Vertrauen ist gut, Kontrolle besser?
- Written by Susanne Schwanzer, Herbert Strobl und Peter Fellner
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Angela Merkels Handy wurde überwacht. Lange unentdeckt, weil nach allen Regeln der Kunst bzw. der Technik vorgegangen wurde. State-of-the-art, sozusagen. Schließlich aufgeflogen, registrierten die Seismografen der Diplomatie und Politik ziemliche Erschütterungen im an sich freundschaftlichen Gefüge zweier Bündnispartner. Schockwellen, die bis heute andauern.
Und was hat das mit Firmenkultur zu tun? Vieles! Heute laufen wir alle mit Laptops und Smartphones »bewaffnet« herum. Ein rasanter Fortschritt hat in weniger als einer Generation unglaubliche Dinge möglich gemacht. Leider ist unser limbisches System im Gehirn, das u.a. für Emotionen zuständig ist, eine andere Entwicklungstaktung gewohnt. Zugehörigkeit bedeutet Schutz und Sicherheit, vertrauensvolles Miteinander wird möglich. Während der Aufbau von Vertrauen viel Zeit braucht, ist es binnen Sekunden zerstört. Vertrauen ist der Kitt, der soziale Interaktion und eigenständige Zusammenarbeit in jeder Organisationsform erst möglich macht. Damit ist Vertrauen eine Art natürlicher Kontrapunkt zu Kontrolle. »Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!«, meinte Lenin, als er den Zusammenhang »sowjetisch« interpretierte. Nur, wo ist heute die Sowjetunion?
Technisch ist heute fast jede Art von Überwachung und Kontrolle möglich. Man könnte überspitzt auch von einer Fortsetzung des Taylorismus mit raffinierteren Mitteln sprechen. Der Amerikaner Frederick Taylor beschäftigte sich um 1900 damit, wie man Mitarbeiter detailliert instruieren und kontrollieren könne, um die Produktion zu optimieren. Henry Fords Fließbandfabriken basierten auf diesen Überlegungen. Hand in Hand damit ging auch eine komplette Verdinglichung des Produktionsfaktors Arbeit, bei dem eigenständiges Denken und Handeln nichts zählte. Die Grundhaltung war Misstrauen und das zentrale menschliche Bedürfnis nach sinnstiftendem Arbeiten wurde nicht einmal ignoriert.
Dem gegenüber ist die Welt heute komplex geworden. Die Summe aller Einflussfaktoren ist so gestiegen, dass eine vollständige Überschaubarkeit der Zusammenhänge nicht mehr möglich ist. Gemessen wird immer noch der leicht fassliche Inputfaktor Zeit, obwohl der bezahlte Output etwa eine kreative Lösung für einen Kunden ist. In Dienstleistungsgesellschaften funktionieren das gewohnte Ursache-Wirkung-Denken und seine Messkriterien immer weniger. Damit wird die technische Aufrüstung zur gesteigerten Wirksamkeit der Kontrolle zur Themenverfehlung per se. Überwachung kann nur einen »Druckzustand« kontrollieren und ist in vielen Bereichen keine passende Antwort auf steigende Komplexität. Heute sind die »Buzzwords« Selbstorganisationsfähigkeit, Schnelligkeit durch weitgehende Autonomie und unternehmerisches Denken auch bei den Mitarbeitern. Das Wort »Fortschritt« sagt nur, dass wir voran schreiten, aber es sagt nicht, in welche Richtung wir gehen. Wie wohl Angela und Barack zukünftig mit dem Thema Vertrauen umgehen werden?
Die Autoren
Susanne Schwanzer, Peter Fellner, und Herbert Strobl sind Gründer und Seniorpartner von CorporateCultureConsulting. Sie beraten Unternehmen dabei, strategische und operative Ziele unter Beachtung oder durch Gestaltung einer bestehenden Unternehmenskultur überdurchschnittlich und nachhaltig zu erreichen.
www.corporatecultureconsulting.eu