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»Bis zur Wahl haben wir noch einiges vor«

»Bis zur Wahl haben wir noch einiges vor« Foto: Stadt Wien

Das für 2020 angestrebte Nulldefizit erreichte Wien bereits 2019. Welche Investitionen in der stark wachsenden Bundeshauptstadt bevorstehen, erklärt Finanzstadtrat Peter Hanke im Report(+)PLUS-Interview.

(+) plus: Im Nationalrat und in der Regierung wurden die Weichen neu gestellt. Wird sich das Ergebnis auch auf die Wien-Wahl auswirken?

Peter Hanke: Als Stadtregierung unter Bürgermeister Michael Ludwig haben wir uns eines vorgenommen: mit vollem Einsatz für Wien zu arbeiten. Dabei schielen wir nicht auf andere Ebenen. Ich bin daher auch zuversichtlich, dass die Wienerinnen und Wiener bei der Wien-Wahl 2020 diese gute Arbeit mit ihrem Vertrauen belohnen. Bis zur Wahl haben wir jedenfalls noch einiges vor. Wir werden bis zum Schluss arbeiten, damit wir Wien bestmöglich für die Zukunft aufstellen.

(+) plus: Sie waren 25 Jahre in der Wien Holding tätig. Müssen Sie als Politiker andere Prioritäten setzen als im Management eines Wirtschaftsbetriebes?

Hanke: Die Erfahrungen, die ich in der Wirtschaft sammeln durfte, kann ich in meiner Tätigkeit als Stadtrat für Finanzen, Wirtschaft, Digitalisierung und Internationales sehr gut einsetzen. Da geht es um Budgetdisziplin, Projektplanung und die zeitnahe Umsetzung, die richtigen Maßnahmen für Arbeit und Wirtschaft, internationale Kontakte zur Stärkung des Standortes und vieles mehr.

(+) plus: Wien ist eine der ersten 5G-Städte Europas. Ist die digitale Infrastruktur tatsächlich ein Standortvorteil?

Hanke: Ich habe ein klares Ziel ausgegeben: Wien soll Digitalisierungshauptstadt werden. Daher wollen wir das digitale Angebot rasch ausweiten – davon profitieren die Wienerinnen und Wiener genauso wie die Wiener Wirtschaft.

Das Schlüsselelement dieser Erweiterung ist die Unterstützung  beim Rollout von 5G, dem neuen Telekommunikationsstandard, und der Testbetrieb von progressiven, durch 5G ermöglichten Lösungen mit dem Ziel, die Lebensqualität der Bevölkerung noch weiter zu erhöhen und deren Leben einfacher und sicherer zu gestalten. In der Wirtschaft profitieren vor allem Transport, Industrie und Produktionslogis­tik, aber auch die Telemedizin kann mit 5G entscheidend verbessert werden. Bei der Einführung von 5G schneller zu sein als andere Städte verschafft uns damit einen echten Startvorteil im internationalen Standortwettbewerb.

(+) plus: 2018 verzeichnete Wien einen Rekord bei Betriebsansiedlungen internationaler Unternehmen. Wird sich auch der bevorstehende Brexit positiv auswirken?

Hanke: Der Trend zeigt schon jetzt eindeutig, dass Unternehmen aus Großbritannien ihre Fühler nach Wien ausstrecken. Wien ist hier bereits seit dem Brexit-Referendum proaktiv tätig und positioniert sich als alternativer Standort für Unternehmen. Die Maßnahmen zeigen Wirkung: Bei den Betriebsansiedlungen ist das Vereinigte Königreich nach Deutschland mittlerweile an zweiter Stelle. 2018 wurden 17 Unternehmen aus Großbritannien angesiedelt.

Deutlich wird der Trend auch bei dem eigens für Startups aufgesetzten Schnupperprogramm »Vienna Start up Package«, durch das internationale Startups auf ein einmonatiges Schnupperprogramm nach Wien eingeladen werden. Hier liegt Großbritannien bei den Bewerbungen aus mehr als 100 Nationen bereits an erster Stelle. Und auch bei der Beratung von Führungskräften im »Expat Center« der Wirtschaftsagentur nimmt die Nachfrage von Briten zu, sie machen rund zehn Prozent der Neuankommenden aus. Die Zahlen für das Jahr 2019 werden derzeit noch ausgewertet und werden in den kommenden Wochen präsentiert.

(+) plus: Die Stadt Wien verdoppelte kürzlich die Mittel für die Joboffensive für Arbeitssuchende über 50. Warum richten Sie den Fokus auf diese Bevölkerungsgruppe?

Hanke: Während die Arbeitslosigkeit seit mehr als eineinhalb Jahren in allen Altersgruppen sinkt, steigt sie bei Menschen, die älter als fünfzig sind, weiter an. Die Gründe dafür sind vielfältig: Demografie, späterer Pensionsantritt, hartnäckige Vorurteile. Die Joboffensive 50plus ist das richtige Angebot zur richtigen Zeit.

Gerade ältere Arbeitslose brauchen unsere volle Unterstützung. Verdoppelt haben wir die Mittel, weil das Interesse an der Mitte September gestarteten Joboffensive 50plus ungebrochen hoch ist – sowohl vonseiten der Betriebe, die Stellen anbieten, als auch vonseiten arbeitssuchender Wienerinnen und Wiener über 50 Jahre. Nach gut zwei Monaten Laufzeit konnte bereits mehr als die Hälfte der ursprünglich 500 neuen Jobs besetzt werden. Das bestätigt uns, dass wir den richtigen Nerv getroffen haben.   

