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Zuckerbrot und Peitsche

Report: Der Bau floriert. Wird 2007 ein weiteres Rekordjahr für die heimische Zementindustrie?
Felix Friembichler: 2007 wird sicher ein Rekordjahr. Wenn nicht in den letzten drei Monaten dieses Jahres etwas Gravierendes passiert, werden die österreichischen Produzenten fast 5,3 Millionen Tonnen Zement ausliefern. Das bedeutet ein Plus von sieben bis acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

War nicht 2006 auch schon ein Rekordjahr?
Ja, damals hatten wir im Vergleich zu 2005 eine Zunahme von sechs Prozent.

Eigentlich müssten Sie als Vertreter der Branche vor Freude strahlen, oder nicht?
Die Zuwächse stellen die positive Seite dar. Die Kehrseite ist die Verknappung der CO2-Zertifikate, die unseren Mitgliedern ab nächstem Jahr eine Unterdeckung von 20 bis 25 Prozent beschert.

Was kostet das konkret?
Die große Frage ist der künftige Zertifikatepreis. Wir gehen von 25 bis 30 Euro pro Tonne aus. In den Jahren 2008 bis 2012 fehlen der Zementindustrie Zertifikate für 625.000 Tonnen CO2. Daher rechnen wir mit jährlichen Kosten von knapp 19 Millionen Euro. Diese Rechnung basiert auf einem moderaten Wachstum. Wenn das Wachstum auf hohem Niveau anhält, kommen wir mit der Ist-Produktion rasch über die prognostizierten Werte. Ganz abgesehen davon stellt sich jedoch auch die Frage, wo kommen die Zertifikate her, und in weiterer Folge, wo kommt der Zement her? Wenn man die Sache global betrachtet, ist das derzeitige Emissionshandelsregime nicht unbedingt eindeutig positiv für das Klima.

Wenn die Produktionskosten steigen, wird das, so wie die LKW-Maut, an die Kunden weitergegeben. Wo ist das Problem?
Faktum ist, dass jede Preissteigerung, und zu der wird es kommen müssen, einen sparsameren Umgang mit den Produkten nach sich zieht. Beim Baustoff Beton kann sich das durchaus als Hemmnis erweisen.

Wie steht es um die im Frühjahr angekündigten Klagen gegen den Nationalen Allokationsplan II?
Die gibt es noch nicht, da den Unternehmen noch keine Bescheide zugestellt wurden. Wir erwarten dies jedoch in der nahen Zukunft. Unter den Mitgliedern herrscht jedenfalls gereizte Stimmung, da sich aus den bislang vorhandenen Informationen eine enorme Ungleichbehandlung ableiten lässt.

Heißt das, nicht alle produzierenden Mitglieder der VöZ sind in gleichem Ausmaß vom NAP II betroffen?
Das Zuteilungssystem sieht keine Berücksichtigung lokaler Marktentwicklungen vor. Deshalb gibt es Unternehmen mit leichter überdeckung und solche mit erheblicher Unterdeckung. Diese Spreizungen gibt es auch in anderen Branchen.

Soeben wurde eine Mustersiedlung aus Beton feierlich eröffnet. Abseits davon fallen täglich Baustoffentscheidungen. Gewinnt oder verliert Beton im Hochbau an Bedeutung?
Der Marktanteil im Hochbau ist sehr konstant. Es gibt Anwendungen, wo der Baustoff durchaus zugewinnt. Es gibt jedoch auch Nischen, in denen andere Baustoffe leicht zulegen. Das ist das ganz normale Wechselspiel des Marktes, das die Köpfe der Techniker animiert.

Wo verzeichnet Beton klare Zuwächse?
Im Gewerbebau. Im Hochbau verfolgen wir ganz stark das Ziel, die energetischen Vorteile der massiven Bauweise hervorzustreichen. Wenn Beton intelligent eingesetzt wird, lässt sich mit Bauwerkskühlung und Wärmegewinnung erheblicher individueller und volkswirtschaftlicher Nutzen darstellen. Zumindest die Grundlasten der Wärme-/Kälteversorgung können in den meisten Fällen gedeckt werden.

Bauteilkühlung mittels Erdwärme passiert ja schon laufend. Braucht es da noch spezielles Lobbying?
Wir haben viele Experten für Details und eine zersplitterte Szene. Es gibt Lieferanten für Wärmepumpen, es gibt spezialisierte Bohrunternehmen, es gibt Komponentenlieferanten, Betontechnologen sowie fachkundige Planer. Eine konsequente Zusammenführung des Know-hows unter dem Titel Erdwärme und Massenspeicher ist bislang ausgeblieben.

Die Zementindustrie verbraucht viel Energie, zugleich ist der Baustoff Beton geeignet, Energie zu speichern und damit einen Beitrag für eine ressourcenschonende Energiegewinnung zu leisten. Wie sieht Ihrer Ansicht nach die Gesamtbilanz aus?
Die Bilanzgrenzen, wie sie momentan nach dem Emissionshandelssystem existieren, sind willkürlich festgelegt worden, um das System handhabbar zu machen. Sie nehmen aber keine Rücksicht auf die Gesamtbilanz. Es wird nur die Produkterzeugung berücksichtigt, nicht aber, welche Vorteile im Hinblick auf Bestandsdauer und Zusatznutzen aus der Verwendung eines Produktes resultieren.

Der Hochleistungsbeton SCC wurde vor wenigen Jahren als die Innovation der Branche gefeiert. Wie steht es um die Nutzung?
In den Betonfertigteilwerken ist SCC tägliches Brot. In der stationären Anwendung sind die Rahmenbedingungen günstiger, die Werke sparen sich Arbeitskräfte und die wegfallende Verdichtung bringt eine massive Lärmreduktion. Langsam hält Beton besonderer Güte aber auch Eingang ins normale Baugeschehen. Der Trend zu schlankeren Konstruktionen erfordert andere und neue, oft höhere Betongüten.

Im Vorjahr hat der Verband mit Expertenforen in den Bundesländern begonnen. Hat sich das bewährt?
Ja, wir hatten einige sehr gut besuchte Veranstaltungen in Linz und Graz. Im November findet ein großes Forum in Bregenz mit deutschen und Schweizer Kollegen statt.

Was darf man in Zukunft erwarten?
Mehr Vernetzung. Wir arbeiten gerade daran, an der TU Graz einen in den Lehrbetrieb integrierten Wettbewerb aufzubauen. Das Thema ist Design, Beton und effiziente Energienutzung.

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