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Was 2014 bringen wird

Was 2014 bringen wird

Das sagen die Profis: Wie die Zukunftsforscher 2014 sehen.

Sicherheit wichtiger als Freiheit

Jenseits von Euro- und Europakrise leben und fühlen sich die Menschen in Österreich und Deutschland derzeit wie auf einer Insel des Wohlstands und des Wohlergehens: Wachsende Wirtschaft, konstante Löhne und stabile Preise, steigende Konsumausgaben, niedrige Zinsen und beste Beschäftigungszahlen bleiben nicht wirkungslos. Hinzu kommt die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit seit Jahren. So erklärt sich der große Zukunftsoptimismus der Bevölkerung – insbesondere der jungen Generation. Bei ihr überwiegt die positive Einstellung zum Leben. Trotz weltweiter Finanz-, Wirtschafts- und Umweltkrisen blickt sie optimistisch in die nahe Zukunft. Dem neuen Jahr 2014 sieht sie mit großer Zuversicht entgegen und hat das Gefühl, in einer Bestzeit zu leben. Dies kann nicht überraschen: »No future« ist für die meisten Jugendlichen längst zum Fremdwort geworden. Die junge Generation wächst in unsicheren Zeiten auf. Sie kennt fast nichts als (Dauer-)Krise und  versteht sich selbst schon als »Generation Krise«. Sie gibt dennoch ihre Hoffnung auf bessere Zeiten nicht auf. Sie wünscht sich eine bessere Gesellschaft und will auch mithelfen, eine bessere Gesellschaft zu schaffen – durch Eigeninitiative und sozialen Zusammenhalt. Sie vertraut dabei auf die Kontakte und das Zusammenleben mit Freunden und sozialen Netzwerken. Das soll der soziale Kitt für eine lebenswerte Gesellschaft in der nahen Zukunft sein.

Die Gefahr ist allerdings groß, dass die Politik die Erwartungen der jungen Generation enttäuscht. Nur zu berechtigt ist die Sorge, dass Politiker und Parteien mehr die nächste Wahl als die nächste Generation im Blick haben. In vielen Teilen der Welt ist zurzeit eine Krise der Politik zu beobachten. Weltweit verlieren die Bürger ihr Vertrauen in die Fähigkeit der Politiker, mit den Herausforderungen der Zeit fertig zu werden. Auch in Österreich und Deutschland häufen sich die Enttäuschungserfahrungen. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung vertritt die Auffassung: Für die junge Generation ist es in Zukunft viel schwieriger, ebenso abgesichert und im Wohlstand zu leben wie die heutige Elterngeneration. Für 2014 gilt: Sicherheit wird wichtiger als Freiheit. Ganz oben steht der Wunsch nach einem sicheren Arbeitsplatz, einem sicheren Einkommen und einer sicheren Rente.

Prof. Dr. Horst W. Opaschowski
ist Zukunftswissenschaftler und Berater für Wirtschaft und Politik. International hat er sich einen Namen als »Mr. Zukunft« (Deutsche Presse-Agentur) gemacht.  Opaschowski ist Autor des Standardwerks der Zukunftsforschung »Deutschland 2030«.
www.opaschowski.de


Neuropa – Der Millennium-Boom

Eigentlich dürfte es Europa heute nicht mehr geben. In den letzten Jahren wurde es mehrheitlich abgeschrieben: Zerfall der Staatengemeinschaft, Kollaps des Euro, Aufkündigung der Solidarität. Doch Europa ist nicht auseinandergefallen. Im Gegenteil: In den Südländern erhöht sich die Wirtschaftsleistung. Der Hälfte der EU-Länder geht es heute wirtschaftlich besser als vor der Krise. Die Weltwirtschaftskrise verzögert sich offenbar auch, ebenso der Untergang der Schwellenländer.

