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Die Nadel im Heuhaufen

Von Alfred Bankhamer

Ein paar Tage nicht im Büro, und schon quillt die Inbox des E-Mail-Programms über. Je nachdem, wie gut der Spamfilter eingestellt ist, sind es einige Dutzend oder Hunderte E-Mails. Und das Volumen steigt stetig. Kein Wunder, denn laut dem Marktforscher IDC flitzen heuer rund 9,2 Billionen E-Mails durch die Netze. 2000 waren es »erst« 2,6 Billionen. Mit Beginn des elektronischen Zeitalters hat zugleich eine gigantische Datenflut eingesetzt. Einer Studie der Universität UC Berkeley zufolge wurden seit den ersten Zeichnungen in Steinhöhlen vor rund 42.000 Jahren bis zum Jahr 2003 rund 57 Milliarden Gigabyte Daten generiert. Davon allein drei Milliarden im Jahr 2000 und gar 24 Milliarden Gigabyte im Jahr 2003. Noch dazu sind rund achtzig Prozent dieser neu erstellten Daten unstrukturiert, also nicht einfach verwertbar. 92 Prozent davon werden auf elektronischen Medien wie Festplatten gespeichert. Das freut freilich die Hersteller von Speicher- und Datenmanagementlösungen, bereitet aber zugleich selbst schon kleineren Unternehmen Sorgen. Immerhin gehen laut Meta Group achtzig Prozent des gesamten Hardwarebudgets für das Speichern von Informationen drauf.

Kampf der Flut. Um nicht in der Datenflut unterzugehen, gibt es mittlerweile ein vielfältiges Angebot an Lösungen. Denn die Dokumentation und Archivierung digitaler Inhalte ist unbestritten eines der großen Themen der modernen Informationsgesellschaft. Das Ziel ist schlicht, die wichtigen Informationen genau dann rasch bei der Hand zu haben, wenn man sie braucht. Egal, ob es sich nun um Rechnungsbelege handelt oder Informationen zu einem Forschungsprojekt. Dabei sollen aber bei einer Stichwortsuche nicht unzählige Dokumente aufscheinen, sondern der Benutzer will aus dem Datenmeer gleich die wirklich gesuchte Information herausfischen. Das Dokument soll flott im Strom des Workflows fließen. Nur so kann ein Unternehmen effizient arbeiten.Um dies zu ermöglichen, müssen Dokumente zuvor richtig abgelegt, sicher archiviert, sinnvoll verknüpft und schließlich nutzbringend analysiert werden. »Dokumentenmanagement bedeutet nicht nur das Verschieben von A nach B, sondern das effiziente Bearbeiten von lebendigen Dokumenten«, betont Stefan Jaschke von der IBM Software Group. Der Aufwand, Projekte genau zu dokumentieren, ist zwar anfangs lästig, hilft aber bei Folgeprojekten enorm.

Aus Sicherheitsgründen muss freilich auch festgelegt werden, wer Zugang zu welchen Daten bekommen soll bzw. wer welche Daten wirklich benötigt. Das Selektieren der Daten ist eine Wissenschaft für sich. In der täglichen E-Mail-Flut ist nämlich erstaunlich wenig Müll enthalten. über 75 Prozent des Know-hows eines Unternehmens stecken laut einer Studie der Gartner Group in E-Mails und deren Anhängen. Eine weitere Tatsache ist, dass im Geschäftsalltag nicht wenige, darunter auch sehr wichtige, elektronische Notizen für immer verloren vergehen.

Vergängliche Medien. Was wüssten wir über Einstein und andere Geistesgrößen, wenn sie nicht unzählige Briefe und Notizen auf Papier geschrieben hätten? Das einst wichtigste und sehr beständige Speichermedium der Menschheit verliert im digitalen Zeitalter zunehmend an Bedeutung. Digitale Medien bergen aber einige Gefahren, wie schon viele Pioniere des digitalen Informationszeitalters feststellen mussten. So gibt es schon tonnenweise Speichermedien und unzählige Dokumente, die schlicht und einfach nicht mehr gelesen werden können. Darunter können sich auch wichtige Geschäfts- und Vertragsdokumente befinden.

