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Nur die besten Köpfe

Gabriele Cerwinka. »Beschwerdemanagement ist ein äußerst sensibler Prozess. Man darf das nicht an eine Telefonzentrale delegieren.« Gabriele Cerwinka. »Beschwerdemanagement ist ein äußerst sensibler Prozess. Man darf das nicht an eine Telefonzentrale delegieren.«

Als Coach rät Gabriele Cerwinka zu freundlich-sachlichem Umgang mit schwierigen Kunden – aber nicht, jeder Beschwerde sofort nachzugeben.

(+) Plus: Wie sollte professioneller Umgang mit Beschwerden aussehen?

Gabriele Cerwinka: Beschwerdemanagement ist ein äußerst sensibler Prozess, für den von der Geschäftsführung bestimmte Standards festgelegt werden sollten. Die besten Leute des Unternehmens müssen damit befasst sein. Man darf das nicht an eine Telefonzentrale delegieren. Es muss klare Richtlinien für die Beschwerdebearbeitung geben. Jede fehlgelaufene Beschwerde zerschlägt viel Porzellan und wird ungleich öfter weitererzählt als ein positives Kauferlebnis. Die Mitarbeiter müssen deshalb eine besondere Persönlichkeit und sehr wendig im Denken sein. Sie brauchen eine hohe kommunikative und soziale Kompetenz, aber auch Produktkompetenz. Und sie dürfen sich nicht persönlich angegriffen fühlen. Denn auch die Kunden haben dazu gelernt: Je unangenehmer sie auftreten, desto mehr bekommen sie.

(+) Plus: Haben die Unternehmen diesbezüglich noch Nachholbedarf?

Cerwinka: Das Bewusstsein ist in den letzten Jahren schon weit gediehen. Es hapert aber oft an der konkreten Umsetzung und am Dranbleiben. Ich kann nicht etwas implementieren und mich dann drei Jahre nicht mehr darum kümmern. Dieser Prozess muss gut durchdacht und gut organisiert sein – das ist eine Permanentaufgabe des Unternehmens. Die Kunden, ihre Ansprüche, die Produkte verändern sich. Mindestens einmal pro Jahr sollte es für die Mitarbeiter einen Workshop geben, vor allem wenn neue, technisch heikle Produkte dazukommen, die hochpreisig oder schwer zu bedienen sind.

(+) Plus: Wie trainieren Sie schwierige Situationen?

Cerwinka: Bei Trainings in Krankenhausambulanzen und Arztpraxen arbeite ich mit einer Schauspielpatientin, die sehr realistische Situationen nachstellt. Eine andere Möglichkeit ist, in einem Seminar verschiedene Fallbeispiele zu analysieren und gemeinsam mit den Mitarbeitern einen Leitfaden zu erarbeiten. Jede einzelne Situation im Vorfeld zu visualisieren, ist nahezu unmöglich. Manchmal beobachte ich auch direkt im Verkaufsraum oder Callcenter, wie die Mitarbeiter mit den Kunden sprechen und schließe unmittelbar daran eine Feedback-Schleife – was war besonders gut, was kann man beim nächsten Gespräch anders machen?

(+) Plus: Wirkt es nicht unpersönlich, wenn Formulierungen vorgegeben werden?

Cerwinka: Ich empfehle immer »Start und Landung angeschnallt«. Legen Sie sich Wörter für den Beginn zurecht, warten Sie die Erstreaktion des Kunden ab und überlegen Sie, wie Sie das Gespräch abschließen. Aber verwenden Sie in der Mitte ja keine eingelernten Sätze, denn das wird von den Kunden rasch entlarvt.

(+) Plus: Sind Kunden heute anspruchsvoller?

Cerwinka: Auf den Websites der Unternehmen wird zu viel versprochen, das in der Realität nicht zu halten ist. »Wir sind rund um die Uhr für Sie da und offen für Ihr Anliegen« – das ist in manchen Unternehmen ja gar nicht erwünscht. Es darf trotzdem niemals länger als 48 Stunden dauern, bis ein Anliegen tatsächlich bearbeitet wird. Ich empfehle, Beschwerden immer spätestens am nächsten Arbeitstag zu prüfen. Alles andere schaukelt die Erwartungshaltung des Kunden nur noch hoch.

(+) Plus: Mit großen Unternehmen kann man oft nur noch über Online-Kontaktformulare kommunizieren. Ist Kundenservice zu anonym geworden?

Cerwinka: Auch der Kunde verschanzt sich hinter dieser Anonymität. Ich habe in einem Konzern E-Mails gesehen, das glauben Sie nicht – Beschimpfungen aus der untersten Schublade. Da hat sich jemand am Sonntagnachmittag hingesetzt und so richtig seinen Frust losgelassen.

(+) Plus: Verlagert sich der Unmut generell auf Social-Media-Plattformen?

Cerwinka: Blogs können enormen Schaden anrichten, aber ich beobachte auch die Schnelllebigkeit dieses Mediums. Es ist eine Frage der Häufigkeit. Wenn bei einem Unternehmen die Unzufriedenheit sehr hoch steigt und nicht nur ein Kunde negativ schreibt, sondern zigtausende, kann das schon das Image schädigen. Existiert über ein mittleres Unternehmen ein einziger Eintrag, ist das rasch wieder vergessen. Trotzdem wird Social Media die wesentliche Herausforderung der nächsten drei, vier Jahre. Jedes Unternehmen sollte sich Gedanken machen, wie mit negativen Botschaften umgegangen wird.

(+) Plus: Wie groß ist der Anteil von »unverschämten« Kunden, die mit unberechtigten Beschwerden »etwas herausholen« möchten?

Cerwinka: Ungefähr ein Drittel. Mir hat eine Boutiquebesitzerin erzählt, dass etliche Kundinnen am Freitag ein Kleidungsstück kaufen, es am Samstag tragen und am Montag mit einer Beschwerde zurückbringen, die kaum nachzuvollziehen ist. Ich warne davor, zu rasch eine Wiedergutmachung zu geben. In den USA bekommt man sofort das Geld zurück, da wird nicht lange diskutiert. Ich bin diesbezüglich sehr skeptisch, weil es auch den Wert des eigenen Produktes mindert.

Zur Person

Gabriele Cerwinka arbeitet als Coach in den Bereichen Kommunikation und Teamführung und veröffentlichte mehrere Fachbücher, u.a. »Wenn der Kunde laut wird. Professioneller Umgang mit Beschwerden« und »Die Macht der versteckten Signale« (Linde Verlag).

Last modified onMittwoch, 16 Juli 2014 14:45

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