Wir stehen vor einem Millennium-Boom, dessen Entstehen durch Angst und Hysterie verschleiert wird. Der Untergang erregt leichter unsere Aufmerksamkeit als Fortschrittsmöglichkeiten. Doch Angst lähmt. Daher lenkt der »Trend-Report 2014« des Zukunftsinstituts den Blick auf die »positiven Überraschungen unserer Zukunft«. Eine davon ist »Neuropa«.  Vieles spricht dafür, dass sich Europa »zusammenreformieren« wird. Die Basis hierfür ist ein neuer europäischer Vertrag, der die Bankenabwicklung sowie die Verschuldungsgrenzen endgültig regelt – verbunden mit einer einmaligen Sonderabgabe der reichen europäischen Länder. Ein moderater Schuldenschnitt für Griechenland und einige andere kleinere Länder ist ebenso wahrscheinlich. Die »Eurokrise«, die jahrelang als »Zerstörungskrise« der europäischen Idee interpretiert wurde, wird sich im Nachhinein als Synchronisationsprozess unterschiedlicher kultureller und ökonomischer Modelle erweisen.

Der wichtigste Grund, warum wir vor einem Millennium-Boom stehen, liegt jedoch außerhalb Europas begründet. Es ist das stete Wachstum der Schwellenländer. 1990 haben knapp 50 Prozent der Menschen auf der Welt in bitterer Armut gelebt, heute sind es 22 Prozent. Selbst in Afrika ist der Anteil der armen Menschen von 50 Prozent auf 40 Prozent gefallen. Es gibt vier Milliarden Menschen in den Schwellenländern, die zunehmend am Wohlstand der Welt teilhaben werden. Ökonomen schätzen, dass in 20 Jahren über 50 Prozent aller Menschen auf der Erde der Mittelschicht angehören.

Der wachsende Wohlstand produziert eine gigantische Nachfrage nach Infrastrukturen in den Bereichen Information, Energie und Urbanität. Ein großer Teil dieser Nachfrage – insbesondere aus den aufstrebenden Ländern Afrikas – wird mit hochentwickelten Produkten und Dienstleistungen aus den Ländern Europas bedient werden. Die vielen Untergangsszenarien, die uns heute umtreiben, sind unwahrscheinlich, wenn wir sie durch Paranoia nicht selbst herstellen.

Andreas Steinle
ist Geschäftsführer des Zukunftsinstituts in Frankfurt/Main. Neben seiner Tätigkeit als Redner und Studienautor berät er nationale wie internationale Kunden in Strategie- und Innovationsprozessen. www.zukunftsinstitut.de


Wachsen in volatilen Märkten

Die Volatilität in Wirtschaft und Gesellschaft nimmt zu. In dieser Kultur des disruptiven Wandels haben wir es morgen mehr denn je mit hoch komplexen, instabilen Systemen zu tun. Das Wachstum in der global vernetzten Wirtschaft ist fragil – selbst (als langfristig gehandelte) Wachstumsmärkte wie die BRIC-Staaten sind anfällig für Störungen. Diese wiederum wirken sich auf die weltweite Nahrungskette der Zulieferer, Logistik und Dienstleister aus. Alles ist mit allem vernetzt.

Unternehmen können in dieser »flüssigen Moderne« (Zygmunt Bauman) nur mit strategischer Elastizität Erfolg haben – den Masterplan für die Zukunft gibt es nicht. Erfolg hat langfristig nur, wer seine Exzellenz (=Themenführerschaft) ebenso schärft wie seine Resilienz (=Widerstandsfähigkeit). Um durch die Unsicherheiten navigieren zu können, braucht es ein Radarsystem, das die Megatrends (Urbanisierung, demografischer Wandel, Interkonnektivität, Green Lifestyle etc.) auf den Schirm bringt, aber auch die Micro-Trends in den jeweiligen Branchen erfasst. Nur so kann ein Unternehmen Neuland anlaufen und mit Innovationen Wachstum erzielen. Auch wenn derzeit viele Akteure noch an der alten Wachstumsspirale (höher-schneller-weiter) drehen – der Wandel ist bereits da. Das Betriebssystem der Marktwirtschaft wird neu konfiguriert, die neuen Passwörter für die Netzwerkgesellschaft lauten: Crowd Sourcing, Kreativität, Smart Living. Das eigentliche Gold aber entsteht in den Köpfen: Eine wissensbasierte Ökonomie lebt von der Kreativität ihrer Akteure, die aus Information Wissen generieren und dieses dann in innovative Produkte übersetzen. Smart und ressourcenschonend.