(+) plus: Mit der »Visitor Economy Strategie 2025« will Wien dem Massentourismus entgegenwirken. Dennoch hält man an ambitionierten Wachstumszielen fest. Wie passt das zusammen?

Hanke: Das passt sehr gut zusammen: Nächtigungen sind in Wiens neuer Visitor Economy Strategie 2025 nicht mehr der Goldstandard – wichtiger ist, dass die Wertschöpfung passt, der ökologische Fußabdruck des Tourismus möglichst gering gehalten wird und die Zufriedenheit von Einheimischen wie Gästen weiterhin hoch bleibt.

So wollen wir beispielsweise den Beitrag des Tourismus zum Wiener BIP von vier auf sechs Milliarden Euro und den Umsatz der Beherbergungsbetriebe auf 1,5 Milliarden Euro steigern. Freilich geht das nicht ohne Wachstum, aber unsere Devise lautet: Wachstum nicht um jeden Preis. Wien zielt auf eine nachhaltige Entwicklung ab, die die Grundlagen des Erfolges nicht untergräbt, sondern im Einklang mit den Zielen der Stadt und den Bedürfnissen der hier lebenden Menschen steht.

(+) plus: Wie gehen Sie im Konflikt mit Airbnb weiter vor?

Hanke: Das Verwaltungsstrafverfahren gegen Airbnb läuft. Spannend ist, wie es beim Thema Sharing Economy grundsätzlich weitergeht. Wir brauchen Lösungen bei der Besteuerung, im Bereich Wohnen durch die Kurzfristvermietung, in der städtischen Mobilität und im Bereich des öffentlichen Raums.

Wien hat mit der Novelle des WTFGs eine Vorreiterrolle eingenommen und wird auch – wie bisher – sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene nicht müde werden, zeitgemäße Regelungen für faire Rahmenbedingungen zu fordern. Die EU-Kommission muss die E-Commerce-Richtlinie völlig neu denken und den technischen Entwicklungen anpassen. Zur Erinnerung: Das erste Smartphone gab es 2007, Airbnb wurde 2008 gegründet, Apps waren 2000 unvorstellbar. Umso mehr muss jetzt die Schaffung klarer Regeln für Digitalplattformen wie Airbnb & Co vorangetrieben werden.

(+) plus: Die türkis-grüne Bundesregierung plant die rasche Einführung eines österreichweiten Öffi-Tickets. Voraussetzung ist eine Einigung der sieben Verkehrsverbünde und der Bundesbahnen über die Tarife. Ist das realistisch?

Hanke: Grundsätzlich ist die Ausweitung des Wiener Modells der Öffi-Jahreskarte auf die anderen Bundesländer zu begrüßen. Alles, was die Bemühungen der Wiener Stadtregierung in den vergangenen Jahren unterstützt, die Pendlerströme weiter auf den öffentlichen Verkehr zu verlagern, muss unsere Unterstützung finden. Allerdings sind viele Details noch nicht geklärt, unter anderem der sehr wichtige Aspekt der Finanzierung.

(+) plus: In Wien erfordert der große Erfolg des 365-Euro-Tickets weitere Investitionen in den Ausbau des Netzes. Wie sehen Ihre Pläne aus?

Hanke: Wien ist eine lebendige Stadt – und lebendige Städte wachsen. In Wien wird diese Entwicklung sehr genau begleitet. So wird dafür gesorgt, dass die Infrastruktur mit der Stadt mitwächst und die Lebensqualität der Wienerinnen und Wiener so hoch bleibt, wie sie jetzt schon ist.

Das erfordert gerade im Mobilitätsbereich entsprechende Anstrengungen, um neue Verkehrsknotenpunkte zu schaffen, aber auch die altgedienten zu verbessern. Dass eine starke Investitionsoffensive in den öffentlichen Verkehr auch im Kampf gegen den Klimawandel eine Notwendigkeit darstellt, ist klar. Alleine heuer werden wir deshalb über 250 Millionen Euro in den Ausbau der Wiener Linien investieren.

(+) plus: Die günstige Konjunktur spielte Ihnen im Budget bisher in die Hände. Ist das angestrebte Nulldefizit 2020 zu schaffen?

Hanke: Wir konnten durch einen sehr disziplinierten Budgetvollzug und die gute Konjunkturlage das Nulldefizit bereits 2019 erreichen. Diesen Weg setzen wir natürlich fort und wollen 2020 erstmals wieder Schulden zurückzahlen. Das Budget von über 16 Milliarden Euro ist das höchste aller Zeiten.

Mit Investitionen von über zwei Milliarden Euro leisten wir unseren Anteil als öffentliche Hand, um Stimuli für die Konjunktur zu setzen und wissen um den ungebrochenen Fleiß und die Anstrengung der Wiener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Wiener Unternehmen. Unter diesen Vorzeichen ist das Nulldefizit fest als Ziel im Budget definiert.

(+) plus: Wer wird nächster Bürgermeister?

Hanke: Michael Ludwig.

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