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Abschied vom Hausmeister-Image

\"FacilityPutzkolonnen und Lampentausch als Geschäftsmodell? Das war gestern. Das Hausmeister-Image sind die Facility Manager auch heute noch nicht ganz los. Dass in der Branche wirklich die Post abgeht, beweist ein Strauß von erstaunlichen und komplexen Dienstleistungen. Wo die Trends liegen, was die Kunden davon haben.

Von Heinz van Saanen



Es gibt Sätze, die sind rätselhaft wie eine Sphinx. Mit »Das Nichts nichtet« hat es der deutsche Philosoph Martin Heidegger fast bis in die Popkultur geschafft. Weniger bekannt, aber genauso rätselhaft auch Heideggers »Die Sprache spricht«. Aha. Um heute noch zu rätseln, muss man nicht unbedingt einen alten Philosophen ausgraben. Es reicht ein Blick auf so ein modernes und vorgeblich trockenes Wirtschaftsthema wie Facility Management, kurz FM.

Jeder weiß natürlich irgendwie, was das ist – oder hat eine andere Perspektive. Wer es nicht ganz genau weiß, muss sich auch nicht grämen. Alleine Wikipedia bietet rund ein Dutzend Definitionen an. Wer tiefer schürft, findet bei Marktforschern Matrizen, die locker 30 bis 40 FM-Segmente, Vertrags- und Servicearten auflisten. Und selbst da dürfte noch Potenzial sein, weitere Geschäftsfelder zu identifizieren, die in die Begriffswolke FM passen.

Sphinxhaft ist schon der Ursprung von FM. Irgendwann in den 60ern könnte es mit der zunehmend komplexeren Systemmöblierung von Bürogebäuden zu tun gehabt haben, auch mit deren Reinigung und Wartung, in den 70ern dann mit der Ausbreitung von Terminals. Zumindest in den USA, wo der Begriff FM spätestens seit Anfang der 80er-Jahre gängig ist, als die National Facility Management Association gegründet wurde.

Für Europa und speziell Österreich wagt sich Report(+)PLUS mit einer neuen These vor: Am Anfang war die Putzkolonne! Wissenschaftlich abgesichert ist das nicht, aber einige Unternehmensgeschichten sprechen Bände. DIW ist etwa so ein Beispiel für den tiefgreifenden Strukturwandel. DIW, via Holding und Voith Paper die Tochter des Industrieriesen Voith, startete in den 70ern zumindest hierzulande als eher schlichter Gebäudereiniger – und ist heute ein hoch spezialisierter Anbieter für Industrie-FM. Wurzeln in der Reinigung hat etwa auch die WISAG, heute einer der großen FM-Dienstleister im deutschsprachigen Raum.

Firmengründer Claus Wisser finanzierte 1965 sein BWL-Studium als Gebäudereiniger. Ein Jahr später war Wisser kein Student mit Nebenjob mehr, sondern schon Chef eines expandierenden 20-Mann-Unternehmens. Einen ultimativen heimischen FM-Pionier auszumachen ist nicht leicht. Neben der DIW könnte als Kandidat etwa die HYPO NOE First Facility gelten, zumindest über historische Ecken. Den »Urahnen« teletech gab es ab 1984, dann folgten Übernahmen und Umfirmierungen zu EVN und first facility, Töchtergründungen in Südosteuropa und schlussendlich 2012 die Übernahme durch die HYPO NOE. Aus der turbulenten Anfangszeit dürfte auch das Image stammen, das FM hartnäckig mit billigen Putztruppen und externen Hausmeistern verbindet. Falscher könnte das Bild freilich nicht mehr sein.

Heute versteht sich FM, um eine der allgemeineren Definitionen zu nennen, als strategische Managementebene für betriebsunterstützende Aktivitäten außerhalb des Kerngeschäftes. Oder anders gesagt, FM ist irgendwie auch die Mutter des modernen Outsourcings. Etwas rätselhaft war bis vor kurzem noch die volkswirtschaftliche Bedeutung von FM. Erst 2009 wartete die Ruhr-Universität Bochum mit ersten harten Zahlen für Deutschland auf. Laut dieser Studie sorgt FM beim Nachbarn für eine Bruttowertschöpfung von 112 Milliarden Euro, was rund fünf Prozent des deutschen BIP entspricht. Das sind beeindruckende Zahlen, mit denen selbst optimistische Marktauguren oder der deutsche Facility-Verband GEFMA nicht gerechnet hatten.