Im Tagesgeschäft sollen die entsprechenden Informationen rasch am Tisch liegen. »Heute wird teils schon über die Hälfte der Arbeitszeit für das Suchen nach Informationen aufgewandt«, sagt Erich Hinterndorfer, Geschäftsführer des Dokumentenmanagementspezialisten Hummingbird. Perfekte Dokumentation verlangt auch der Trend zur Zusammenarbeit in Teams (Collaboration), die nicht selten über Kontinente verstreut sind. Oft sind an einem Projekt noch dazu mehrere Unternehmen und Institutionen beteiligt.

Begriffswirrwarr. Um die ständig wachsenden Datenberge meistern zu können, gibt es unzählige IT-Lösungen und noch mehr Fachbegriffe, die wiederum mehr zur Verwirrung als Aufklärung beitragen: Contentmanagement, Enterprise Content Management, Web Content Management, Dokumentenmanagement, Informationsmanagement, Knowledge Management und vieles mehr.

Selbst unter Sammelbegriffen wie Enterprise Content Management (ECM), die im weitesten Sinn das Handling aller Dokumente umfasst, verstehen Institutionen und Hersteller Unterschiedliches. Schließlich geht es dabei auch um die Essenz von Geschäften, um Informationen, Kommunikation und Wissen. Der Trend im Contentmanagement geht klar dahin, dass Daten zunehmend zentralisiert werden und mehr Wert auf die Datenqualität gelegt wird.

»Es sollte nicht ein Datenmeer ohne Nutzen entstehen«, warnt Richard Pircher, Experte für Wissens- und Informationsmanagement an der Donau-Universität Krems, »die Daten müssen zum Beispiel auch von einem Callcenteragenten richtig erfasst werden.« Nur so kann aus Daten auch wertvolles Wissen werden. Der Aufbau von ECM umfasst meist folgende Schritte: zuerst die Mail-Archivierung, dann die Behandlung des Dokumentenflusses von lebenden Dokumenten, die Anbindung an ERP-Systeme und Datenbanken. Ziel ist dabei ein zentrales Repository, das den Zugriff auf die Daten aller Systeme erlaubt. Mit dieser Infrastruktur sind wirklich Funktionen wie die gezielte Suche, Collaboration und Wissensmanagement möglich.

Verborgenes Wissen. Der oft zitierte Spruch »Wenn Siemens wüsste, was Siemens weiß« zeigt schon das Dilemma großer Konzerne und Organisationen. »Es existiert sehr viel Wissen, die Frage ist nur, wie man daran herankommt. Das hat man noch nicht wirklich im Griff«, meint EMC-Geschäftsführer Martin Rajsp. Die Heilmittel dagegen nennen sich ECM (Enterprise Content Management) und Wissensmanagement. EMC, bekannt als einer der größten Anbieter von Speichersystemen, hat sich das Software-Know-how vor zwei Jahren durch die übernahme des ECM-Spezialisten Documentum ins Haus geholt. Ziel ist das Management der Daten von der Wiege bis zur Bahre. Die Stichworte dazu: Information Lifecycle Management. Was gemeint ist: die Klassifizierung von Daten (von sehr kritisch bis belanglos) und das zugehörige Regelwerk zum Speichern und Löschen.

Unternehmensweites Dokumentenmanagement. Lösungen zum Thema DMS und ECM bieten eine Reihe von IT-Häusern wie beispielsweise IBM, EMC, Hummingbird, Data Systems Austria, Hyperwave, Open Text, FileNet, Saperion, Stellent oder H&S Heilig und Schubert Software an. Vor allem große Konzerne arbeiten schon lange daran, der Datenflut Herr zu werden, durch die oft Abermillionen Euro sinnlos versenkt werden. Auf der anderen Seite lassen sich selbst aus scheinbar wenig nützlichen Daten wichtige Informationen gewinnen. Durch das Verknüpfen von Daten können außergewöhnliche Vorfälle, Anhäufungen von Wörtern etc. mit anderen Daten verglichen werden. Zusammenhänge, die einem bislang verborgen blieben, zeigen sich auf einmal. Aus Daten werden Informationen, die in einem weiteren Schritt zu wertvollem Wissen werden können. Wer etwa psychologische Muster im Einkaufsverhalten entdeckt, kann damit gute Geschäfte machen. Branchen wie der Handel haben das Contentmanagement längst für sich entdeckt.

