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Emotionale Dienste

\"MarktforscherCloud-Dienste zwischen schrillem Hype und gesundem Trend: Wie gefährlich die Auslagerung der IT wirklich geworden ist, warum die Menschen trotzdem ins Flugzeug steigen, und Services mit Europamascherl.

Ob die angesparte Eigentumswohnung, das Wochenendhäuschen im Waldviertel oder die Perlenkette der seligen Urgroßmutter – Besitz kann belasten. Das wissen Verheiratete spätestens, wenn man sich doch noch im Bösen trennt. Auch in der Wirtschaft wird manches stolz erworbene Asset zum Mühlstein, sobald in einer Konjunkturflaute Kunden und Mitarbeiter wegbrechen. Im modernen Arbeitsmarkt, der seine Teilnehmer längst nicht mehr durchs gesamte Erwerbsleben füttert, sind neue Strukturen in den Unternehmen gefragt. Wer will da schon Bürofläche besitzen, wenn sie flexibel gemietet werden kann? Welche Firma muss ihre EDV im eigenen luftgekühlten Serverraum mit Backup-Stromversorgung und Sicherheitsdienst betreiben? Für jene, deren Kerngeschäft außerhalb des Betriebs von IT-Infrastruktur liegt, hat sich die Branche nun etwas Neues einfallen lassen: Cloud Computing. Doch sind freilich bei den flexiblen IT-Diensten aus der Wolke lediglich die Verpackung und Nutzerfreundlichkeit neu. Services über die Datenleitung, wie etwa Bürosoftware, die nicht auf jedem einzelnen Rechner extra installiert liegt, gab es auch schon früher. Jetzt aber, betont die IT-Welt, sei alles noch einfacher geworden – und damit tauglich für die Nutzung auch im Massenmarkt. In den vergangenen Jahren ist die IT allerorts servicefreundlicher geworden: Die nötigen Bandbreiten sind vorhanden und viele Dienste wurden standardisiert. Zudem hat sich der Lebenszyklus von IT-Produkten rasant beschleunigt. Kaum ist heute eine Software fertig entwickelt, ist sie morgen bereits wieder veraltet.

>> Wachsendes Volumen <<

Marktforscher gehen davon aus, dass der Cloud-Markt von rund 40 Mrd. Euro Volumen im Vorjahr bis 2020 auf 240 Mrd. Dollar anwachsen wird. Der Wiener Cloud-Experte Damianos Soumelidis verweist auf ein prognostiziertes Wachstum von IT-Services aus den eigenen, privaten Datencenters der Unternehmen um den Faktor vier in diesem Zeitraum. Die erwarteten Steigerungen bei der Provisionierung von IT-Diensten und Ressourcen von den externen Cloudanbietern fallen sogar noch höher aus. Doch unabhängig von der Art und dem Aussehen der Wolke (siehe weiter unten): Die Wachstumskurven ähneln jenen der Internettechnologie und E-Business vor 15 Jahren. »In Europa sehen wir die skandinavischen Ländern bereits sehr progressiv in der Nutzung von Cloud-Diensten, während auch viele Unternehmen in Deutschland auf diesen Zug aufspringen«, vergleicht Soumelidis. Lediglich in Österreich laute der Grundtenor derzeit noch Abwarten. »Auch bei Electronic Business gab es zu Beginn eine sehr abwartende Haltung in Österreich. Die Angst vor dem unsicheren Internet hielt damals viele zurück«, erinnert sich der Geschäftsführer von Hexa Business Services. Langfristige Schäden hätte die heimische Wirtschaft dadurch nicht davongetragen. Der heimische Zugang zum Web wird heute ebenso intensiv genutzt wie in anderen Ländern.

