Gehaltsniveau wie vor vier Jahren
- Written by Redaktion_Report
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Wie 59 weitere Kollegen musste er vor wenigen Wochen seinen hoch dotierten Arbeitsplatz räumen, was blieb, sind die laufenden Kosten für die Miete der noblen Herberge und den Leasingvertrag für den Italiener. Er teilt damit das Schicksal von inzwischen weltweit über hunderttausend ehemaligen IT-Fachkräften, für die Weihnachten heuer eine ganz besondere Bescherung ist.
Kein Bessserung in Sicht. Geht es nach Jean-François Jenewein vom gleichnamigen Personalberater, dann stehen zwar die Chancen auf einen neuen Job für Gerhard Huber gut, doch seine finanziellen Probleme wird dies nur bedingt lösen. Jenewein: "Für hoch qualifizierte Fachkräfte gibt es immer noch eine hohe Nachfrage, doch nach den sehr hohen Gehältern während des Branchenhypes ist inzwischen wieder ein Gehaltsniveau wie vor vier Jahren erreicht worden.“ Und das wird sich seiner Ansicht nach auch in den nächsten sechs Monaten nicht ändern.
Hoffnungen, dass der Aufbau des UMTS-Netzes der Rettungsanker für zahlreiche Gekündigte wird, dürften sich nicht bewahrheiten. Irene Mörtl, Human Ressource-Managerin bei dem künftigen UMTS-Anbieter 3G Mobile, lässt jedenfalls wenig Illusionen aufkommen: "Wenn die TK Firmen Mitarbeiter kündigen, sind es meist nicht die Besten, somit hat diese Kündigungswelle für uns konkret keine Relevanz.“ Einigen Spitzenkräften hat die heimische UMTS-Mobilfunktochter der spanischen Telefónica zwar einen Job angeboten, die befanden sich jedoch alle in einem bestehenden Dienstverhältnis, so Mörtl.
"Kein Grund zur Panik“. Und auch von Seiten des Staates dürfen sich die Arbeitslosen nicht viel erwarten. Laut einer Umfrage der Robert Fitzthum Management Consulting halten nur sechs Prozent der befragten Unternehmen das AMS für geeignet, den Bedarf an Arbeitskräften zu decken (siehe Infobox "Schlechte Noten für Regierung“). Beim AMS glaubt man hingegen nicht an eine schlechte Betreuung der Arbeitssuchenden. Vielmehr sei das Arbeitslosenproblem in dieser Branche noch nicht wirklich aufgetreten. Maria Hofbauer von der Akademikerbetreuung des AMS: "Dass sich bei uns noch kaum arbeitslose IT-Fachkräfte gemeldet haben, kann auch daran liegen, dass viele Bereiche outgesourct wurden, wodurch zwar offiziell ihr Job weg war, aber sie dann eben in dem ausgelagerten Unternehmen untergekommen sind.“ Einen Grund zur Panik sieht Hofstätter jedenfalls nicht, auch soll sich kein Maturant davon abhalten lassen, Informatik zu studieren.
Auch Kurt Grill vom Personalberater Hill International merkt die Auswirkungen der Kündigungswelle noch nicht, geht aber davon aus, dass sich dies in den nächsten Wochen ändern werde. Besonders schwierig dürfte es künftig sein, Techniker zu vermitteln, weil die "eher unflexibel sind“, so Grill. Ein Blick in die Stellenangebote des AMS zeigt jedenfalls, dass IT-Kräfte kaum gesucht werden; Kassierinnen sind da schon viel eher gefragt.
Verwaiste Inseratenseiten. Gleiches spiegelt sich auch auf den Inseratenseiten der Tageszeitungen wider. Noch vor ein paar Monaten wurden die Stelleninserate von Angeboten der ITK-Branche dominiert, inzwischen ist es laut Robert Fitzthum Management Consulting zu einer Reduktion der Anzeigen um 20 Prozent gekommen. Der Bedarf für EDV-Organisatoren ging um 40 Prozent zurück, für EDV-Leiter um 41 Prozent, für Netzwerk-Spezialisten um 41 Prozent und für Content-Manager um 40 Prozent.
Und auch die Sektion Industrie in der WKö wartet mit schlechten Zahlen auf: für heuer prognostiziert sie um zwei bis drei Prozent weniger Stellen. Bei rund 44.000 Industriebeschäftigten wäre dies ein Minus von 1200 bis 1300 Beschäftigten. Der Aufschwung werde sich möglicherweise sogar bis Ende 2002 verzögern, so der stellvertretende Syndikus Manfred Engelmann. Allerdings versuchten viele Unternehmen, ihren Personalstand zu halten, um qualifiziertes Personal nicht zu verlieren, glaubt Engelmann. Bleibt nur zu hoffen, dass er mit dieser Prognose besser liegt wie mit seiner Einschätzung der allgemeinen Wirtschaftslage, denn laut dem Kämmerer besteht nicht die Gefahr einer Rezession.
Dass seine Voraussage zu positiv sein könnte, zeigt ein Blick in das Mekka der IT-Branche. Im Silicon Valley wuchs die Arbeitslosenrate im September doppelt so schnell wie in anderen Gebieten der USA. Noch vor einem Jahr lag sie bei 1,8, nun bei 5,9 Prozent. Dies ist die höchste Quote der vergangenen sieben Jahre. Besonders betroffen sind die Bereiche Softwareentwicklung und Datenverarbeitung.
