Sie mich? Hier steht’s ja: »Bastlerhit: Renovierungsbedürftiger Altbauklassiker« — die Gewölbe hier stammen nachweislich aus dem 18. Jahrhundert! Gut, es mag sein, dass dieses Schmuckkästchen ein bisschen dunkler und eine Spur feuchter ist als, was weiß ich, irgendein gesichtsloser Neubau im Niemandsland, aber ich frage Sie im Ernst: Wollen Sie nicht etwas mit Charakter? Und wie gesagt: die zentrale Lage!

Und das Beste — hören Sie das? Oder noch besser: Spüren Sie’s? Dieses zarte Beben? Dieses zärtliche, verheißungsvolle Rauschen, wie das Murmeln des Ozeans, oder das Singen des Hochwalds im Sturm? Beides falsch: Das ist der Klang der ultimativen urbanen Mobilität, Herrschaften! Denn hinter diesem unscheinbaren Stahlverschlag dort hinten in der Ecke ist ein 50 Meter langer Kriechgang, der Sie, wenn Sie ihn denn ausbauen möchten, direkt zur U-Bahn bringt — direkt ins Herrenklo neben der Bäckerei! Das heißt Sie haben nur drei Minuten von ihrer kuscheligen Stadtwohnung zu den Öffis!

Wie bitte? Kein Interesse? Wie meinen S’ das, jetzt verstehen S’ den Begriff »Wohnhaft« erst so richtig?

Aber gut, ich kann Sie ja nicht zu Ihrem Glück zwingen. Ein paar Tage kann ich Ihnen dieses Juwel vielleicht noch aufheben, aber dann … nun, vielleicht kann ich Sie ja für ein anderes Objekt aus meinem Angebot begeistern? »Wohnen mit Zukunft, in unberührter Natur, hoher Freizeitwert, unverbaute Südlage mit malerischer Aussicht, im 24. Wiener Gemeindebezirk« — bitte? Ja, gut, ich weiß, dass es momentan offiziell nur 23 Bezirke sind, aber es ist nur eine Frage von Jahrzehnten, bis das als zusätzlicher Bezirk eingemeindet wird, das ist — psssst! — ein Geheimtipp! Also: Wollen Sie sich vielleicht dieses Objekt mal anschauen? Hervorragend! Nein, da können S’ den Helm aber gleich auflassen, auf dem Kettenfahrzeug, das uns hinbringt, brauchen S’ den dann nämlich eh wieder. Ich such nur schnell die Machete und die Schreckschusspistole, weil letztes Mal gab’s da ein klitzekleines Problem mit den Eingeborenen … hallo?

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