Knowledge Worker. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Erhaltung des Wissens im Unternehmen. »Wissen kann schon in Dokumenten erfasst sein - oder es ist ausschließlich in den Köpfen der Mitarbeiter vorhanden«, erklärt Richard Pircher. Wenn wichtige Schlüsselpersonen ein Unternehmen verlassen, führt das nicht selten zu kritischen Situationen. Und am neuesten Stand sind klarerweise nur die mit einem Projekt oder Thema beschäftigten Personen. Und von diesen Experten kann man auch gleich, ohne lange recherchieren zu müssen, die gesuchte Information bekommen. Neben Wissensdatenbanken sind deshalb auch Expertendatenbanken sinnvoll. Freilich gehört dazu eine entsprechende Organisations- und Firmenkultur. In Unternehmen, wo Druck und Angst vorherrschen, kann keine Mitteilsamkeit und Offenheit der »Knowledge Workers« verlangt werden. Der große Vorteil von Expertendatenbanken: Sie sind leicht anzulegen und auch für KMU leistbar.

Thema für den Mittelstand. ECM und Knowledge Management waren einst nur für größere Unternehmen ein Thema. Nun fassen die Lösungen zunehmend im Mittelstand Fuß. »Die Zeiten, in denen etwa ein Unternehmer alles gewusst hat, sind vorbei«, betont Andreas Brandner, Geschäftsführer Knowledge Management Association. Der Experte ist überzeugt, dass KMU spätestens in fünf Jahren mit ähnlichen Systemen arbeiten werden wie internationale Konzerne. Selbst bei Handwerkern verdrängt die digitale Datenerfassung langsam die Zettelwirtschaft. Vom PDA direkt in die ERP-Branchenlösung: Erst so können die Vorteile vollautomatischer IT-gestützter Prozesse genützt werden. Besonders KMU leben heute von ihrem spezialisierten Wissen. Damit werden selbst die Mitarbeiter in kleinen Unternehmen zu wichtigen »Knowledge Workers«, die exklusiv über einen Bereich Bescheid wissen. Seitens der IT können dies Wissensmanagementplattformen und Collaborationtools unterstützen. Die Kultur zu dieser Art selbstständigen, eigenverantwortlichen Arbeiten muss aber auch gelebt werden. »Nur irgendwelche Lösungen zu kaufen, reicht jedenfalls nicht«, warnt Brandner.

In KMU geht es heute freilich noch nicht um große, allumfassende Wissensmanagementlösungen, sondern um wichtige Detaillösungen. Das zeigt sich beispielsweise bei der Vamed Engineering, die von Wien aus mittlerweile schon in der ganzen Welt Krankenhäuser errichtet. Ob nach Malaysia, Gabun oder China, die Dokumente, Aufträge, Rechnungen oder Lieferscheine müssen dazu über die ganze Welt verschickt werden. Und das funktionierte früher nicht immer reibungslos. Deshalb sollten die Projektleiter vor Ort direkt eingebunden werden. Gewählt wurde die Dokumentenmanagementlösung JET DMS von Data Systems Austria. Damit können nun über ein Webportal alle Aufträge, Lieferscheine, Garantiepapiere und Rechnung in der ganzen Welt abgerufen werden. Zuvor wird freilich alles zentral in der Buchhaltung eingescannt. Das mühsame Kramen in Papierordnern ist damit Vergangenheit. »Wir haben im Bereich DMS schon rund 150 Kunden im Mittelstand«, sagt Christine Hofmann, Marketingleiterin bei Data Systems Austria, »besonders gefragt sind Lösungen, die das Rechnungswesen integrieren.«

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