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»Das Netz nicht zu nutzen, wäre volkswirtschaftlicher Humbug«

Foto: Manfred Pachernegg: »Dekarbonisierung des Wärmemarktes bei Haushalten ist machbar.« Foto: Manfred Pachernegg: »Dekarbonisierung des Wärmemarktes bei Haushalten ist machbar.«

Manfred Pachernegg, Präsident der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach und Geschäftsführer der Energienetze Steiermark, sieht auch die Gasversorgung zunehmend erneuerbar.

Report: Welches Thema wird die Gasnetzbetreiber in den nächsten Jahren besonders beschäftigen?

Manfred Pachernegg: In erster Linie beschäftigt die Branche das Pariser Abkommen der COP 21-Konferenz, das eine Dekarbonisierung von 80 bis 95 % fordert. Die wichtigste Botschaft: Wir stehen zu diesen Klima- und Energiezielen und haben dazu auch ein Modell ausgearbeitet, um zur Dekarbonisierung des Erdgasmarktes mitzutragen.

Report: Die Branche begrüßt die Dekarbonisierung des Gasmarktes? Ist das nicht ein Widerspruch?

Pachernegg: Keinesfalls. Würde man heute eine zu den Gasnetzen alternative Infrastruktur errichten, würde das Kosten von zehn Milliarden Euro und mehr bedeuten. Sinnvoller ist es, eine vorhandene Infrastruktur – die ja auch einen Wert für eine Volkswirtschaft darstellt – auch künftig im Rahmen einer Klima- und Energiestrategie zu nützen. Die Netzbetreiber wollen diese Infrastruktur weiter betreiben, künftig aber mit grünem Gas. Wir haben nun auf Basis einer Studie der Johannes-Keppler-Universität Linz eine Strategie ausgearbeitet, wie dies in Österreich in einem ersten Schritt zunächst im Raumwärme-Markt funktionieren könnte.

Report: Was ist hier möglich?

Pachernegg: Natürlich kann man ein Energieträgersystem nicht von heute auf morgen komplett umdrehen. Wir können den Raumwärme-Markt, den wir heute mit Erdgas bedienen, bis zum Jahr 2050 zu 100 % dekarbonisieren. Das betrifft in erster Linie Gasdirektheizungen, aber auch Fernwärme, die zu den Konsumenten kommt. Wir denken, dass wir den Bedarf zu drei Vierteln mit Biomethan decken könnten. Ein Viertel kann von Power-to-Gas-Technologien beigesteuert werden. Wir erwarten insbesondere bei der Wasserstofferzeugung noch einige Technologiesprünge, die dies ermöglichen werden. Der Wasserstoff würde ebenfalls mit Methan angereichert und damit auf Erdgasqualität aufbereitet werden. Am Ende der Reise hätten wir rund 20 TWh, den kompletten Raumwärme-Anteil oder rund ein Viertel des gesamten Erdgasverbrauchs, in Österreich abgedeckt.

Report: Was muss verändert werden, um 100 % grünes Gas in den Netzen zu haben?

Pachernegg: Endgeräte betrifft dies nicht. In erster Linie geht es um die Erzeugungskapazität. Es gibt heute bereits Anlagen für die Verstromung von Biogas. Manche dieser Anlagen – für alle wird es nicht funktionieren – wird man in Richtung der direkten Einspeisung ins Gasnetz umstellen können. In der Studie berücksichtigt sind Ressourcen wie landwirtschaftliche Abfälle – Getreidestroh, Maisstroh, Gülle –, Reststoffe aus der Lebensmittelindus­trie, die Inhalte der Biotonne und auch Klärschlamm. All diese Resourcen sind für eine Biomethan-Erzeugung bereits heute vorhanden.Erdgas-Substituts möglich. Abgesehen von den Anbindungen der Biogasanlagen sind aber in den Netzen keine Investitionen nötig.

Report: Was sind die nächsten Schritte?

Pachernegg:  Zuerst brauchen wir eine politische Willenserklärung für dieses Marktmodell, das etwa auch ein Auktionsmodell bei der Finanzierung der Einspeisungen vorsieht. Wir fordern deshalb, dass »Green Gas« klar in der österreichischen Energiestrategie verankert wird. Die Gespräche aus den letzten Monaten haben gezeigt, dass durchaus Interesse da ist.
Die politischen Entscheidungsträger haben erkannt, dass die Gasinfrastruktur ein maßgeblicher Schlüssel auch für die Energiewende ist. Dieses »Asset« nicht zu nutzen, wäre ein volkswirtschaftlicher Humbug.

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