Unsichere Zeiten
- Written by Redaktion_Report
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Günter Geyer kann mit dem vergangenen Jahr zufrieden sein. In Osteuropa läuft das Geschäft für die Vienna Insurance Group (Wiener Städtische) hervorragend. Nach mehreren Akquisitionen ist der Versicherungskonzern in der CEE-Region zum Marktführer aufgestiegen und hat die deutsche Allianz SE überholt. »Die Märkte Zentral- und Osteuropas weisen weiter Wachstum auf. In einzelnen Ländern gibt es sogar zweistellige Zuwachsraten«, sagt VIG-Chef Geyer. Besonders stark stiegen die Prämieneinnahmen auf lokaler Währungsbasis in Ungarn (plus 46,8 %), Bulgarien (46 %), Tschechien (27,7 %)
und in Kroatien (19,3 %). Gedrückt wurde das Ergebnis in den ersten drei Quartalen 2009 nur durch die Unwetterschäden in Österreich, die Kosten von 135 Millionen Euro verursachten. Der Gewinn sank somit in den ersten neun Monaten um 12,6 % auf rund 263 Millionen Euro.
Kauflust
Die Einkaufstour der VIG ist im Osten dennoch keineswegs beendet. »Wenn in Ungarn und in Polen etwas auf den Markt kommt, werden wir uns das sicher ansehen«, gibt sich Geyer nach wie vor kauf- und kampflustig. Inzwischen zeichnet sich auf dem hart umkämpften Versicherungsmarkt jedoch eine Konsolidierungswelle ab.
Der niederländische Finanzkonzern ING muss in den kommenden Jahren seine Versicherungssparte zur Gänze abgeben. ING, in den Niederlanden die Nummer eins bei Lebensversicherungen, besitzt Niederlassungen in mehreren osteuropäischen Ländern. Auch die belgische Großbank KBC gab bereits bekannt, 30 bis 40 Prozent ihrer tschechischen Tochter an die Prager Börse zu bringen. Auch aus Slowenien will sich KBC zurückziehen.
Der spanische Finanzkonzern Santander hat umgehend Interesse angemeldet, aber auch die Wiener bleiben wachsam. Schließlich drängen gleichzeitig neue starke Konkurrenten in den Markt. So hat sich die französische AXA-Versicherung erst im November durch Kapitalerhöhung mit zwei Milliarden Euro gerüstet. Die prall gefüllte Kriegskasse soll für Zukäufe in Asien und Osteuropa dienen.
Frisches Geld
Eine Kapitalerhöhung um rund 8,6 % beschloss Ende November 2009 auch die österreichische Uniqa-Versicherung, die damit bis zu 150 Millionen Euro frisches Geld lukrieren will. Hohe Wertberichtigungen im Zuge der Lehman-Pleite hinterließen 2008 deutliche Spuren. Mehr als 300 Millionen Euro flossen in Abwertungen von Aktien, des ABS-Portfolios und anderer Anlagen. Bis zuletzt hatten sich Gerüchte, der größte Kernaktionär Raiffeisen wolle die Uniqa verkaufen, hartnäckig gehalten. Diese wurden mit schöner Regelmäßigkeit ebenso vehement dementiert. Die Raiffeisen Banken-Gruppe, die Austria Privatstiftung und der Verein Collegialität teilen sich nach der erfolgreichen Aufstockung nun rund 87 % der Anteile.
Eine Ausblick auf 2010 wollte Vorstandsvorsitzender Konstantin Klien anlässlich der Aufsichtsratssitzung zur Kapitalerhöhung nicht wagen. Das Ergebnis der ersten drei Quartale 2009 bezeichnete der Konzern als »solide«, es fiel aber mit 42 Millionen Euro Vorsteuergewinn dann doch empfindlich schwächer aus als in der Vorjahresperiode (104 Millionen Euro). Im »äußerst schwierigen Marktumfeld in Ost- und Südosteuropa« gelang es, ein »überdurchschnittliches Wachstum von 12,4 %« zu erreichen. Die Cashcow dieser Region ist weiterhin die Schaden- und Unfallversicherung. Hier konnte sich die Uniqa von der infolge der Wirtschaftskrise stagnierenden Marktentwicklung abkoppeln und auf lokaler Währungsbasis ein respektables Plus von 26,3 %
(Euro-Basis: 10,2 %) erzielen. Deutliche Prämiensteigerungen, wenngleich auf niedrigem Niveau, gab es auch bei den privaten Krankenversicherungen (plus 38,9 % auf lokaler Basis), bei den Lebensversicherungen dagegen kräftige Rückgänge (minus 13,2 %).