>> Harte Markt-Bandagen <<

Die Zeiten mit jährlichen Wachstumsraten jenseits der 10%-Marke sind aber vorbei. Für Deutschland ortet der Marktforscher Interconnection für 2012 bis 2015 für den Gesamtmarkt eine Entwicklung zwischen Stag-nation oder gar Schrumpfung. Österreich bleibt von eher erratischen Entwicklungen wie im Nachbarland weitgehend verschont. Das heimische FM-Wachstum lag zuletzt zwar unter den deutschen Fabelwerten, bleibt aber auch in der Krise halbwegs stabil. Laut Interconnection liegt der österreichische FM-Markt aktuell bei rund 4,6 Milliarden Euro und sollte in den nächsten Jahren – moderat, aber immerhin – um etwa 2 % jährlich wachsen (siehe weiter unten).

Die durchgeknallten Finanzmärkte und die dadurch ausgelösten Krisen zeigen aber auch in der Alpenrepublik Wirkung. Das FM-Geschäft wird deutlich härter. »Die letzten zwei Jahre haben sich ausgewirkt. Es kamen nur wenige neue Objekte auf den Markt, daher kämpft momentan jeder gegen jeden um Bestandsobjekte«, sagt etwa HYPO NOE First Facility-Chefin Susanne Schindler. Schindlers Befund ist insofern bemerkenswert, als sich andere Markt-Urgesteine lieber nicht äußern. Zumindest nicht offiziell.

»Off Records« werden einige Marktteilnehmer schon deutlich gesprächiger. Eine kleine Auswahl von inoffiziellen Sagern und Meinungen: »Mit 300 Mitarbeitern bist du in Österreich ein kleines Würschtel.« Dazu passend und sinngemäß mehrfach gehört: »Den großen Anbietern geht es weniger um Gewinn als um Marktanteile. Und die werden einfach zusammengekauft.« Als Thema beliebt ist auch der Preisdruck: »Wir sind schon ewig seriöse Reinigungsprofis. Ich frage mich schon, wie das geht, dass Mitbewerber unsere Selbstkosten um 25 % unterbieten.« Wie das geht, wird unter der Hand auch gleich kolportiert: »In der Baubranche waren ja serbische Kurzzeitgeschäftsführer sehr beliebt. Bei uns boomen jetzt wie eine Flut Bulgaren und Rumänen.« Auch über die Kunden wird gemosert: »Da wird angeblich einer von ein paar tausend Mistkübeln nicht ausgeleert und schon gibt es einen Rechnungsabzug.« Das frustet die Anbieter: »Wir haben bald mehr Anwälte als Arbeiter.«

Der Kostendruck ist überall hoch. Den allzu forschen Kostendrückern fuhr Wolfgang Czernitzki, technischer Leiter der S.I.S-Gruppe schon 2010 verärgert in die Parade. »Die neueste Marotte ist es, bei uns anzurufen und kostenlose Probereinigungen anzufordern«, so Czernitzki damals. Wenn man damit anfange, Kernleistungen umsonst anzubieten, wo komme man da hin?

>> Wachstumspfade <<

Czernitzkis heftiges Njet zu unseriösen »Angebotsmauscheleien«, wo durch die Hintertür die Kosten von Probereinigungen eingerechnet werden, ist eher singulär. Aber die S.I.S kann sich das auch leisten. Nicht nur im Kraftwerk Simmering, sondern weltweit kommt die patentierte Hightech-Reinigung der S.I.S-Tochter Therm Service zum Einsatz. Die Therm Service ist weltweit über Jahre hinweg fix ausgelastet. Betteleien für kostenlose »Probereinigungen« prallen da gegen eine Stahlbetonwand.

Dass selbst größere heimische KMU aus dem Bereich FM- und Gebäudereinigung unter Druck kommen, liegt nicht nur an den »bösen« Finanzmärkten und ihren Krisen, sondern auch an der rasanten technologischen Entwicklung. Und am Druck zur Größe. Branchenriesen wie ISS feilen unablässig an FM-Gesamtpaketen, um die eigene wie Kundenkernkompetenzen unablässig zu optimieren und die Eigenleistungstiefe zu erhöhen. »Weniger ist mehr«, promotet ISS und trifft so den Nerv der Kunden. Österreich-Chef Erich Steinreiber vermeldete für 2011 ein sattes Plus von sieben Millionen Euro.

