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»Der CFO ist heute wesentlich näher am Business, als er es früher war«

Klaus Sickinger, SAP. Ehemals CFO, heute Geschäftsführer, sieht Klaus Sickinger einen Wandel in Aufgaben und Werkzeugen für Finanzvorstände in Unternehmen. Klaus Sickinger, SAP. Ehemals CFO, heute Geschäftsführer, sieht Klaus Sickinger einen Wandel in Aufgaben und Werkzeugen für Finanzvorstände in Unternehmen.

Klaus Sickinger, Geschäftsführer SAP Österreich, über den Rollenwandel des Chief Financial Officer (CFO) und über Arbeitsmittel zur Verarbeitung von Unternehmensdaten.

(+) plus: Herr Sickinger, Sie waren vor Ihrer Position als Geschäftsführer einige Jahre selbst CFO bei SAP Österreich. Was ist Ihnen in dieser Rolle damals abgegangen, was Software heute lösen kann?

Sickinger: Relativ viel. Eine tages- oder vielleicht sogar stunden- oder minutengenaue Sicht auf das Unternehmen – je nachdem, in welcher Industrie Sie sich befinden – war damals nicht möglich. Wir hatten über den Monat Belege gesammelt,  Transaktionen gebucht und damit am Ende unsere Monatsabschlüsse gemacht. Vielen Unternehmen geht es heute noch ähnlich: Sie investieren zwar in Quartals- oder Jahresabschlüsse, würden aber auch zwischendurch gerne wissen, wie es um sie bestellt ist. In der Vergangenheit war es für den CFO extrem schwer, dies herauszufinden. 

(+) plus: Es gibt auch wesentlich mehr Daten heute, die verarbeitet werden.

Sickinger: In der Vergangenheit hätte es uns auch geholfen, die wenigen Daten, die wir hatten, aktueller zu haben.

(+) plus: Sie wollen mit S/4 HANA die traditionellen IT-Systeme in der Unternehmenssteuerung ablösen. Was wird anders?

Sickinger: Wir versuchen, und das ist der große Unterschied, die gesamte IT-Landschaft in Unternehmen in Echtzeitsysteme zu wandeln. Echtzeit heißt: Zur Verfügung stehende Informationen können sofort weiterverarbeitet, analysiert und mit anderen Daten angereichert werden, und auf dieser Basis können Entscheidungen getroffen werden. All die großen Technologievorstellungen seit den 70er-Jahren bei SAP – R1, R2, R3 – drehten sich eigentlich um dieses Ziel. »R« steht dabei nicht für Release, sondern für Realtime. Doch waren die Ausprägung und das Verständnis von Realtime früher natürlich anders. Man wollte von Lochkarten weg zu Systemen, in denen man die verarbeiteten Daten sofort sehen konnte. Später durften auch mit leis­tungsfähigeren IT-Lösungen die Dinge nicht zu groß werden, um sie am Laufen halten zu können. Unternehmen hatten ein transaktionales System zur Datenverarbeitung – das klassische Enterprise-Ressource-Planning-System (ERP). Die Daten daraus wurden dann über verschiedene weitere Softwaresys­teme verknüpft und bereitgestellt. Dieses Selektieren, Extrahieren, Verschieben und Aufbereiten hat Zeit benötigt.

Heute ist eine Infrastruktur nötig, die sämtliche Daten, die generiert werden – je nach Anwendungsfall von Sensoren, Geräten, Maschinen oder auch Fahrzeugen – sofort erfasst und ohne weitere technische Zwischenschritte analysiert. Mit S/4 HANA erhalten Unternehmen diese Basis. Die  Informationen werden dabei auf allen Endgeräten, auch mobilen, zu Verfügung gestellt.

Mit S/4 HANA werden unsere Produkte aber auch einfach und schön. Das Arbeitsmittel soll für die Anwender so nutzerfreundlich wie eine App gestaltet sein, es muss aber trotzdem leistungsfähig auch große Unternehmen steuern können. Diese Einfachheit in der Benutzung ist auch wichtig, da die Technologie- und Investitionszyklen immer kürzer werden. Wir wissen heute nicht, was technologisch in fünf Jahren gefragt ist. Die Vorteile von IT-Werkzeugen müssen sofort hergestellt sein.

(+) plus: Den Anwendern sind lange Einschulungen auch nicht mehr zuzumuten.

