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Lückenschlüsse

Wenn österreichs Politiker vor das eigene Volk treten, ist Atomkraft ein furchtbares Ungeheuer. Ganz anders sieht die Sache aus, wenn die Volksvertreter in jene Länder reisen, von denen österreich einen nicht unerheblichen Anteil an Atomstrom bezieht. Die jüngsten Staatsbesuche von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer sind ein Lehrbeispiel dafür. In Prag traf der Kanzler zuletzt »gute Freunde« und erklärte, dass man nicht daran interessiert sei, dass die Grenzen blockiert seien. »Es gibt Demonstrationen, die uns nicht gefallen«, verriet Gusenbauer dem Standard. Darüber hinaus brachte Gusenbauer für das störungsanfällige AKW Temelin eine neue Kommission aus Prag mit - gerade so, als gäbe es davon nicht schon genug. Auch in der Slowakei vergaß Gusenbauer, auf den Tisch zu klopfen, obwohl seit Ende Februar der Beschluss steht, das dortige Atomkraftwerk Mochovce um zwei Reaktoren zu erweitern. Die italienische Enel als Eigentümer des slowakischen Energiekonzerns SE plant, mit einer Baugenehmigung aus den Achtzigerjahren die Arbeit an den Reaktoren wieder aufzunehmen. Die Reaktoren sind vom Typ WWER 440-213, einem sowjetischen Reaktortyp aus den frühen 1970er-Jahren, die entgegen gängiger Sicherheitsnormen ohne Containment-Schutzhülle geplant sind. Die laut EU-Recht vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung wird mit dem Verweis auf Entscheidungen aus kommunistischer Zeit abgelehnt. Die Blöcke sind rund 200 Kilometer von Wien entfernt und bereiten Atomkraftgegnern ernste Sorgen. Die deutsche E.ON AG plant unterdessen, am Standort Bohunice in Atomkraft zu investieren. E.ON hält Minderheitsanteile an der Zapadoslovenska Energetika AS, dem größten von drei regionalen Energiverteilern. Bereits fix ist die Errichtung eines 400MW-Gaskraftwerkes in Malzenice, in der Nähe der Stadt Trnava. Das 200-Millionen-Bauwerk soll Ende 2009 ans Netz gehen. Da der Ausbau der slowakischen und tschechischen Kraftwerkskapazitäten zu einem Gutteil für den Export - etwa nach Italien - bestimmt ist, kommt österreich eine nicht unerhebliche Rolle für den Transit zu.
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