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Faszination Zukunft

Report: Was ist ein Trend?
Matthias Horx: Ein Trend ist nichts anderes als eine Veränderungsbewegung oder ein Wandlungsprozess. Man findet Trends in den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens, von der ökonomie über die Politik bis zur Konsumwelt und in den unterschiedlichsten Durchdringungstiefen. Es kann sich um reine Oberflächenphänomene oder um tiefe, nachhaltige Strömungen handeln.

Woher kommt der Begriff \"Trend“ und wofür steht er?
Der Begriff \"Trend“ tauchte zum ersten Mal Ende des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang mit Aktien und Börsenkursen auf, wurde dann von den Mathematikern aufgegriffen und führte bis etwa in die 90er Jahre ein relatives Schattendasein. Heute ist \"Trend“ für viele Menschen synonym mit einer \"kurzfristigen Mode im Bereich von Jugendmarketing“. Mit dieser Art von Modetrends hat die moderne Trend- und Zukunftsforschung allerdings nur am Rande zu tun. Wir arbeiten mit einem gestaffelten System, in dem es die unterschiedlichsten Arten von Trends gibt (siehe Glossar). Die Kunst der wissenschaftlichen Trendforschung besteht nun darin, die einzelnen Veränderungs-Phänomene richtig zu diagnostizieren und in dieses Rastersystem sinnvoll einzuordnen.

Kann man Trends machen?
Man kann natürlich ein Produkt in den Markt drücken, in dem man sehr viel Geld für die Kommunikation ausgibt und behauptet, das Produkt sei \"hip“ oder \"angesagt“. Aber das geht eben nur im Bereich von Moden und Produkten. Und es ist auch nicht sonderlich Ziel führend. Denn wenn man den Werbedruck wieder wegnimmt, bricht dieser Markt sofort in sich zusammen. Richtige soziokulturelle Trends und Megatrends kann man nicht herstellen, sie entstehen in den Tiefen der sozialen Wandlungsprozesse und haben ökonomische oder andere fundamentale Wurzeln und Ursachen.

Ist es überhaupt möglich, die Zukunft zu prognostizieren?
Zukunft ist zunächst einmal nicht deterministisch, jedenfalls nicht, wenn es um komplexe Systeme wie ökonomien, Märkte und Gesellschaftssysteme geht. Märkte können zusammenbrechen oder blühen, Gesellschaften scheitern oder sich weiterentwickeln, ökonomien ins Schlingern geraten oder neue Wertschöpfungsketten generieren. All dies hat jedoch gewisse Wahrscheinlichkeiten und Bedingungen, in denen eben nicht nur Zufall regiert. Und diese wiederum kann man messen und bewerten.

Worum geht es also in der Zukunftsforschung konkret?
In der Zukunftsforschung, wie wir sie betreiben, geht es weniger um die exakte Vorhersage, sondern um evolutionäre Wahrscheinlichkeiten. Wer die inneren Gesetze komplexer Trends kennt, kann zumindest gute Szenarien bauen. Szenarien sind Was-Wäre-Wenn-Annahmen, die ein bestimmtes Zukunfts-Thema unter verschiedenen Bedingungen durchspielt. Dabei geht es darum, die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Faktoren besser verstehen zu lernen. Zukunftsforschung ist in diesem Kontext also eine Art Spiegelung. Durch den Blick in das mögliche Morgen verstehen wir das Heute besser. Wir werden handlungs- und entscheidungsfähiger, wir lernen, uns auf Herausforderungen einzustellen. Das ist Ziel und Ethos der Zukunftsforschung: Die Future Fitness von Unternehmen, Individuen und Gesellschaften zu erhöhen.

Sehen Sie in der Trend- und Zukunftsforschung eine Wissenschaft oder eher eine Kunstform?
Grundsätzlich basiert jede wissenschaftliche Methodik auf der Wiederholbarkeit von Experimenten. In diesem Sinn ist Zukunftsforschung durchaus verifizierbar, weil die Realität ja zeigt, ob die Annahme, also die Prognose, richtig war. Und weil die praktische Anwendung von bestimmten Trend-Thesen in Marketing- und Innovationsprozessen zeigt, ob diese Thesen richtig oder falsch waren. Die neuere Trend- und Zukunftsforschung ist überdies aber der Versuch der ständigen Weiterentwicklung einer neuen Universalwissenschaft. Dabei beziehen wir uns auf neuere, symbiotische Wissenschafts-Disziplinen wie Evolutionsbiologie, Kultur-Anthropologie, Systemische Anthropologie, Neurowissenschaften, Evolutionäre Kognitionswissenschaften, Konsum-Anthropologie, ja sogar \"Ethno-Philosophie“ und \"Neuro-ökonomie“. Diese Disziplinen, die in den Schnittstellen der alten Wissenschaften entstehen, versuchen wir, in eine ganzheitliche Betrachtungsweise hochkomplexer dynamischer Prozesse zu integrieren. Dass dieser Prozess ehrgeizig ist und nie enden wird, liegt auf der Hand. Aber das ist es ja gerade, was uns daran so fasziniert, wie an der Zukunft selbst!

Mehr Infos: www.zukunftsinstitut.at

Glossar: Vier Arten von Trends

Metatrend: Die langfristigen Veränderungswellen finden wir in der Natur. Sie finden sich überall in lebenden Systemen, auch in Gesellschaften. In der Natur gelten die Evolutionsgesetze. Viele dieser Gesetze lassen sich auch vermittelt auf Wandlungsbewegungen in modernen Gesellschaften anwenden. Zivilisationsformen bieten die nächst höhere Welle des Wandels.
Beispiele: Der übergang von agrarischen Gesellschaften in Industriegesellschaften; Der Wandel zur Wissensökonomie

Megatrend: Megatrends sind Blockbuster der Veränderungen und des Wandels. Um einen Megatrend diagnostizieren zu können, müssen drei Voraussetzungen gegeben sein. Der Trend muss eine Halbwertszeit von mindestens 25 bis 30 Jahren haben. Der Trend muss in allen möglichen Lebensbereichen auftauchen und dort Auswirkungen zeigen und Megatrends haben prinzipiell einen globalen Charakter.
Beispiele: Globalisierung; Individualisierung; Mobilität; Alterung der Gesellschaft;

Konsumtrend: Dies sind mittelfristige Veränderungen, die von den Lebensgefühlen der Menschen im sozialen Wandel geprägt werden, sich aber auch stark in den Konsum- und Produktwelten bemerkbar machen. Die größeren von ihnen haben eine Halbwertszeit von 5-8 Jahren.
Beispiel: \"Geiz ist Geil“-Trend; Wellness-Welle; Handy-Boom

Produkttrend: Dies sind flüchtige, oberflächliche und marketinggesteuerte Phänomene, die eher im Bereich einer Saison bzw. eines halben Jahres stattfinden.
Beispiele: Tamagotchi, Mini-Scooter, Plastikarmbänder

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