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Die große Umfrage: Arbeitswelt der Zukunft

Die große Umfrage: Arbeitswelt der Zukunft Foto: Thinkstock

Die Digitalisierung greift in einem Ausmaß in unser Leben ein, das viele nicht zu Unrecht mit der industriellen Revolution vergleichen. Produktionsprozesse werden automatisiert sowie Wissen und Informationen schneller und von überall zugänglich gemacht. Züge ohne Fahrer, Roboter als Krankenpfleger, selbsttätige Buchhaltungsprogramme – fast jeder zweite Arbeitsplatz könnte überflüssig werden, wenn Computer zunehmend Routineaufgaben übernehmen. Gleichzeitig steigt der Bedarf an höher qualifizierten Arbeitskräften, vor allem im IT-Bereich und bei Lehrkräften. Doch sind wir auf diese Umwälzungen ausreichend vorbereitet? Wie die Arbeitswelt der Zukunft aussehen wird, hat Report(+)PLUS bei ExpertInnen nachgefragt.

Wie wird die Digitalisierung den Arbeitsalltag verändern?

Roland Sommer, Gschäftsführer des Vereins Industrie 4.0 – Plattform für intelligente Produktion

In den Mittelpunkt des Arbeitsalltags rücken die Daten. Diese werden auch als das »Öl der Digitalisierung« bezeichnet und ermöglichen es, zunehmend intelligente und individualisierte Prozesse und Lösungen anzubieten, bei gleichzeitig flacheren Hierarchien mit mehr Verantwortung bei jedem Einzelnen. Digitale Assistenzsysteme unterstützen den Menschen in vielfältiger Weise, beispielsweise bei körperlich schweren Arbeiten oder durch tragbare Technologien wie z.B. intelligente Brillen und Uhren. Diese Möglichkeiten müssen durch gemeinsame Gestaltung der Digitalisierung realisiert werden, damit nicht die Menschen zu Assistenten der Technik werden und hierarchische Strukturen entstehen, in denen wenigen hochwertigen Arbeitsplätzen viele dequalifizierte Arbeitsplätze gegenüberstehen. Zudem kann die Arbeit vielfach ortsungebundener sein, da über geeignete Technologien die Verfügbarkeit ohne körperliche Präsenz möglich ist. Beispielhaft sei die Möglichkeit der Fernwartung von Maschinen angeführt.

Marion Heil, Partnerin und Mitglied der Geschäftsführung von Kienbaum Consultants

Die Digitalisierung wird den Arbeitsalltag mittelfristig vollkommen verändern. Arbeitszeit und Arbeitsort können immer stärker individualisiert gestaltet werden. Dadurch verschmelzen Arbeitswelt und Privatsphäre immer mehr. Berufslaufbahnen und Unternehmensorganisationen verändern sich, traditionelle Arbeitszusammenhänge und -abläufe lösen sich zunehmend auf. Soziale Netzwerke, Cloud- und Crowdworking, Crowdsourcing, Vermittlung über Freelancer-Plattformen, Hiring on Demand lösen fixe Arbeitsverhältnisse zunehmend ab, Peer-to-Peer Communities und Austausch in flachen Netzwerkstrukturen ersetzen klassische Hierarchien. Führungskräfte sind im Digital Leadership stärker gefordert, Teammitglieder auch auf Distanz zu motivieren und langfristig zu binden. Der Wandel von der Präsenz- zur Ergebniskultur erfordert gelebte Vertrauenskultur. Der Arbeitsmarkt wird sich stärker polarisieren – auf der einen Seite entstehen mehr hochqualifizierte und spezialisierte gehobene Positionen, auf der anderen Seite geraten niedriger qualifizierte Aufgaben zunehmend unter Druck.

Wolfgang Mazal, Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien

Wir haben in den letzten Jahren schon erfahren, dass Digitalisierung stark in unseren Arbeitsalltag eingreift und können daraus extrapolieren, dass die fortschreitende Digitalisierung unseren Arbeitsalltag radikal verändern wird. Es ist auch damit zu rechnen, dass zahlreiche Arbeitsplätze, die wir heute kennen, verloren gehen. Ich möchte aber nicht in das allgemeine Lamento einstimmen. Ich halte es für sinnvoller, alles Hirnschmalz unserer Gesellschaft zu investieren, um eine neue Arbeitswelt zu gestalten: Ich bin sicher, dass es unserer Gesellschaft gelingt, auch bei dieser gravierenden Umgestaltung der Arbeitswelt neue Formen der Beschäftigung zu entwickeln, wie dies auch im Zuge der industriellen Revolution der Fall war.


In welcher Weise wird sich unser Bildungssystem ändern (müssen), um die nötigen Fähigkeiten und Wissen dafür zu vermitteln?

