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Die große Umfrage: Integration

Franz Wolf-Maier, Andrea Eraslan-Weninger und Johannes Peyrl beantworten Fragen zur Integration in Österreich. Franz Wolf-Maier, Andrea Eraslan-Weninger und Johannes Peyrl beantworten Fragen zur Integration in Österreich.

Mit der Kampagne #stolzdrauf will Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz Zusammengehörigkeit von ÖsterreicherInnen mit und ohne Migrationshintergrund zeigen – und polarisiert damit das Land. Mehr als 50.000 User drückten bisher via Facebook und Twitter ihr Heimatgefühl aus. Die Aktion verselbstständigte sich jedoch binnen kurzem und zog zunehmend kritische Kommentare an. Tatsächlich wird der Begriff Heimat auch nach vielen Jahren des Aufenthalts oft nicht mit Österreich assoziiert: 30 % aller Zuwanderer der ersten und zweiten Generation fühlen sich eher ihrem Herkunftsland zugehörig; ist die Türkei ihr Herkunftsland, sind es sogar 42 %. Report(+)PLUS hat ExpertInnen nach den Gründen gefragt.

1. Warum fühlen sich viele Zuwanderer in Österreich nicht heimisch?

Franz Wolf-Maier, Geschäftsführer des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF): Aktuelle Zahlen einer vom Forschungsinstitut IMAS durchgeführten Umfrage belegen: Sieben von zehn MigrantInnen sehen Österreich als ihre Heimat. Laut einer GfK-Austria-Umfrage ist das Zugehörigkeitsgefühl unter ZuwanderInnen seit 2010 auch kontinuierlich gestiegen. Wenn man sich die Detailergebnisse genauer ansieht, zeigen sich aber Unterschiede: ZuwanderInnen aus dem ehemaligen Jugoslawien fühlen sich in Österreich stärker heimisch als MigrantInnen aus der Türkei. Auch junge Männer fühlen sich im Durchschnitt weniger mit Österreich verbunden als ältere Frauen und Männer. Die aktuelle Initative #stolzdrauf trägt dazu bei, die Identifikation mit Österreich unter Menschen mit und ohne Migrationshintergrund zum Thema zu machen.

Andrea Eraslan-Weninger, Geschäftsführerin des Integrationshauses Wien: Wichtig wäre eine stärkere interkulturelle Öffnung der Institutionen, insbesondere auch von staatlichen und öffentlichen Einrichtungen. Gelebte Mehrsprachigkeit und Vielfalt quer durch die verschiedenen Hierarchiestufen, gelebtes Diversitätsmanagement, Einstiegs- und Aufstiegsförderung für ZuwanderInnen sind nur einige Maßnahmen, die sicherlich zur Partizipation beitragen.

Johannes Peyrl, Leiter der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration, Arbeiterkammer Wien: Die gute Nachricht ist: MigrantInnen selbst fühlen sich oft mehr integriert, als ihnen von außen zugeschrieben wird. Wenn sich jemand nicht »heimisch« fühlt, liegt das daran, dass er oder sie sich diskriminiert fühlt, etwa bei der Wohnungs- oder Arbeitssuche. Oft vermisst wird auch die Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft und eine »Willkommenskultur«: Es wird generell noch viel zu oft zwischen »wir« und »ihr« unterschieden. So entsteht kein Zugehörigkeitsgefühl. Das aber ist ein Auftrag an alle – MigrantInnen und Mehrheitsgesellschaft!


2. Welche Probleme gibt es bei der Integration?

Franz Wolf-Maier: Im Bereich Integration konnten in den letzten Jahren viele Fortschritte erzielt werden: Menschen mit und ohne Migrationshintergrund bewerten das Zusammenleben in Österreich heute positiver als noch vor ein paar Jahren. Aktuell wird eine Vielzahl an Initiativen verfolgt, um die Integration von ZuwanderInnen in Österreich zu verbessern, etwa in Zusammenhang mit einem raschen, effizienten Spracherwerb von ZuwanderInnen, einer einfacheren Anerkennung von mitgebrachten beruflichen Qualifikationen und bei der Förderung einer gelebten Willkommenskultur bei österreichischen Behörden und Institutionen, auch im ländlichen Raum.