Die Ratingagentur Standard & Poor’s bestätigte zum Jahreswechsel dennoch erneut die »A«-Bewertung der Uniqa. Der Versicherungsgruppe gelänge es, »in Zentral- und Osteuropa aus organischer Kraft stärker zu wachsen als der Marktdurchschnitt«, lautet die Begründung.
Ab 2010 rechnet S&P bereits wieder mit höheren Gewinnen und äußerte sich damit überraschenderweise wesentlich optimistischer als die Konzernführung. Nicht zuletzt durch den Vertriebskanal der Raiffeisenbanken sei zu erwarten, dass die Uniqa die starke Wettbewerbsposition in Österreich halten sowie das Wachstum in Zentral- und Osteuropa fortsetzen werde.
Expansion aufgeschoben
Die Expansionspläne vorübergehend zurückschrauben musste schon die deutsche Allianz SE. 34 Länder hat der größte europäische Versicherungskonzern als Wachstumsmärkte auserkoren. In diesen Regionen, vor allem Osteuropa und Asien, lag die Latte für 2009 bei 15 Milliarden Euro Umsatz. Im Jahr davor hatte der Münchener DAX-Konzern 12,3 Milliarden Euro an Prämieneinnahmen erzielt.
Das ehrgeizige Ziel für 2011, 20 Milliarden Euro Umsatz in den Wachstumsmärkten, wird etwas aufgeschoben. Der Anteil der Expansionsgebiete würde damit rund ein Fünftel des Konzernumsatzes betragen. An der grundsätzlichen Marschrichtung hält Werner Zedelius, Allianz-Vorstand für Osteuropa und Asien/Pazifik, allerdings trotzdem eisern fest: »Wir haben eine klare Zielsetzung: Die Hälfte unserer Kunden soll mittelfristig aus Wachstumsregionen kommen. Im vergangenen Jahr waren das rund 40 %, ihr Umsatzanteil am Gruppenergebnis lag bei 13 %.«
Weiteren Akquisitionen ist auch die Allianz nicht abgeneigt. Sollte der in Turbulenzen geratene amerikanische AIG-Konzern doch noch einige seiner Osteuropa-Töchter verkaufen, um die US-Staatshilfe zurückzuzahlen, will man zuschlagen. Bisher hat die Allianz weltweit für mehr als 100 Millionen Euro Geschäfte der AIG übernommen.
Hartes Pflaster
Wie schwierig sich der Versicherungsmarkt in einigen Ländern gestaltet, zeigt das Beispiel Rumänien. Das gesamte Prämienvolumen legte im ersten Halbjahr 2009 im Jahresvergleich um 5,5 % auf 1,1 Milliarden Euro zu. Ein Plus gab es allerdings nicht in allen Sparten: Während die Kfz-Versicherungen ein Wachstum von 7,3 % verzeichneten, schrumpfte das Geschäft mit Lebensversicherungen um 2,7 %.
Die rumänische Aufsichtsbehörde CSA zeigte sich angesichts der positiven Entwicklung in der Branche zufrieden. Doch das Pflaster ist dennoch hart und forderte auch Opfer unter namhaften internationalen Konzernen. Nur 15 der insgesamt 43 in Rumänien zugelassenen Versicherungsgesellschaften schrieben 2008 schwarze Zahlen. Die Gesamtverluste betrugen knapp 160 Millionen Euro.
Der größte Anteil entfiel mit rund 50 Millionen Euro auf die Versicherung Ardaf, eine Tochter der italienischen Generali. Dahinter folgen Uniqa Asigurari, ein Unternehmen der Uniqa-Gruppe, mit 35 Millionen Euro sowie Asiban, eine Tochter der französischen Groupama, mit 33 Millionen Euro.