Die kostensenkende Konzentration auf Kernkompetenzen ist aber auch nur die halbe Miete. Wie sehr Größe zählt, zeigt auch die vor einem Jahr im letzten Moment abgeblasene Übernahme von ISS durch GS4. Beide Unternehmen hätten einen Konzern mit über einer Million Mitarbeitern geformt. Selbst Weltkonzerne wie Siemens nehmen sich dagegen fast schon bescheiden aus. Der spektakuläre Deal wurde zwar abgesagt, aber seit Mitte August hat ISS zwei neue Daueranleger, die 500 Millionen Euro investierten.

Neben Größe zählt – bei allem Drang zu möglichst integrierten FM-Dienstleistungen über möglichst viele Bereiche – aber auch Spezialisierung. Klassische FM-Bereiche wie Büro oder Industrie sind nach wie vor die Umsatzbrocken, wachsen aber nur unter dem Marktdurchschnitt. Boomthemen sind eher kleinere Marktsegmente wie Gesundheit, Logistik oder »Green Energy«.
Roland Berger beziffert das Wachstum für den Teilmarkt für Energie- und Ressourceneffizienz bis 2020 mit 6,5 % jährlich. Laut Immobilienmagazin dachte Strabag-Boss Hans Peter Haselsteiner vor 20 Jahren nicht im Traum daran, dass es so lange dauern würde, bis sich High-Performance oder Green Buildings im öffentlichen Sektor durchsetzen werden. Jetzt dürfte es endlich so weit sein.

HYPO NOE First Facility-Chefin Susanne Schindler rechnet damit, dass der öffentliche Bereich jetzt massiv aufholt. Im breiten, interdisziplinären FM-Geschäft gibt es übrigens auch Platz für Sonderkonjunkturen. Die Beckhoff Automation, traditionell ein Anbieter von PC-basierter Industrieautomation, legt da die Latte hoch: Seit den 80er-Jahren wächst Beckhoff mit einer exponentiellen Wachstumsrate wie von einem anderen Stern. Selbst in der Krise schaffte Beckhoff zuletzt Raten zwischen 30 und 40 %. Die Aussichten nach der jüngste Bilanz sind allerdings gemischt. Firmenchef Hans Beckhoff rechnet auch heuer – trotz »Konsolidierung auf hohem Niveau« und Rückschlägen in einzelnen Teilbereichen – mit einem moderaten Wachstum. Einer der stabilen Faktoren ist Gebäudeautomation.

 

>> Wo die FM-Branche steht, wie sie durch die Krise taucht

Die durch die Finanzmärkte induzierte Krise ist auch für die Facility-Branche kein Honigschlecken. Die Zahl der neuen Objekte ist überschaubar, der Kampf um Marktanteile spielt sich nicht selten bei Bestandsobjekten ab. Gejammert wird freilich auf vergleichsweise hohem Niveau. Die spektakulären Wachstumsraten der Prä-Krisenära sind vorbei, aber auch die jüngsten Studien des Marktforschers Interconnection weisen für Österreich seit 2008 und im Forecast bis 2015 ein stabiles Wachstum in der Region von gut 2 % aus. Der heimische Gesamtmarkt für Facility Services liegt aktuell bei rund 4,6 Milliarden Euro – und dürfte sich deutlich weniger erratisch entwickeln als in Deutschland. Beim Nachbarn lagen die Wachstumsraten selbst 2008/2009 noch jenseits der 10%-Marke. Dafür ist laut Prognosen von 2012 bis 2015 Schrumpfen angesagt.
Was die FM-Branche für Volkswirtschaften leistet, war lange ein unerforschtes Datenloch. Erst 2009 brachte die Ruhr-Universität Bochum mit einer breit angelegten Studie Licht ins Dunkel. Die FM-Branche liefert in Deutschland mit 112 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung einen BIP-Anteil von rund fünf Prozent. Dass die Größenordnung für Österreich zumindest ähnlich sein dürfte, ist keine allzu gewagte Prognose.

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