>> Emotion statt Fakten <<

Als größte Hürde ortet Soumelidis freilich fehlendes Wissen hinsichtlich des Risikos, das Firmen beim Bezug von IT-Services über die Datenleitung eingehen. Hier gilt die Formel Schadensgröße multipliziert mit Eintrittswahrscheinlichkeit. »Die Wahrscheinlichkeit, in ein Flugzeugunglück verwickelt zu werden, beträgt statistisch gesehen 1:5,4 Millionen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man daran auch stirbt, liegt bei 1:9,2 Millionen. Trotzdem steigen Tag für Tag Millionen Menschen in den Flieger«, zählt er auf. Die Chance, im Lotto zu gewinnen, sei ähnlich hoch, Zahlen und Fakten treffen hier auf Emotionen. Cloud Services sind aktuell ein sehr emotionales Thema. »Die Ängste und Gefühle sind hauptsächlich mit dem Wechsel bekannter Systeme verbunden, dies hat weniger mit Fakten zu tun.« Soumelidis betrachtet die herrschende Diskussion um Datenschutzfragen und die Sorge vor dem Zugriff von US-Behörden auf die Kundendaten europäischer Unternehmen mittels Patriot Act als entbehrlich. Der Schaden, der eintreten kann, sei extrem unwahrscheinlich. Kümmern sich Unternehmen sich selbst um ihre IT, ist der Risikofaktor oft größer.

>> Rolle verändert <<

Weniger die Technik, vielmehr die Menschen selbst sollen sich gemäß IT-Branche nun ändern. Die Rolle der IT-Entscheider in Unternehmen (CIO) wird in den kommenden Jahren radikal zum Integrations- und Innovation-Officer erweitert werden. So bewerben sich einer Studie von Computer Associates zufolge zunehmend auch IT-Leiter bei Ausschreibungen für Geschäftsführerstellen. »Früher waren bei einer internen Nachbesetzung der CEO-Stelle in Unternehmen der Finanzleiter, der CFO oder der Operations-Officer, der COO, die erste Wahl. Mittlerweile eignet sich auch der CIO als Nachfolger. Seine Themen nähern sich bereits weit mehr dem Business als der Technik«, argumentiert Soumelidis. In der IT wird vorrangig nicht mehr die Frage nach den richtigen Services oder einem passenden Mailservice, sondern der erzielbare Business-Value für das Unternehmen diskutiert. Die wesentliche Strategie in der IT heute wird mit der Frage bestimmt, welche EDV-Services intern erbracht werden, und welche Dienste an Partner ausgelagert werden. »Gerade die Verlagerung von Standarddiensten an einen sicheren und auch kostengünstigeren Cloud-Dienst ist für Unternehmen eine super Sache. Sie müssen sich in Folge nicht mehr mit deren Betrieb beschäftigen.« Schätzungen zufolge können Unternehmen in einer Größenordnung ab 400 bis 500 Arbeitsplätzen rund ein Drittel ihrer IT-Services sinnvoll auslagern. Viele Kernapplikationen dagegen sind aus heutiger Sicht weder technologisch noch wirtschaftlich derart provisionierbar.

 

>> Unterschiede in der Wolke:

Private cloud: Über eine Intranetseite werden die Ressourcen des Computerarbeitsplatzes bestellt – also Betriebssystem, Speicherplatz, Geschäftssoftware und Kommunikationswerkzeuge. Eine halbe Stunden später kann bereits gearbeitet werden. Die private Cloud wird typischerweise von einem Unternehmen selbst betrieben.

Virtual private cloud: Ein abgesicherter, einem Unternehmen zugewiesener Teil eines Rechenzentrums. Der Betrieb obliegt einem IT-Dienstleister, der für jeden seiner Kunden Ressourcen reserviert. Ein Unternehmen kann so beispielsweise IT-Kapazitäten für die Lohnverrechnung am Ende des Monats flexibel beziehen. Die eigene IT kann dadurch schlank gehalten werden, zusätzlich bezahlt werden die temporären Spitzen.

Public Cloud: ein Service wie Google Docs, Amazon EC2 oder Microsoft 365. Eine zentrale, über mehrere Rechenzentren verteilte Infrastruktur, die in unterschiedlichen Bezahlmodellen genutzt werden kann. Der Bezug der Dienste über die Datenleitung ist in der Regel günstig, ist allerdings sehr standardisiert. Nutzer sind Unternehmen ebenso wie Privatkunden.

 

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