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Bauen in Zeiten des Klimawandels

Bauen in Zeiten des Klimawandels Foto: iStock

Der Klimawandel stellt den Gebäudesektor und damit die Bauwirtschaft vor enorme Herausforderungen. Als Leidtragender und Mitverursacher ist man von mehreren Seiten mit dem Thema konfrontiert. Gebäude müssen heute so geplant und gebaut werden, dass sie die Auswirkungen des Klimawandels bewältigen können, dabei aber die eigenen CO2-Emissionen minimieren.

Der Klimawandel ist ohne Zweifel eines der zentralen Themen unserer Zeit. Auch die Baubranche sieht in den Auswirkungen der Klimaveränderungen die größte Herausforderung für die Zukunft. Zu diesem Ergebnis kommt die Expertenbefragung »Zukunft Bauen« der Unternehmensberatung Siegfried Wirth. Dabei wurden 35 Themen auf ihren zukünftigen Stellenwert hin abgefragt.

»Die Vermeidung sommerlicher Überhitzung ist anhaltend das wichtigste Thema für die Befragten und deren Unternehmen. Auf Rang zwei liegt die Nutzung erneuerbarer Energie. Und auch der CO2-Ausstoß ist wichtiger geworden und steigt auf Rang 5«, erklärt Studienautor Siegfried Wirth. Auch das Thema »Folgen des Klimawandels« hat sich vom unteren Mittelfeld auf Rang 8 geschoben. Ein gehyptes Trendthema wie »Digitalisierung und Automatisierung« findet sich hingegen erst auf Rang 32 wieder.

»Der Klimawandel ist also unbestritten in der Baubranche angekommen«, fasst Wirth die Ergebnisse zusammen. Allerdings muss sich die Branche nicht nur den Folgen des Klimawandels stellen, auch bei der Ursachenforschung kann sich die Bauwirtschaft nicht aus der Verantwortung stehlen. Laut dem ehemaligen Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus wurden im Jahr 2017 in Österreich rund 82,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent emittiert. