Keine Egoismen
- Written by Redaktion_Report
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Die im internationalen Vergleich als vorbildlich geltende übertragung der Straßenbau- und -finanzierungsaktivitäten an die ASFINAG sichert langfristig ein finanzielles Gleichgewicht von Einnahmen und Investitionen. Das Jammern der ASFINAG über die hohen Investitionen sollte da nicht irritieren, es gehört zum guten Kaufmannsbrauch. Aus verkehrswirtschaftlicher Hinsicht aber genauso wichtig ist es, dass der Fruchtgenuss, den die ASFINAG in Form von Mauteinnahmen aus dem hochrangigen Straßennetz zieht, einen Anreiz birgt, verkehrswirksame Verkehrsinfrastrukturinvestitionen vorzunehmen und diese auch schnell durchzuführen.
Aber auch die ASFINAG kann sich nicht gänzlich des problematischen Einflusses der Politik entziehen. So stellt sich die Frage, warum im Straßenverkehr - zum Großteil gegen die Empfehlung der ASFINAG - in letzter Zeit häufig aufwendige Lösungen wie zum Beispiel der Lobautunnel gewählt wurden. Ein weiteres Problemfeld sind die riesigen und im internationalen Vergleich völlig überzogenen Investitionen im Bereich der Lärmschutzwände. Der Bau hoher Lärmschutzwände erscheint nicht nur aus Kostengesichtspunkten problematisch, auch für die Verkehrsteilnehmer ist das Fahren entlang der Lärmschutzwände wenig erbaulich, die dadurch entstehende Eintönigkeit sogar gefährlich. Zweifelhaft ist es auch ob es für die Tourismuswirtschaft wirklich sinnvoll ist, wenn Auslandsreisende die Schönheit der Landschaft und Bauwerke nicht sehen können.
Neue Baustellen.Im Gegensatz dazu liegen die Dinge trotz öBB-Reform bei den Schieneninfrastrukturinvestitionen im Argen. Obwohl sich bei den öBB derzeit Schulden in Milliardenhöhe aufbauen und die Finanzierung der im Bau befindlichen Schieneninfrastrukturprojekte keineswegs gesichert ist, werden immer neue Baustellen eröffnet.So wurde mit dem Bau des Erkundungsstollens zum Brenner-Basistunnel ein Projekt begonnen, dessen Realisierung der Generalverkehrsplan erst für einen Zeitraum nach 2020 vorsieht. Die Vorgehensweise, immer neue Baustellen zu eröffnen, mag zwar den Anschein erwecken, als sei die Verkehrspolitik im Bereich der Infrastruktur aktiv. Objektiv ist jedoch eine Verkehrspolitik, die sich in vielen Baustellen (Westbahnausbau, Inntalausbau, Lainzer Tunnel, Anbindung Bratislava, Koralmtunnel und Brennerbasistunnel um nur die größten zu nennen) verzettelt, wenig zielführend.
Anstelle der Setzung von Prioritäten und der gezielten Abarbeitung der wichtigsten Projekte, werden die Mittel für die Schieneninfrastruktur gießkannenförmig auf eine große Anzahl von Großprojekten verstreut. Extrem lange Bauzeiten (z.B. über 20 Jahre bei der Westbahn zwischen Wien und Linz) und eine fehlende schnelle Verkehrswirksamkeit sind die Folge.Mindestens genau so problematisch ist aber, dass kleinere Schienenverkehrsinfrastrukturinvestitionen, wie z.B. Kapazitätserweiterungen in den Ballungsgebieten, die durch zusätzliche Gleise einfach zu realisieren sind, dabei unter den Tisch fallen.
Die Problematik der Verkehrsinfrastrukturpolitik wurde bereits vom Rechnungshof bemerkt und kritisiert. Obwohl in den vergangenen Jahren jedes Jahr ca. 1 Milliarde Euro in die Bahninfrastruktur investiert wurde, kam es zu keinen Verlagerungen von der Straße auf die Schiene. Im Gegenteil: Der Schienenanteil in österreich geht in den letzten Jahren zurück.
Ein überdenken der Schienenverkehrsinfrastrukturpolitik ist deswegen besonders wichtig, weil in den kommenden Jahren jährlich 1,6 - 1,8 Milliarden Euro in die Schiene investiert werden sollen. Dies ist deutlich mehr als der Marktumsatz, den die öBB mit Schienenverkehrsleistungen erzielt.
Es bleibt zu wünschen, dass die nächste Regierung sich dem Thema der Verkehrsinfrastrukturplanung annimmt und den bestehenden Generalverkehrsplan grundlegend methodisch und inhaltlich überarbeitet. Die Verkehrsinfrastrukturinvestitionen sind für den Standort österreich zu wichtig, um sie ohne die notwendige ökonomische Rationalität zu tätigen und sie Länderegoismen zu überlassen.
Univ. Prof. Dr. Sebastian Kummer istVorstand des Instituts für Transportwirtschaftund Logistik an der WirtschaftuniversitätWien