»Die Auseinandersetzung mit dem Kunden ist ein Zehnkampf«
- Written by Klaus Fischer
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Alfred Koblinger, Geschäftsführer der PKP BBDO Werbeagentur GmbH, sprach bei den »Energy Talks« im Juni 2015 in Ossiach mit dem Energie Report über die Energiewende als kommunikative Herausforderung.
Von Klaus Fischer
Report: Sie sagen, die Energiewende müsse mit »positiven und inspirierenden Botschaften« vermittelt werden. Was könnten solche Botschaften sein?
Alfred Koblinger: Das aus dem Bauch heraus zu schießen, ist etwas viel verlangt. Grundsätzlich ginge es darum, die Kernaspekte herauszuschälen. Smart Meter beispielsweise könnten durchaus positive Aspekte auch für einen Konsumenten haben. Es gilt daher, diese Vorteile herauszuarbeiten und zu kommunizieren: Wir sollten vom Müssen (Vorschriften) zum Wollen kommen.
Report: Sie empfehlen, die Menschen nicht nur dazu zu bringen, sich selber für die Energiewende zu engagieren, sondern selbst auch andere zu motivieren, das zu tun. Wie lässt sich das bewerkstelligen?
Koblinger: Das ist wie in der Kindererziehung. Ein Beispiel: Wir betreuen seit 18 Jahren die Easy Bank. Am Anfang sagte jeder: Wozu brauche ich eine Direktbank? Da kann ich nicht hingehen, da kenne ich niemanden. Warum soll ich denen mein Geld anvertrauen? Heute hat die Easy Bank 500.000 Kunden, und 20 Prozent davon kommen aus Empfehlungen von Leuten, die gemerkt haben, dass das Service dort besser ist als bei einer klassischen Bank, dass die Produkte mehr auf die Bedürfnisse der Kunden abgestimmt sind, dass sie sich Geld sparen und mehr Leistung bekommen. Und dieses Verständnis aufzubauen, heißt vor allem, Vertrauen aufzubauen. Aber das ist ein ständiger Prozess. Darum bin ich immer skeptisch, wenn jemand sagt: In fünf Jahren haben wir 100 Prozent was auch immer, in drei Jahren haben wir 50 Prozent. Alle diese Prognosen haben in der Rückbetrachtung nie gehalten.
Report: Ihnen zufolge geht es letztlich um ein neues Wirtschaftsmodell, weg vom quantitativen Wachstum und hin zum qualitativen, vom »Mehr« zum »Besser«. Wirtschaftsvertreter wie Kammerpräsident Christoph Leitl dagegen argumentiert immer, ohne quantitatives Wachstum gebe es keinen Wohlstand.
Koblinger: Wieso ist qualitatives Wachstum nicht auch ein Wachstum? Das ist das Problem der Leitls dieser Welt, dass sie in der Vergangenheit leben. Aber es werden Leute kommen, die in der Zukunft leben. Gerade die Energiewende ist ein Beispiel für qualitatives Wachstum. Hier wird ja nicht mehr Strom produziert, verbraucht und bezahlt, sondern weniger für ein besseres Leben. Und das ist kein Rückschritt, sondern ein Fortschritt. Das ist es, was ich mit »von Mehr auf Besser« meine, von Quantität auf Qualität.
Report: Angesichts der Verwüstungen, die die Energiewende in den Bilanzen mancher Versorger hinterlassen hat, werden dieser Aussage möglicherweise nicht alle zustimmen.
Koblinger: Die Energieversorger werden natürlich nicht zustimmen. Aber viele dieser Institutionen, die in der Vergangenheit ein gesichertes Einkommen generiert haben, haben jetzt ein Problem. Sie haben auf die sich abzeichnenden Veränderungen zu spät reagiert. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Energieversorger, sondern für fast jeden Händler.
Report: Wie soll es weitergehen? Sie sagten, die Energieversorger müssten sich zu »Kundenmanagern mit Querschnittsfunktion« wandeln. Was bedeutet das konkret? Das Schlagwort von den »Energiedienstleistern« geistert ja seit Jahren herum, ohne dass jemand ein schlüssiges Geschäftsmodell entwickelt hätte.