Roland Sommer

Eine hochqualitative Aus- und Weiterbildung ist ein Schlüsselfaktor in der Ära der Digitalisierung. Wir sehen einen klaren Trend zur Höherqualifizierung auf allen Bildungsstufen. Neben fachlichen Qualifikationen gewinnen weitere Kompetenzen an Bedeutung, wie zum Beispiel komplexe Problemlösungskapazitäten, Prozessverständnis, Kreativität, Selbstmotivation etc. Der adäquate Umgang mit Daten/Programmieren wird zunehmend zu einer Kulturtechnik, die bereits frühzeitig erlernt und geübt werden muss und die auch auf betrieblicher Ebene laufend eines Erneuerungsprozesses und ständiger Weiterbildung bedarf.

Marion Heil

Bildung, Qualifizierung und Weiterbildung sind essenziell, um gut gerüstet für die rasanten Veränderungen zu sein. Inhaltlich-fachlich muss das Bildungssystem zur Sicherstellung der Employability auf breit einsetzbare Kernqualifikationen, die in unterschiedlichen Aufgaben angewandt werden können, abstellen, und natürlich IT- und Digitalisierungsskills, Umgang mit modernen Programmen, Apps, Tools vermitteln. Routineaufgaben können automatisiert werden, Wissensarbeit ist digital zunehmend ersetzbar. Unternehmerische Skills, Kreativität und menschliche Interaktion jedoch bleiben auch auf lange Sicht noch nicht maschinell substituierbar und bedeuten daher Stärken in der digitalen Zukunft. Die Herausforderungen an Mitarbeiter steigen, der Umgang mit VUCA-Welten erfordert auch ein hohes Maß an Veränderungsbereitschaft und Kommunikationsfähigkeit. Das Bildungssystem wird daher auch weg von reiner Wissensvermittlung hin zur Vermittlung von persönlichen Skills, Netzwerkkompetenz, Selbstmanagement und Führungsfähigkeiten gehen müssen.

Wolfgang Mazal

Einerseits führt kein Weg daran vorbei, dass wir jene Kompetenzen vermitteln, mit denen wir digital agents programmieren und steuern können, andererseits ist klar, dass wir uns auf jene Kompetenzen konzentrieren müssen, in denen digital agents nicht »mithalten können«: Persönliche Zuwendung, individuelle Vermittlung, ganzheitlich intuitive Erfassung, subjektive Bewertung und das unorthodoxe Verknüpfen von Wissen sind Fähigkeiten, die Menschen auch gegenüber komplexen digitalen System noch lange auszeichnen werden.


Welche gesellschaftlichen Umbrüche und Folgen erwarten Sie durch die Digitalisierung?

Roland Sommer

Die Digitalisierung kann man als beschleunigten evolutionären Prozess ansehen – einen Prozess, nicht ein unbeeinflussbares Faktum. Digitalisierung eröffnet verschiedenste Möglichkeiten – es liegt an uns allen, zu entscheiden, welche wir wie aufgreifen wollen. Derzeit sehen wir beispielsweise einen klaren Trend weg von Besitz zur Dienstleistung, derzeit schon beim Fahrzeug in Richtung Car Sharing, bei Software in Richtung Cloud-Services und bei Musik in Richtung Streaming. Dieser Trend wird sowohl im B2C- wie auch zunehmend im B2B-Bereich Fuß fassen und damit die Art, wie wir leben und konsumieren stark verändern.

Marion Heil

Die Digitalisierung schafft neue Arbeitsplätze und Berufsbilder, gleichzeitig wird sie andere überflüssig machen. Die Rolle des Menschen im Produktionsprozess wandelt sich vom Erbringer der Arbeitsleitung zum Überwacher der Maschinen. Maschinen werden stärker zum »Partner« und »Kollegen«. Die flexiblen Arbeitsformen ermöglichen auch Gruppen, die klassische Normalarbeitsverhältnisse nicht wahrnehmen können oder wollen, den Eintritt in den Arbeitsmarkt. Neue personenbezogene Dienstleistungen werden entstehen. Big Data macht das gesamte Leben transparent und analysierbar. Auch über die Arbeitswelt hinaus greift die Digitalisierung in alle anderen Lebensbereiche – Smart City, Smart Home, Internet of Things etc. – ein.

Wolfgang Mazal

Welche gesellschaftlichen Umbrüche uns bevorstehen, hängt davon ab, ob wir bereit und imstande sind, unser derzeitiges gesellschaftliches System konstruktiv auf die sich verändernde Welt anzupassen. Wenn wir offen für Neues sind und insbesondere die Rechtslage und die Institutionen adap-
tieren, sehe ich viele Chancen, wenn wir allerdings die Kraft darauf legen, den notwendigen Wandel zu verhindern und bestehende Systeme einzuzementieren, obwohl sie keine tauglichen Lösungen für gesellschaftliche Probleme der Zukunft geben, stehen uns massive und kraftraubende Auseinandersetzungen bevor, die einer gedeihlichen Entwicklung der Gesellschaft entgegenstehen.

 

 

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