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"Wir wollen nicht warten, bis es wirklich dunkel wird"

"Wir wollen nicht warten, bis es wirklich dunkel wird"

Brigitte Ederer ist Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit und fordert – inmitten des Marktumbruchs der Energiewende – eine Anpassung des rechtlichen Rahmens für Netzbetreiber.

(+) plus: Frau Ederer, Sie sind im Vorjahr als Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit angetreten. Was ist Ihre Mission?

Brigitte Ederer: Ich beschäftigte mich schon seit vielen Jahren mit den Fragen zu Infrastruktur und Versorgungssicherheit in Österreich und welche Rahmenbedingungen dafür notwendig sind. Der Verein Forum Versorgungssicherheit ist an mich herangetreten und hat mich eingeladen, diese Themen als Präsidentin und Sprecherin in die Öffentlichkeit zu tragen – was ich gerne tue.

Vielen ist nicht bewusst, wie knapp wir in der Vergangenheit, wie zum Beispiel im letzten Jahr im Jänner, an großflächigeren Netzausfällen vorbeigeschrammt sind. Wenn es aber keinen Strom gibt, dann geht in der Wirtschaft und Gesellschaft gar nichts mehr. Uns ist wichtig, dass in einer Zeit großer Veränderungen durch den Ausbau erneuerbarer Energiesysteme trotzdem Versorgungssicherheit gewährleistet wird. Denn eine gut funktionierende Infrastruktur ist auch gut für den Wirtschaftsstandort.

(+) plus: Die Versorgungssicherheit bei Strom ist in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern bereits relativ hoch. Wovor sollte man sich fürchten?

Ederer: Ja, es geht gut – aber eben gerade noch. Auch wenn wir im europäischen Vergleich eine hohe Versorgungssicherheit vorweisen, kommen wir technisch gesehen immer öfter in Grenzsituationen, in denen wir ein Blackout nur knapp vermeiden können.

Mit dem fortschreitenden Ausbau der Erneuerbaren müssen die Netzbetreiber immer öfter eingreifen und entsprechend reagieren. Die Energiewende ist eigentlich auch eine Netzwende. Gab es früher wenige Großkraftwerke, die zentral Strom ins Netz einspeisten, stehen die Betreiber heute vor ganz anderen Anforderungen. Eine dezentrale Energieproduktion mit Erneuerbaren wie Wind- und Solarkraft weist wetterbedingte Schwankungen auf. Ob gerade die Sonne scheint oder wir eine sogenannte Dunkel­flaute haben, hat Auswirkungen auf die Netze. Hier braucht es Erzeugungskapazitäten, die bei Netzspitzen zugeschaltet werden können.

Die Tendenz in diese Richtung wird in den nächsten Jahren bleiben. Im Jahr 2016 gab es rund 16.000 Unterbrechungen in der Stromversorgung in Österreich. Wir wollen aber nicht warten, bis es wirklich dunkel wird, sondern schon vorher gegensteuern.

(+) plus: Was soll sich bei den Rahmenbedingungen dazu ändern? Was fordern Sie?

Ederer: Nachdem wir uns bei den Strom- und Gasnetzen in einem streng regulierten Marktbereich befinden, brauchen wir eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Hier geht es etwa um eine Möglichkeit für Netzbetreiber, selbst Strom speichern zu können – dies dezidiert nicht, um Strom zu handeln, sondern um die Verletzbarkeit des Netzes reduzieren zu können. Dann sollte man sich dringend überlegen, ob eine Bereitstellung eines Kraftwerks für den Fall eines kurzfristigen Einsatzes nicht auch als Inves­tition für die Netzsicherheit gelten sollte. Und wenn wir das Pariser Klimaabkommen ernst nehmen wollen, muss auch die Einspeisung von »grünem« Gas, das mittels Power-to-Gas-Verfahren aus überschüssigem Strom produziert wird, erleichtert werden. Punkte wie diese wollen wir in den nächsten Monaten mit der Politik klären und hier aktiv arbeiten.

(+) plus: Im Regierungsprogramm werden schon Themen wie etwa Hybridnetze angesprochen, in denen sektorübergreifend Energie transportiert und gespeichert werden könnte.

Ederer: Es gibt schon einige vielversprechende Überschriften, konkrete Ausformulierungen für ein Funktionieren in der Praxis fehlen aber noch. So ist generell auch die netzdienliche Speicherung nicht geregelt. Im sogenannten Winterpaket der EU ist diese Möglichkeit für die Netzbetreiber sogar explizit ausgenommen.

Oft sind bei völlig neuen Themen aber auch die technischen Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit unklar. Jede kleine Idee kann Auswirkungen auf den gesamten Markt haben und benötigt mitunter neue Lösungen oder weitere Forschung. Kommt eine vielversprechende Lösung auf, stehen die Netzbetreiber dann trotzdem noch vor den Fragen: Dürfen wir es rechtlich gesehen überhaupt betreiben? Und wie dürfen die Investitionen und laufenden Kosten weiterverrechnet werden?

(+) plus: Die Energie- und Wasserversorgung ist in Österreich mehrheitlich in öffentlicher Hand. Sehen Sie diese Eigentümerschaft als Garant für Investitionen und Qualität in die Netze?

Ederer: Ich halte diese Frage für sehr wichtig. Wir haben es in diesem Bereich, wo es um Abschreibungen von Investitionen von Jahrzehnten geht, mit sehr speziellen Marktmechanismen zu tun. Hier geht es nicht um das schnelle Geld. Versorgungssicherheit ist eine Sicherheit, die alle betrifft – nicht nur eine kleine Gruppe. Daher muss auch eine Volkswirtschaft im Gesamten ein Interesse an einer direkten Einflussnahme auf eine derart wichtige Infrastruktur haben. Dass geht mit Sicherheit über einzelne parteipolitische Interessen hinaus.

(+) plus: Durch den Smart-Meter-Ausbau und die Digitalisierung in den Netzen wird doch auch ein Einfallstor für Cyberattacken geöffnet. Wie sieht es mit der Sicherheit von Energieinfrastruktur in Zukunft aus?

Ederer: IT ist niemals hundertprozentig sicher, aber diese Sicherheit hat es auch früher nicht gegeben. Die Betreiber gehen hier sehr verantwortungsvoll mit der Technik um und wir hatten bislang keine Sicherheitsvorfälle, wie man sie aus anderen Branchen kennt. Die Systeme für die Netzsteuerung sind die Kronjuwelen der Netzbetreiber und entsprechend abgesichert. Auch die Smart Meter sind nicht über ein öffentlich zugängliches Netz ansteuerbar. Für die Netzbetreiber ist IT-Sicherheit das oberste Gut.

Auf der Ebene der Privatsphäre gilt es, so wie bisher weiterhin sorgsam mit Kundendaten umzugehen. Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts – dies gilt auch für die Energiewirtschaft. Dennoch müssen sich die Strom- und Gaskunden in Österreich keine Sorge um den Missbrauch privater Daten machen. Mich hat es fast überrascht, wie streng die Unternehmen der Energiebranche das Thema Datenschutz handhaben.

Ich gebe Ihnen schon recht, dass es immer Menschen geben wird, die alles versuchen, um aus Sicherheitslücken Kapital zu schlagen. Meine Antwort darauf ist: Sie müssen die klügsten Köpfe haben und den Angreifern immer einen Schritt voraus sein – ob das nun ein Rechenzentrum ist oder eine Leitstelle eines Netzbetreibers. Die Besten der Besten zu haben und diese auch halten zu können, schlägt sich natürlich auch auf die Kosten für die Netzsicherheit nieder. Aber anders geht es nicht mehr.n

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