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Keine MA 2412

Manchmal muss man die Kirche im Dorf lassen. Zwar hat sich die Einführung des elektronischen Krankenscheines verzögert und das Gerede um die Ausschreibung trübt die Optik noch nachträglich. Aber immerhin: Während in Deutschland noch diskutiert wird, ist die E-Card in der Alpenrepublik bereits im Einsatz. überhaupt weht ein erstaunlich frischer Wind durch die heimischen Amtsstuben. Als gelernter österreicher - und damit als Bürokratieskeptiker und begnadeter Raunzer - mag man es kaum glauben: Die Erfinder der Stempelmarke und des Sektionschefs positionieren sich innerhalb Europas auch an der Technologiefront im Spitzenfeld. Ein Grund für den Report, das Thema E-Government mit allen seinen Facetten in einer Verlagsserie näher zu beleuchten. Die Historie der österreichischen E-Government-Bemühungen ist lang und wechselhaft. Auf Europaebene fiel der Startschuss für konzertierte Aktionen in diesem Bereich mit der - mittlerweile ziemlich verblassten - Lissabonstrategie. Bürger, Unternehmen und Behörden: Sie alle sollten ans Netz und so gemeinsam den »dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum« entwickeln, wie die EU-Vorderen mit ihrem untrüglichen Gespür für Wortungetüme verkündeten. Zu diesem Zeitpunkt ließ österreich bereits aufhorchen. Das Wirtschaftskammerportal zählt seit Internet-Urzeiten zu den Pioniertaten, ebenso die Webseite der Stadt Wien. Aber auch kleine Gemeinden zeigten sich bereits innovativ. Kremsmünster, um nur einen der Klassiker herauszugreifen, ist beispielsweise seit 1996 mit seinen Services online. Bei den Rechtsnormen - Stichwort E-Commerce-Gesetz oder Signaturrichtlinie - überholte Wien zeitweilig sogar Brüssel. Während die Gesetze dort teilweise noch der Verabschiedung harrten, traten sie zum Erstaunen der Eurokraten hierzulande schon in Kraft. Der europaweit registrierte überraschungscoup gelang, weil sich Bundeskanzleramt, Wirtschaftskammer, Bund und Länder und die Opposition in einem Kraftakt zusammenrauften. Da stutzte schon auch einmal der französische Le Figaro und fragte sich, wie die österreicher das nur machen. Bei den ersten Europa-Benchmarks zum Thema E-Government landete die Alpenrepublik auch im Spitzenfeld, um dann eine Künstlerpause auf den hinteren Rängen einzulegen. Das Auf und Ab der heimischen Performance beruhigte sich aber erfreulicherweise wieder, die Bilanz ist seit dem Frühjahr 2005 wieder schneeweiß. Für Staatssekretär Franz Morak und Bundeskanzleramtsbeauftragten Christian Rupp geriet die Pressekonferenz zum vorläufig letzten E-Government-EU-Ranking zur Feierstunde. österreich platzierte sich haarscharf hinter Schweden auf Platz zwei.

Seither werden wieder vermehrt Delegationen am Ballhausplatz gesichtet, die sich über laufende Entwicklungen informieren wollen. Indirekt profitiert natürlich auch der heimische IT-Sektor von den Erfolgen. Die Linzer Fabasoft reüssiert mit ihrer Software in Deutschland. Siemens machte Notariatslösungen, die ihre Feuertaufe in österreich bestanden hatten, zum Exportschlager. Ein Ruhekissen für die Ewigkeit ist die aktuell gute Positionierung freilich auch nicht. »Wir dürfen uns keine Verschnaufpause gönnen«, sagt Christian Rupp, als Exekutivsekretär der Mister E-Government des Bundeskanzleramtes. Auf der To-do-Liste Rupps steht vor allem ein ganzheitlicher Ansatz für die zahlreichen, aber oft zersplitterten Aktivitäten. »Wir müssen dringend alle Initiativen von E-Business, E-Learning bis hin zu Breitband aufeinander abstimmen«, sagt Rupp. Sieht man von der Bundesebene ab, ist österreich nicht zuletzt wegen seiner föderalen Struktur ein Fleckerlteppich, der oft genug von Einzelkämpfern beackert wird. Da gibt es dann Vorzeigegemeinden, wo von der Gewerbeanmeldung bis hin zu Bestattungsagenden alles online flutscht. Aber zehn Meter hinter der Ortstafel breitet sich bereits das Internet-ödland aus. Für ein Konkurrenzunternehmen im Nachbardorf ist der Amtsweg via Mausklick vielleicht schon nur mehr schöne Fiktion.

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