Koblinger: Die Frage ist, ob das künftige Geschäftsmodell wieder auf Wachstum ausgelegt ist. Hätten die Energieversorger früher mehr auf Kundenbedürfnisse geachtet und den Dialog mit den Kunden gepflegt, hätten sie vielleicht jetzt weniger Probleme. Die Auseinandersetzung mit Kunden war früher eine Einbahnstraße. Jetzt ist es ein Zehnkampf. Die Kunden reden um uns herum. Wenn wir uns in diese Gespräche – und die Märkte sind heute Gespräche – nicht einklinken, verändert sich die Welt um uns, ohne dass wir daran teilhaben.
Report: Sie gebrauchen den Begriff »WeNomics«. Letztlich läuft dieser darauf hinaus, von der als »kalt« und rein funktional aufgefassten »Gesellschaft« zur »Gemeinschaft« zu gehen. Das ist möglicherweise nicht ganz unproblematisch. Gewisse politische Regimes unerfreulicherer Art propagierten beispielsweise die »Volksgemeinschaft« …
Koblinger: Das waren oktroyierte Gemeinschaften. Jetzt ist das anders, jetzt kommt das von unten, Stichwort Fahrgemeinschaften, Stichwort Carsharing. Das sind keine oktroyierten Geschichten. Aber die Bevölkerung nutzt sie immer mehr. Das ist einfach die Tendenz. »WeNomics« ist ja nur wieder ein plakativer Begriff für diese Entwicklungen. Manche Autofirmen haben das schon erkannt: Sie wissen, sie werden nicht mehr jedem ein Auto verkaufen, sondern stellen die Autos zum gemeinsamen Nutzen zur Verfügung. Der Effekt ist, dass die Menschen sagen: Das ist ein Unternehmen, das versucht, meine Bedürfnisse zu verstehen und mir Lösungen anzubieten. Und wenn jemand dann später mehr Geld hat, kauft er sich vielleicht diese Marke.
Report: Ist das wirklich so einfach? Auf der Jahrestagung des europäischen E-Wirtschaftsverbandes EURELECTRIC verlautete ein hochrangiger Vertreter von IBM, mit künstlicher Intelligenz ausgestattete kognitive Systeme werden den Menschen optimale Entscheidungen vorschlagen. Damit erübrigt sich doch letztlich die Konsensbildung durch Kommunikation. Sie wird durch eine Art technische Einheitsbildung ersetzt.
Koblinger: Ich teile die Meinung des Herren von IBM nicht und halte das auch für nicht möglich. Ich glaube nicht, dass jemand die Komplexität des menschlichen Gehirns irgendwann einmal nachbauen wird. Wenn es so sein sollte, bin ich hoffentlich nicht mehr auf der Welt.
Report: Sie wiesen selbst auf die Gefahren durch die »digitalen Champions« hin, die, überspitzt formuliert, die Kontrolle über die Weltwirtschaft zu übernehmen drohen. Wie soll sich ein regionaler Energieversorger gegenüber Google behaupten?
Koblinger: Die »digitalen Champions« werden nicht die Macht übernehmen. Aber sie übernehmen quasi eine Filterfunktion. Bei Google wird einem nur mehr das vorgesetzt, von dem Google eruiert zu haben glaubt, was wir eigentlich wollen. Aber nur, weil ich einmal ein Garten-Buch gesucht habe, um es jemandem zu schenken, bin ich kein Gärtner. Google sagt aber, ich bin ein Gärtner und liefert mir nur noch Informationen über das Thema Garten. Es engt also unser Bewusstsein ein. Wir werden Schritt für Schritt etwas entmündigt. Ich bin allerdings kein Kulturpessimist. Das Pendel wird umschlagen. Wir sehen, dass Werte wieder wichtiger werden. Die Generation, die heute mit Facebook aufwächst, wird erkennen, dass echte Freunde doch gescheiter sind als bloß virtuelle.