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Bootstrapping - Unternehmensgründung ohne Kredit

\"''Bootstrapping''Chef sein einmal anders: Wie weiland Baron Münchhausen, der sich an seinem eigenen Schopf aus dem Sumpf zog, versuchen Jungunternehmer sich quasi an den Stiefelschlaufen (engl. Bootstraps) aus eigener Kraft – mit geringen finanziellen Mitteln und ohne Fremdkapital – hochzuziehen und ­einen eigenen Betrieb auf die Beine zu stellen.

Von Angela Heissenberger

Eine Geschäftsidee, Business Plan, Förderansuchen, Banktermine, Kreditvertrag – für die meisten Unternehmensgründer sind diese fünf Stationen der einzig plausible Weg in die Selbstständigkeit. Dass es auch möglich ist, ein eigenes Unternehmen ohne Hilfe und vor allem ohne Fremdkapital zu gründen, klingt unwahrscheinlich und auch ein wenig verrückt.
Für Amy Hoy, Harald Eckmüller und Thomas Fuchs ist Bootstrapping jedoch eine völlig normale Sache. Gemeinsam organisierten die drei Jungunternehmer im September in Wien die Tagung „SchnitzelConf“, um die internationale Vernetzung der Bootstrapper und den Austausch von Erfahrungen voranzutreiben. Denn während zum Thema Risikokapital und Fremdfinanzierung unzählige Veranstaltungen angeboten werden, ist Bootstrapping noch weitgehend unbekannt.

Auf Sparflamme

Viele Unternehmensgründer praktizieren diese Idee jedoch, ohne es zu wissen. Seit sich infolge der Finanzkrise die Kreditvergaberichtlinien verschärft haben, ist der Zugang zu Fremdkapital für Jungunternehmer wesentlich schwerer möglich. Findet sich kein interessierter Investor, der die Geschäftsidee finanzieren will, bleiben nur das eigene Gespür und Talent.
Doch das Unternehmertum auf Sparflamme hat durchaus Vorteile. Aufgrund der begrenzten finanziellen Mittel läuft kein Bootstrapper Gefahr, unüberschaubare Risiken einzugehen. Die völlige Unabhängigkeit von Geldgebern garantiert auch Entscheidungsfreiheit in allen Belangen. Der Lerneffekt ist enorm, denn richtiges Wirtschaften ist mit kleinem Budget ungleich schwieriger – mit den erworbenen Fähigkeiten können aber spätere Dürreperioden umso leichter überstanden werden.

Und: Not macht erfinderisch. Viele kreative Ideen entstehen, gerade weil herkömmliche Lösungen nicht finanzierbar sind.

Wie festgezogene Schuhbänder ist auch die Wachstumsstrategie des Unternehmens straff an die knappen Ressourcen gebunden. Je nach Höhe des vorhandenen Eigenkapitals gestaltet sich der Spielraum.

Einige Ratschläge sollten aber in jedem Fall beherzigt werden: So sind repräsentative Büroräume in der Regel überflüssig. Viele Start-ups lassen sich zumindest in der Anfangsphase mit einem Computer vom Wohnzimmer aus bewerkstelligen. Mit ein Grund, weshalb sich unter den Bootstrappern überdurchschnittlich viele Webdesigner und Softwareentwickler finden. Wem die Einsamkeit zu Hause nicht behagt, kann sich in Bürogemeinschaften einquartieren oder in Business Centern tageweise mieten.

Nischenmärkte eignen sich für Bootstrapping besonders gut: Die Zahl der Mitbewerber hält sich in Grenzen, und hochwertige Leistungen werden meist gut bezahlt.
Tätigkeiten, für die das eigene Know-how fehlt oder nicht ausreicht, sollten – wenn es die Kosten zulassen – ausgelagert werden. In der Startphase hat das rasche Erreichen der Gewinnzone oberste Priorität. Alle Tätigkeiten, die nicht darauf abzielen, sind nachrangig zu behandeln.

Erfolgsrezepte

Dass in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Menschen vermehrt aktiv werden und ihre Erwerbstätigkeit selbst in die Hand nehmen, zeigt das rege Interesse an der Tagung „SchnitzelConf“. Die Minikonferenz war mit 75 Teilnehmern rasch ausverkauft. Um der Zielgruppe mit extra schmalem Budget das Ansparen der Tagungsgebühr von 300 Euro zu ermöglichen, wurden die Tickets in mehreren Tranchen ausgegeben. Etwa die Hälfte der Interessenten, darunter viele Freiberufler, kam aus Österreich, die andere Hälfte reiste aus anderen europäischen Ländern an. Jeweils ein Teilnehmer kam aus den USA und aus Singapur.

