Food-Styles
- Written by Redaktion_Report
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Vor diesem Hintergrund lassen sich auch die kulinarischen Auswirkungen des Megatrends der Neo-ökologie festmachen. Seit selbst die Diskonter in ihrem Sortiment auf ökologische Lebensmittel setzen, reicht das Bio-Mascherl zur Differenzierung vom Mitbewerb nicht mehr aus. Ein neu entstandenes Ethik-Bewusstsein hat den Blick auf das Essen nachhaltig verändert. Fair-Trade-Produkte sind längst nicht mehr die Spielwiese linker Konsumverweigerer, sondern gehören fix in das Sortiment großer Supermarktketten. Restaurants wie das katalonische \"99,9 Origens“, das 99,9 Prozent der verarbeiteten Lebensmittel aus der unmittelbaren Region bezieht, sind keine Erfindung von Globalisierungs-Panikern, sondern von innovativen, weltoffenen Kulinarikern. An die Stelle überstrapazierter und unspezifischer Begriffe wie \"Bio“ oder \"öko“ treten neue Attribute wie \"Terroir, \"Region“ oder \"CO2-frei“. Die Autorinnen bezeichnen diese Entwicklung als \"100-Meilen-Diät“. \"Immer mehr Verbraucher legen Wert auf Produkte, denen nicht der Faktor Klimakiller anhaftet, sondern die in ihrer direkten Umgebung produziert wurden - womöglich noch eine regionale Spezialität und Besonderheit sind.“ Eine Umfrage des Beratungsunternehmens Accenture hat ergeben, dass 70 Prozent der Verbraucher wissen wollen, wie viel CO2 für Produktion und Transport eines Lebensmittels angefallen ist. Neun von zehn wünschen sich aus diesem Grund ein größeres Angebot lokaler und regionaler Produkte. Kirig und Rützler sind überzeugt, dass die \"100-Meilen-Diät“ die Food- Branche nachhaltig verändern wird: Der Bio-Boom soll mittelfristig durch regionale und lokale Produkte abgelöst bzw. ergänzt werden und Konzepte, die nicht angebots- sondern nachfragebezogen funktionieren, sollen in den nächsten Jahren zur Erfolgsgeschichte werden - also Retailer, Gastronomen, Produzenten und Distributoren mit Angeboten aus der Region.
Ende des amerikanischen Jahrhunderts
Die Eröffnung des ersten amerikanischen Fast-Food-Tempels im holländischen Caandam am 21. August 1971 war eine Sensation und markierte eine Trendwende in den europäischen Esskulturen. Konzerne wie McDonalds oder Burger King machten nicht nur Hamburger und Pommes massentauglich, sondern vermittelten auch einen eigenen Lebensstil, der vor allem auf die Jugend Europas unwiderstehliche Anziehungskraft ausübte. Heute scheint die große Zeit der Amerikaner vorüber, zu alltäglich und gewöhnlich erscheinen mittlerweile ihre Essgewohnheiten und Lebensstile. Die Zukunft gehört laut Kirig und Rützler den Asiaten. Fernöstliche Food-Traditionen werden die europäischen Essgewohnheiten ähnlich stark verändern wie die amerikanische Esskultur in den letzten 35 Jahren. Unter dem Titel \"New Fusion Food“ sehen die Autorinnen die enorme Vielfalt der asiatischen Küche vor allem als Inspirationsquelle für europäische und amerikanische Starköche. Das Ergebnis sind völlig neue Gerichte und Geschmackserlebnisse, die eine Mischung aus Vertrautem, Exotischem und kulinarischer überraschung liefern. So serviert etwa Jean-Georges Vongerichten, vom Time-Magazin als \"the most globetrotting of all chiefs“ geadelt, in New York eine Foie-Gras Brulée mit Rhabarber-Saft, Sechuan-Pfeffer und Ananas und in Wien bereitet Kim Sohi ein mit warmen Schweinegrammeln gefülltes kaltes, rohes Tunfischfilet zu. Dass in der Schweiz sogar das Nationalheiligtum Maggi-Würze der Soja-Sauce weichen muss, sehen Kirig und Rützler als weiteres Indiz für den Siegeszug der asiatischen Küche. Unterstützung gibt es von prominenter Seite: Eine Auswertung des Guide Michelin in den Städten Barcelona, Berlin, London, New York, Paris, Stockholm, Wien und Zürich ergab jüngst, dass pan-asiatische Restaurants in der Top-Gastronomie bereits an dritter Stelle stehen.
Der Einfluss der asiatischen Küche wird laut Kirig und Rützler zum Innovationstreiber der Food-Märkte werden, nicht zuletzt durch die enorme Wirtschaftsdynamik des asiatischen Raums. \"New Fusion Food ist die historisch logische Konsequenz der Globalisierung, wie einst die Wiener Küche die logische Konsequenz des k.u.k-Vielvölkerstaates mit seinen vielfältigen regionalen Küchen war.“ Zudem kommt die \"New Fusion Food“ einem weiteren Megatrend entgegen. Die asiatischen Küchen gelten aus ernährungsphysiologischer Perspektive als die gesündesten weltweit.
Fazit
Die Food-Branche erlebt derzeit einen enormen Wandel. Die Produzenten, Retailer und Gastronomen stehen vor großen Herausforderungen. Der Gesundheitsaspekt wird weiter an Bedeutung gewinnen, ebenso der individuelle Zugang zum Essen. Die Zielgruppen-Logik des 20. Jahrhunderts hat ausgedient. Einkommen, Geschlecht und Schicht sind deutlich weniger ausschlaggebend für des individuelle Konsumverhalten als die jeweiligen Lebensumstände. Die Konsumenten von morgen können nur erreicht werden, wenn sie in ihrer individuellen, spezifischen Lebenssituation abgeholt werden, sind Kirig und Rützler überzeugt. Zudem erwartet der Kunde Transparenz und Glaubwürdigkeit. Und die beste Differenzierung vom Mitbewerb gelingt immer noch durch das Besetzen von Nischen und davon gibt es in der Food-Branche eine ganze Menge - vor allem in Zeiten des \"New Fusion Food“.
Die Food-Styles von morgen Einige Rezepte für innovative Gastronomen, Händler und Produzenten 1. Neue Food-Stilgruppen ansprechen: Die Konsumenten von morgen werden nur erreicht, wenn sie in ihrer individuellen, spezifischen Lebenssituation abgeholt werden. Quelle: Zukunftsinstitut |
Ausstellungstipp: Noch bis 15. Februar findet im Wiener Museumsquartier die Ausstellung \"Food Design\" statt. Die Ausstellung basiert auf dem gleichnamigen Buch der beiden Architekten Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter, das 2005 für Furore sorgte und zum internationalen überraschungserfolg wurde. Der Inhalt: Warum sehen Esswaren so aus, wie sie aussehen - und nicht anders. |