In diesem Biotop schlägt mehr denn je die Stunde der agilen Startups und Mikro-Unternehmen. Das Ökosystem von morgen erfordert Crowd-Performance. Die vernetzten Märkte haben eine derart hohe Komplexität erreicht, dass Unternehmen diese nur gemeinsam reduzieren können. In strategischen Netzwerken rund um ein Profilthema entstehen – im Zusammenwirken von Industrie, F&E, Zulieferern und Dienstleistern – Innovationen und damit Wertschöpfung. Das ökonomische Gewebe wird durchlässiger und interaktiver – Produktentwicklung erfolgt immer öfter in Wertschöpfungsnetzen. Die Großen sind der Motor, die Kleinen steuern die Innovation bei – nicht nur in der digitalen Gewerbezone. Wirtschaft wird künftig mehr denn je durch partizipative Geschäftsmodelle vorangetrieben, Crowd Sourcing ist die Grundmelodie der Netzwerkökonomie.

Andreas Reiter gründete 1996 das ZTB Zukunftsbüro in Wien, das Unternehmen und öffentliche Institutionen im deutschsprachigen Raum in strategischen Zukunftsfragen, Produktentwicklung und Positionierung berät. Andreas Reiter ist Referent bei internationalen Kongressen, Buchautor sowie Lehrbeauftragter an der Donau-Universität Krems sowie an Fachhochschulen (MCI in Innsbruck, FH Wien). www.ztb-zukunft.com


Fünf Zukunftsthemen

Zukunft ist kein Schicksal. Zukunft wird gestaltet – auch 2014, etwa in den folgenden Segmenten unserer Lebensqualität:

Zeitwohlstand: 2014 wird der bisherige Rekord im Bereich der statistischen Lebenserwartung wieder um rund drei Monate überschritten. Das Zeitbudget von der Geburt bis zum Tod beträgt dann rund 720.000 Stunden. Tendenz steigend. Erstaunlicherweise bewerten wir das positive Faktum des stetig steigenden Zeitwohlstands mit dem Begriff »Überalterung« negativ. Immerhin wird jedes zweite im Jahr 2014 geborene Kind noch einige Geburtstage im 22. Jahrhundert feiern. Apropos Geburten: Für das eigentliche demografische Zukunftsproblem kennt unsere Sprache keinen Begriff. Wie wäre es mit »Unterjüngung«? 

Beruf – nur 10 %: Auch 2014 verbringen wir nur ein Zehntel unseres  Lebens, nämlich rund 72.000 Stunden, im Beruf. In Zukunft wird zwar die Lebensarbeitszeit leicht ansteigen; allerdings nur in Relation zur ebenfalls steigenden Lebenserwartung. Zukünftig wird die Frage nach der sinnvollen Gestaltung der restlichen 90 % unserer Lebenszeit immer wichtiger.

Bildungspolitik: Auch 2014 wird es in vielen EU-Ländern – leider auch in Österreich – statt der Entwicklung von Bildungskonzepten für morgen wieder nur die sattsam bekannte Krisenintervention für die Unterrichtsvollzugsanstalten von gestern geben. So werden Talente für die Arbeitswelt von übermorgen vergeudet und Chancen für die Zukunft verspielt.

Frauen in Führungspositionen: Auch 2014 werden die jungen Frauen die jungen Männer bei den Abschlüssen an höheren Schulen und Universitäten wieder überholen. Bei der eigentlich logischen Konsequenz, nämlich den beruflichen Karrierechancen, wird es 2014 zwar keinen revolutionären Sprung, jedoch einen weiteren Schritt in die richtige Richtung geben.

EU: 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs entscheiden die EU-Bürger im Mai 2014 über die Zukunft ihres gemeinsamen Friedensprojekts. Auch zukünftig werden in diesem kleinen, aber  feinen Lebensraum 7 % der Weltbevölkerung für 25 % der global erarbeiteten Wertschöpfung und für ein weltweit einzigartiges Niveau an sozialer Sicherheit sorgen.


Reinhold Popp ist einer der wenigen Hochschullehrer im deutschsprachigen Raum, die sich systematisch mit Zukunftsforschung befassen. Weit über die Welt der Wissenschaft hinaus ist er durch seine Interviews, Kolumnen und Kommentare in Presse, Hörfunk und Fernsehen sowie durch seine lebendigen Vorträge auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt. www.reinhold-popp.at

Last modified onDonnerstag, 27 Februar 2014 14:18
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