Referenten aus Italien, Irland, Südafrika, Kanada und den USA präsentierten ihre Erfolgsrezepte. Darunter etwa Giacomo Peldi Guilizzoni aus Bologna, ein ehemaliger Adobe-Programmierer, der mit „Balsamiq Mockups2“ ein Tool zum Erstellen von Wireframes und Prototypen entwickelte. Mit 250.000 Euro Umsatz im Monat sind seine Sorgen inzwischen nicht mehr finanzieller Natur – mehr stört, nun weniger Zeit fürs Programmieren zu haben. Paul Campbell, ein Computerfreak aus Dublin, kreierte mit seiner Firma Ketchup eine Webapplikation, die produktivere und effizientere Besprechungen ermöglicht.

Tobias Lütke ist gebürtiger Deutscher, der nach Ottawa in Kanada auswanderte. Dort betreibt er Shopify, eine E-Commerce-Plattform für Einzelhändler, die nach dem Do-it-yourself-Prinzip funktioniert. Der Südafrikaner Adii Rockstar gründete in Kapstadt „WooThemes“, eine Firma, die sich auf den Verkauf und Support von hochwertigen Designs für das Weblog-System WordPress spezialisierte. Auch die Veranstalter selbst sind Bootstrapper. Thomas Fuchs und Amy Hoy vertreiben ein selbstentwickeltes Zeiterfassungstool namens Freckle.
Der Texaner Garrett Dimon berichtete auf der Tagung von den Schwierigkeiten, seine Webapplikationen im Startup „Sifter“ ins Laufen zu bringen – während er seinen Consulter-Job weiterhin ausübte und nebenbei zwei Übersiedlungen, Verlobung, Hochzeit, Hauskauf und die Anschaffung eines Hundes überstand. Nach zweieinhalb Jahren im Chaos arbeitet er inzwischen Vollzeit in seinem eigenen Unternehmen.

Geoeffry Grosenbach entwickelt Software für Screencasts und betreibt von Toronto aus den Blog „Peep Code“, in dem er Designinstrumente für Websites vorstellt. Er sah sich in der Gründungsphase seines Unternehmens immer wieder mit der Frage konfrontiert: „Und dafür bezahlen Leute?“, wie er erzählte.

Fazit: Nicht beirren lassen, weitermachen. Michael Buffington, Gründer der Unternehmen „Grasshopper Labs“, „Chargify“ und „Spreadable“ und Entwickler unzähliger Webapplikationen, gab den Konferenzteilnehmern den Rat „Stay small. It can be a good life to be small“ mit auf den Weg.

Trotz aller Ablehnung herkömmlicher Finanzierungsstrategien: Sollte sich das Kleinstunternehmen so erfreulich entwickeln, dass für weiteres Wachstum später doch Fremdkapital erforderlich ist, haben Bootstrapper vermutlich gar nicht so schlechte Karten. Denn eine Firma aus eigener Kraft aufzubauen zeugt von wahrem Unternehmergeist, langem Atem und den nötigen Fähigkeiten. Und nicht zu vergessen: Auch Bill Gates hat seinerzeit in einer Garage begonnen.

 

> Grundsätze fürs Bootstraping:

1. Klein anfangen: Starten Sie möglichst schnell mit dem operativen Geschäft. Setzen Sie sich realistische Ziele, die Sie Schritt für Schritt erreichen können.

2. Kosten minimieren: Suchen Sie immer den günstigsten Weg bei akzeptabler Qualität – egal, ob es um die Anschaffung von Geräten, um Lager- und Büroräume oder die Wahl des Steuerberaters geht.

3. Kreative Geldbeschaffung: Übernehmen Sie Vertrieb oder Dienstleistungen, die Sie nebenbei abwickeln können, ohne Ihr Kerngeschäft zu vernachlässigen. Auch Teilzeitbeschäftigungen sind anfangs als Absicherung von Vorteil, bis das Unternehmen genügend Erträge für ein Einkommen abwirft.

4. Gewinne nutzen: Stecken Sie erwirtschaftete Gewinne in Ihr Unternehmen oder investieren Sie in größere Projekte.

5. Loyale Mitarbeiter: Alle Teammitglieder sollten die Gründungsidee und die Unternehmens­kultur mittragen und Verständnis für die finanziellen Grenzen haben.

6. Netzwerke pflegen: Manche Tätigkeiten können im eigenen Bekanntenkreis zum Freundschaftspreis abgedeckt werden. Zudem ist Mundpropaganda die beste Werbung und erspart mitunter teure Marketingkampagnen.

 

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