Und auch eine geschlechtsspezifische Variante hat die Kündigungswelle. Denn gerade in der ITK-Branche haben die Frauen stark aufgeholt, und dieser Aufwärtstrend wird nun gebremst. Laut einer IDC-Studie im Auftrag von Cisco waren im vergangenen Jahr 42.000 Frauen in der Netzwerkbranche beschäftigt; 2004 sollen es dann zwar 94.000 sein, was aber nur knapp acht Prozent der gesamten Mitarbeiterzahl in dieser Branche entspricht. Detail am Rande: Dabei handelt es sich um eine internationale Studie; in österreich ist der Prozentsatz weiblicher Mitarbeiter noch bei weitem geringer, laut IDC ist österreich hier sogar das Schlusslicht.
Und das wird sich auch so bald nicht ändern, wie ein Blick in die Schülerstatisttik zeigt. Von den derzeit 8400 Schülern und Studenten, die in Oberösterreich eine HTL oder technische Fachhochschule besuchen, sind gerade einmal knapp 750 Frauen.
Obwohl die Prognosen alles andere als rosig sind, herrscht hierzulande noch immer eine geradezu beeindruckende Gelassenheit. Kein lauter Aufschrei der Gewerkschaft, keine Sondersitzungen der Regierung, ja nicht einmal ein Trommelfeuer der Opposition. Zur Erinnerung: als das Semperit-Reifenwerk in Traiskirchen geschlossen werden sollte, hatte dies tagelang die Schlagzeilen beherrscht und die heimische Politführung ist sogar zur Mutter Continental gepilgert, um die Volksseele zu beruhigen.
Das mag sicher auch damit zu tun haben, dass - abgesehen von der Telekom Austria - nur die wenigsten ITK-Mitarbeiter gewerkschaftlich organisiert sind. In den Boomzeiten galt es geradezu als "Beamtenmentalität“, sich gewerkschaftlich zusammenzuschließen. Erschwert wurde dies zusätzlich durch die zahlreichen freien Dienstverträge, die in vielen Start-Ups die Gründung eines Betriebsrates unmöglich machten. Dass es aber auch anders kommen kann, beweist das Beispiel Moulinex. Dort drohten Mitarbeiter mit der Sprengung der Fabrik, sollte der massive Personalabbau nicht zurückgenommen werden. Die Lage eskalierte so weit, dass dann auch ein Teil des Geländes in Brand gesteckt wurde.
Gewerkschaft launcht eigene IT-Plattform. In österreich hat der öGB inzwischen reagiert. Alfred Ackerbauer, zuständig für den neuen Wirtschaftsbereich "Kommunikation“ bei der GPA: "Wir haben unter www.interesse.at eine Plattform für IT-Beschäftigte gegründet, auf der sich auch Nicht-Gewerkschafts-Mitglieder über ihre Rechte informieren können.“ Dies sei nicht zuletzt deshalb erfolgt, weil in den letzten Wochen die Zahl der Anfragen von IT-Fachkräften sprunghaft in die Höhe geschnellt sei. Ackerbauer: "Wir bemerken eindeutig einen Stimmungswechsel. Das zeigt sich daran, dass in den IT- und Telekomunternehmen verstärkt Betriebsräte gewählt werden.“ Trotz der ernüchternden Zahlen wäre es jedoch falsch, von einer herzlosen Kündigungsmaschine zu sprechen. Während sich bei zahlreichen Old Economy-Betrieben der Letztkontakt auf die übergabe des blauen Briefes beschränkt, waren sich die ITK-Firmen sehr wohl bewusst, dass der gekündigte Mitarbeiter bald ein wertvoller Kunde sein könnte.
Ein positives Beispiel dafür ist die UTA, die von Ende 2000 bis Ende des heurigen Jahres 226 Vollzeit-Arbeitskräfte abgebaut hat. Ex-UTA-Mitarbeiterin Karin Meier (Name v. d. Red. geändert): "Mir wurde neben einem Sozialplan auch eine kostenlose Schulung und eine Ist-Analyse durch einen Personalberater angeboten. Der Verlust des Arbeitsplatzes schmerzt zwar, aber so habe ich zumindest das Gefühl, nicht einfach entsorgt worden zu sein.“ Laut UTA-Sprecher Martin Halama sieht der Sozialplan eine Punkteregelung vor, wobei Frauen, ältere Mitarbeiter und Alleinverdiener mit mehr Punkten und daher mehr Geld berücksichtigt wurden. Halama: "Zuerst haben wir intern versucht, frei werdende Stellen zu besetzen. So arbeitet in meiner Abteilung nun eine Mitarbeitern, die vorher im Einkauf tätig war. Mit allen anderen haben wir eine einvernehmliche Lösung gesucht, die wir bis auf einen Fall überall erreicht haben.“
Für alle, die sich zum Jahreswechsel einen neuen Arbeitgeber suchen müssen, hat Jean-François Jenewein noch einen Rat parat: "Wer seinen Job verliert, sollte sich überlegen, ob er nicht in die Selbständigkeit wechselt. Ebenfalls überlegenswert wäre ein Job im Verkaufsbereich, der in österreich noch immer einen zu geringen Stellenwert hat.“