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Morgen, schon heute

Von Rainer Sigl

ubschrauber, Mondfahrten, U-Boote: Das ist die Science-Fiction von vorgestern. Als Jules Verne Ende des 19. Jahrhunderts seine, wie er sie selbst nannte, »wissenschaftlich belehrenden Romane« verfasste, schüttelten die Zeitgenossen noch ungläubig die Köpfe. Roboter, Gentechnik, weltweite Informationsnetze: Das ist die Science-Fiction von gestern, die in rasender Geschwindigkeit erst in den letzten Jahren Gestalt annahm. Es ist aber trotzdem ein Missverständnis, die SF nur am Eintreffen ihrer Vorhersagen zu messen: Interstellare Reisen, endlose saubere Energiequellen oder der tausendfach herbeifabulierte Kontakt mit Außerirdischen sind heute noch so weit entfernt wie eh und je. Eigentlich logisch: Wie jede Form der Kunst sagt auch die SF eigentlich wenig über die Zukunft, aber viel über die Zeit ihres Entstehens aus.

Ausblicke. Es ist aber kein Zufall, dass im weltweit renommiertesten US-Wissenschaftsjournal nature seit Jahren in fast jeder Ausgabe eine kurze Science-Fiction-Story erscheint. Die Autoren sind namhafte SF-Autoren, aber auch renommierte Wissenschafter, die in diesen Kurzgeschichten ihr Fachwissen auf ein mögliches Morgen extrapolieren. Tatsächlich verschwinden die Grenzen zwischen »Big Science«, also der quasi industriell betriebenen Form der Wissenschaft, und Science­-Fiction immer mehr: Hans Moravec etwa, einer der weltweit führenden Forscher und Wissenschafter auf dem Gebiet der Robotik, beschreibt in seinen wissenschaftlichen Ausblicken, etwa seinem Sachbuch »Mind Children. Der Wettlauf zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz« (Hamburg 2001), wie eine mögliche Weiterentwicklung künstlicher Intelligenzen unser aller Leben verändern könnte - »Science-Fiction«, also »Wissenschaftserzählung« im eigentlichen Sinn. Und natürlich ist es eben die Welt der immer schneller voranschreitenden Wissenschaft, die die Fantasie der SF-Autoren beflügelt, ihre Spekulationen über die mögliche Zukunft abzugeben.

Austausch. Was die Werke von Science-Fiction-Autoren aber von den inspirierten Ausblicken ihrer Kollegen in Wissenschaft und Forschung abhebt, ist die jeweilige Anwendung dieser möglichen Zukünfte auf Einzelne und Gesellschaften. George Orwells Dystopie »1984« verlegte die zu seiner Zeit bestehenden Repressionsmaßnahmen des stalinistischen Kommunismus in eine Welt in vermeintlich ferner Zukunft. Mit seinem Bild vom »Big Broth­er« steht heute Kritikern vor allzu eifriger überwachung ein mächtiges Schlagwort zur Verfügung, das als plakative Warnung seinen Zweck noch immer erfüllt. Gute Science-Fiction steht somit in ständigem Austausch mit der Wissenschaft und der Gesellschaft; sie denkt aktuelle, reale Wissenschaft weiter, inspiriert ihrerseits Technik und Forschung und weist auf die möglichen Folgen hin - keine geringe Leistung in Anbetracht des geringen Ansehens, mit dem sie, trotz - oder wegen? - aller Markterfolge konfrontiert ist.

Wie die Zukunft im Lichte aktueller Wissenschaft aussehen könnte, wird vielfach erforscht: in Labors und Universitäten - aber auch in der Literatur. Welche Zukunftsaussichten namhafte aktuelle Autoren der SF zeichnen, wird an dieser Stelle auch in den kommenden Ausgaben Thema bleiben. Die Zukunft bleibt spannend.

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