Sickinger: Programmoberflächen, auf die man vielleicht monatelang einschulen muss – das ist tatsächlich nicht mehr zumut­bar. Dabei hat sich auch der Begriff des Anwenders geändert. Früher waren das Powernutzer in der IT oder in einem Fachbereich, die vielleicht in der Finanzabteilung Rechnungen eingebucht haben. Für diese Anwender waren die Eingabemasken auch okay, wenn sie nicht besonders schön waren – solange Daten schnell und effizient eingegeben werden konnten. Heute möchte jeder die Informationen, die er benötigt, in Berichten selbst herausziehen können.

(+) plus: Sie propagieren einen Technologiewechsel in der IT – wie lange dauert dieser in der Regel?

Sickinger: Das kommt auf das Unternehmen an, da man in diesem Wechsel auch ein Stück weit die Vergangenheit begradigt. Schließlich werden damit die fragmentierten Datensilos von früher aufgelöst. Unsere Neukunden starten von vornherein mit der Suite/4 HANA-Architektur, da geht es entsprechend schneller. Auch Cloud-Lösungen können hier helfen, relativ schnell und flexibel Projekte umzusetzen und die Systeme ähnlich wie in der App-Welt am neuesten Stand zu halten. Individualisierung ist da kein Vorteil mehr, sondern wird von Standardsoftware, etwa unserer Cloud-Lösung »Business ByDesign«, abgelöst.

(+) plus: Was ändert sich mit einer modernen IT für die Unternehmensführung?

Sickinger: Früher hatte die Geschäftsführung Berichte zu einem Zeitpunkt bekommen, an dem es für Entscheidungen eigentlich schon zu spät war. Auch sind die Geschäftsentwicklungen vor einigen Jahren noch relativ linear verlaufen. Entsprechend linear wurden dann auch die Ziele für die Zukunft betrachtet. Das Geschäft der meisten Unternehmen heute ist wesentlich volatiler: Sie haben Zeiten mit kurzfristig starker Nachfrage, dann gibt es wieder Einbrüche – das alles muss auch wesentlich dynamischer gesteuert werden.

Wenn wir ein Handelsunternehmen mit Filialgeschäft hernehmen: Entscheider wollen nicht wissen, was vor drei Monaten im Verkauf gut gegangen ist, sondern welche Produkte heute umgesetzt werden – damit Regale optimal bestückt und Lagerstände gering gehalten werden. Dies geht hin bis zu einem »Digital Boardroom«, der eine Rundumsicht auf alle Unternehmensprozesse – Finanzdaten, Marketing, Social Media – auf einem Dashboard am Bildschirm bietet. Das schließt auch die Bereiche Beschaffung, Forschung und Entwicklung, die Produktion, Vertriebskanäle ein.

(+) plus: Verändert sich die Rolle des CFO grundsätzlich?

Sickinger: Der CFO  ist aus meiner Sicht wesentlich näher am Business, als er es früher war. Er oder sie kann mit dieser Transparenz auf Daten und Prozesse den Rest des Managementteams sehr gut unterstützen. Er kann jetzt viel besser Entwicklungen und Trends aufzeigen, in dem er mit »Predictive Analysis« in die Zukunft gerichtete Informationen ermittelt. Wir sehen viele CFOs, die mittlerweile sehr aktive Rollen in den Unternehmen spielen. Sie haben heute ganz andere Möglichkeiten.

(+) plus: In welchen Wirtschaftsbereichen sehen Sie einen großen Nutzen durch SAP S/4 HANA für Business-Innovationen?

Sickinger: Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Mit einer Online- und Multichannel-Strategie können Unternehmen ihren Kunden unterschiedliche Zugänge bieten. Diese können sich aussuchen, welchen Kauf- und Entscheidungsweg sie nehmen: ins Geschäft vor Ort, in den Onlinestore oder auch zu Auftritten von Partnern. Mit entsprechend leistungsfähigen IT-Systemen im Hintergrund können die Unternehmen die Kunden auf ihrer »Customer Journey« – also das, was diese erleben – begleiten. Dabei geht es nicht nur um das Sammeln von Informationen, sondern auch um die Kundenerwartung. Wir alle gehen heute davon aus, dass sich Marken und vertraute Services auf allen Kanälen gleich gut präsentieren. Wurde der Online-Vertriebskanal früher noch als billigere, auf das Realgeschäft aufgesetzte Serviceschiene betrachtet, würde das heute verunsichern. Denn Kunden wollen auf allen Ebenen eine gleich gute Dienstleistung, Beratung und das gleiche Kauferlebnis. Dies über jeden Kontaktpunkt mit dem Kunden aufrechtzuerhalten – darum geht es.

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