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Gleich zu Beginn läuft einiges schief

Ulrike Sabathy: Unmittelbar mit der Jobzusage startet der Beziehungsaufbau – egal wann der Arbeitsantritt erfolgt. Ulrike Sabathy: Unmittelbar mit der Jobzusage startet der Beziehungsaufbau – egal wann der Arbeitsantritt erfolgt.

Für neue Mitarbeiter ist nicht alles selbstverständlich. Auch Kleinigkeiten müssen kommuniziert werden, meint Unternehmensberaterin Ulrike Sabathy.

(+) plus: Woran liegt es, dass viele Mitarbeiter schon im ersten Jahr kündigen?
Ulrike Sabathy:
Das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Oft werden Erwartungen nicht erfüllt. Die Bewerber haben ein falsches Bild, auch weil sich die Unternehmen etwas beschönigend darstellen. Aber auch im Onboarding passieren Fehler. Die Mitarbeiter werden zu wenig durch diese erste Phase gelenkt. Es wird nicht ausreichend darauf geachtet, Enttäuschungen und innere Kündigungen präventiv abzufangen. Wenn Unternehmen und Mitarbeiter wirklich nicht zusammenpassen, ist eine frühe Trennung natürlich besser. Aber meiner Erfahrung nach würde es oft sehr wohl passen, nur läuft gleich zu Beginn einiges schief – oft nur durch fehlende Kommunikation.

(+) plus: Welche Mitarbeiter sind es, die vorzeitig gehen?
Sabathy:
Ich sehe das speziell bei zwei Altersklassen. Unter den Jungen gibt es schon viele, denen Umfeld und Werte wichtiger sind als Geld. Wenn ihnen die Unternehmenskultur nicht behagt, gehen sie. Überraschenderweise zeigt sich das auch in der Gruppe 45+. In diesem Lebensabschnitt weiß man klarer, was man möchte. Obwohl die finanzielle Situation manchmal schon etwas angespannt ist und sie nicht mehr so leicht einen Job bekommen, sind in dieser Generation einige sogar bereit, ihre Existenz zu riskieren.

(+) plus: Kommt Onboarding im Vergleich zu den Aufwänden für das
Recruiting zu kurz?
Sabathy:
Ja, speziell bei Klein- und Mittelunternehmen. In den großen Unternehmen wird Onboarding meist schon sehr gut gelebt. Betriebe bis 100 MitarbeiterInnen haben oft keine eigene Personalabteilung, da betreut die Geschäftsführung die Personalagenden nebenbei mit. Beim Onboarding geht es vor allem darum, wer welche Informationen an den neuen Mitarbeiter weitergibt. Dabei wird oft auf ganz simple Dinge vergessen: zum Beispiel, dass in der Pause die Terrasse benützt werden darf oder im Fall eines Krankenstandes Herr XY informiert werden muss. Gerade in Familienunternehmen werden diese vielen Kleinigkeiten nicht erwähnt, weil es allen selbstverständlich erscheint. Alle sind so nett und wir verstehen uns so gut – aber für einen neu Hinzukommenden ist nicht alles logisch.

(+) plus: Welche Fehler passieren am häufigsten?
Sabathy:
Die größten Hoppalas sind Banalitäten: Die Mitarbeiter haben am ersten Arbeitstag kein Passwort für den Computer oder die persönliche Schutzausrüstung steht nicht bereit. Man darf das nicht unterschätzen, es belastet und erzeugt Stress.

(+) plus: Wann sollte das Onboarding beginnen?
Sabathy:
Die Vorbereitung sollte bereits im Recruiting mit der gezielten Abfrage von Informationen, welche im Onboarding-Prozess wichtig sein können, beginnen. Unmittelbar mit der Jobzusage startet der Beziehungsaufbau – egal ob der Arbeitsantritt am nächsten Montag oder erst in drei Monaten erfolgt. Gerade wenn der erste Tag noch weit entfernt liegt, ist das eine sehr wertvolle Zeit, in der ich den Mitarbeiter schon motivieren kann. Allerdings sollte nichts vorgespielt werden, sonst ist die Enttäuschung groß, wenn der Mitarbeiter sieht, dass die schönen Werte nur auf dem Papier bestehen.

(+) plus: Ist ein Einarbeitungsplan notwendig?
Sabathy:
Das Onboarding sollte systematisch und strukturiert ablaufen. Aber: Strukturierte Prozesse haben oft das Problem, dass sie keine Flexibilität zulassen. Die Integrationsfortschritte sollten ja regelmäßig evaluiert werden und die Möglichkeit zur individuellen Gestaltung geben. Sind ab der zweiten Woche zum Beispiel Schnuppertage in Form von Jobrotation in den einzelnen Abteilungen geplant und es zeigen sich plötzlich fachliche Defizite, welche dringend auszugleichen sind, muss man umplanen und die Jobrotation eben verschieben.

(+) plus: Wie bewähren sich »Paten« als Begleitung?
Sabathy:
Sehr gut, allerdings kommt jetzt wieder ein Aber: Es muss gut überlegt sein, wer als Mentor ausgewählt wird. Es kann eine Führungskraft sein, aber es sollte auch jemand sein, der die Rituale, die No-Gos und die Persönlichkeit des Unternehmens auf Augenhöhe vermittelt. Man nimmt oft jemanden, der am ehesten entbehrlich ist, etwa Praktikanten oder Lehrlinge. Diese Person prägt den neuen Mitarbeiter. Eine demotivierte, negative Haltung wird übertragen. Der Mentor sollte ein Gespür für Menschen haben und wertschätzend mit dem Unternehmen und den Kollegen umgehen.

(+) plus: Fällt die Eingliederung in Firmen mit lebendiger Unternehmenskultur leichter?
Sabathy:
Es ist schon eine Frage der Unternehmenskultur, aber man darf nicht davon ausgehen, dass ein Mitarbeiter alles Lebendige auch richtig interpretiert. Man muss Leitbilder auch kommunizieren. Ich habe erst kürzlich erlebt, dass in der Eingangshalle zwar schön formulierte Sätze aushängen, aber selbst die Führungskräfte nicht wissen, was eigentlich damit gemeint ist. Viele Projekte bleiben Insellösungen. Beim Onboarding tut das besonders weh.

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