Andrea Eraslan-Weninger: Die bestehende Diskriminierung am Arbeits- und Wohnungsmarkt und bei den sozialen Ansprüchen verhindert Integration. Mitgebrachte Qualifikationen werden noch immer nicht ausreichend anerkannt und entlohnt. Viele gut ausgebildete Menschen aus Drittstaaten sind nach wie vor als Hilfskräfte oder angelernte Arbeitskräfte tätig. Frauen sind von dieser Form der Dequalifikation ganz besonders betroffen. Aber auch am Wohnungsmarkt haben ZuwanderInnen ganz große Probleme. Sie zahlen im Vergleich mit der langansässigen Bevölkerung höhere Wohnungskosten für weniger Wohnraum! Die zugewanderte Bevölkerung ist vor allem in einem viel höheren Ausmaß von Armut betroffen.

Johannes Peyrl: Beschäftigte mit Migrationshintergrund sind leider oft von Diskriminierung betroffen: So brauchen sie (bei gleicher Qualifikation!) deutlich mehr Kontakte mit ArbeitgeberInnen, um zu einem persönlichen Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. In Österreich leben viele Kinder von MigrantInnen, die in Österreich geboren sind. Die Eltern leben ebenfalls schon lange hier, sind gut integriert. Für diese Kinder sollte es die österreichische Staatsbürgerschaft ganz einfach geben. Aber das ermöglicht unser Staatsbürgerschaftsrecht nicht.


3. Wie könnte man Integration fördern?

Franz Wolf-Maier: Als bundesweiter Integrationsdienstleister bietet der ÖIF zahlreiche Projekte und Initiativen zur sprachlichen, beruflichen und gesellschaftlichen Integration für ZuwanderInnen. Integration betrifft jedoch eine Vielzahl von Lebensbereichen, daher ist für eine gelungene Integration beispielsweise auch eine gelungene Bildungspolitik und Arbeitsmarktpolitik erforderlich. Damit Integration funktionieren kann, muss sie in den zentralen Lebensbereichen von ZuwanderInnen mitgedacht werden. Um Vorurteile abzubauen und Motivation zu schaffen gibt es Initiativen wie ZUSAMMEN:ÖSTERREICH, wo erfolgreiche MigrantInnen als IntegrationsbotschafterInnen an Schulen gehen und dort von ihrer eigenen Integrationsgeschichte erzählen.

Andrea Eraslan-Weninger: Es braucht gleiche Rechte und Chancen bei der Bildung, am Arbeitsmarkt, beim beruflichen Aufstieg und beim Zugang zu sozialen Ressourcen. Am wichtigsten wäre eine Änderung des restriktiven Staatsbürgerschaftsgesetzes und des Wahlrechts. Österreich schneidet da im internationalen Vergleich sehr schlecht ab. Aktuell dürfen zum Beispiel 24 % der WienerInnen nicht wählen, was demokratiepolitisch sehr bedenklich ist. Zugewanderte Menschen brauchen eine politische Stimme, dann wäre die Motivation der Politik höher, auch ihre Anliegen tatsächlich zu berücksichtigen.

Johannes Peyrl: Es braucht faire Aufstiegschancen für alle: Das erreicht man einmal durch eine leichtere Anerkennung von beruflichen Qualifikationen. Hier ist gerade einiges auch auf unseren Druck hin vorangekommen. Wir finden das auch wichtig, um weiteren Druck auf die Löhne für alle ArbeitnehmerInnen abzuwehren: Denn oft werden gutqualifizierte MigrantInnen niedrig eingestuft und machen aber dann deutlich höher qualifizierte Arbeit. Man sollte auch prüfen, ob anonyme Bewerbungen sinnvoll sind, um allen die gleiche Chance zu bieten. Das Staatsbürgerschaftsrecht sollte modernisiert werden. Für mehr Willkommenskultur können auch Projekte wie etwa »Start Wien« sorgen, bei dem Neu-ZuwanderInnen geholfen wird, so schnell wie möglich in Wien Fuß zu fassen.

Last modified onDienstag, 24 Februar 2015 13:39
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