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TA stolpert über Auftrag

Von Daniel AJ Sokolov

Die Stadt Wien möchte ihre Kindergärten und Horts online bringen. Der Provider Silver Server gewann im Frühling 2006 die erste entsprechende Ausschreibung knapp vor der Telekom Austria (TA). Der Magistrat bestand jedoch darauf, die vorhandenen Telefonleitungen analog zu lassen. Also musste Silver Server die Breitbandanschlüsse über separate Leitungen realisieren. Von 2. Mai bis 20. Juni bestellte der Anbieter die Herstellung von insgesamt 361 neuen Leitungen (Kupfer-Doppelader) bei der TA. Es folgte ein kafkaeskes Chaos.

Rund zwei Drittel aller Leitungen wurden als nicht herstellbar qualifiziert. Auf den verdutzten Auftraggeber regnete es Stornomeldungen, oft wurde \"Leitungsmangel\" als Grund angeführt. So, als wäre die Infrastruktur der Telekom Austria wie in alten Postzeiten überlastet und das jeweilige Wählamt nicht in der Lage, am Hauptverteiler eine simple Leitung für einen Kindergarten zu schalten. Die Aufforderung von Silver Server, doch einfach die zweite, unbeschaltete Doppelader der bereits vorhandenen analogen Telefon- und ISDN-Leitungen zu nutzen, wurde von der TA abgelehnt: Dies entspreche nicht der internen Regelbauweise - die entsprechenden Regeln hält der Konzern aber geheim. Die Nutzung des zweiten Adernpaares von älteren, nicht so gut geschirmten Schlauchdrähten berge ein Störungsrisiko (übersprechen), so die TA. Und zu welchen Anschlüssen sie ab 2001 bessere Schlauchdrähte gelegt habe, wisse sie leider nicht.

Silver Server sammelt seither Beispiele, in denen die TA-Bautrupps für Bestellungen des eigenen Konzerns sehr wohl das zweite Adernpaar eines Schlauchdrahts nutzen, einfach weil das schneller und einfacher geht. Unter www.schlauchdraht.at wurde eine Fotogalerie online gestellt, in die weitere Bilder hochgeladen werden können. Doch es half nichts. Der Alternativprovider musste Anfang Juli die Regulierungsbehörde von den Problemen informieren. Die Telekom Control Kommission (TKK) schickte Mitte des Monats einen Warnbrief an die TA - ohne Erfolg.

Früheren Regulierungsbescheiden zufolge ist die TA verpflichtet, Mitbewerbern ihr Netz zur Verfügung zu stellen. Die Konkurrenten dürfen dabei auch gegenüber dem eigenen Konzern weder technisch, noch zeitlich noch preislich diskriminiert werden. Teilweise gehen die Vorschriften auch ins Detail: Gibt es Probleme bei einer Entbündelung, muss ein genauer Grund angeführt werden. Außerdem müssen alternative Lösungen und Termine vorgeschlagen werden.

Natürlich ist die Infrastruktur der TA nicht überlastet - schließlich sinkt die Zahl der Festnetzanschlüsse statistisch gesehen etwa alle fünf Minuten. Die TA gelobte Besserung gestand ein, dass nicht Leitungsmängel, sondern Probleme wie fehlende Leerrohre oder Vollmachten für Oberputzkabel der Grund für die Zurückweisungen waren. Teilweise konnten die Kabel auch ohne weiteres gelegt werden. Dem Auftraggeber dies mitzuteilen und, wie vorgeschrieben, Lösungen vorzuschlagen, war verabsäumt worden.

Silver Server und TA einigten sich im September auf bessere Zusammenarbeit (neudeutsch \"Interworking\"), wofür Silver Server einen erklecklichen Betrag zahlte. Die TA versprach 70 Prozent der Leitungen innerhalb von vier Wochen, 100 Prozent innert acht Wochen herzustellen.

Anfang Oktober waren 220 von 355 aufrechten Bestellungen unerledigt. Mit 35,5 bzw. 57,3 Prozent wurden auch die vertraglich vereinbarten Ziele von 70 beziehungsweise 100 Prozent weit verfehlt. Nach mehr als fünf Monaten Verfahrensdauer und über sieben Monate nach den ersten Bestellungen erließ die TKK schließlich im Dezember einen Bescheid (R4/06): Die Verletzung der Zugangsverpflichtung (§ 41 TKG) sowie der Nichtdiskriminierungsverpflichtung (§ 38 TKG) durch den Ex-Monopolisten wurden offiziell festgestellt. Dazu erging an die TA der behördliche Befehl, innerhalb von drei weiteren Wochen die ausstehenden Leitungen herzustellen. Eine Strafe wurde nicht verhängt.

Bis heute warten einige Wiener Kindergärten auf ihren Internetzugang. Zwei Anfragen an Telekom Austria zum Thema blieben unbeantwortet.

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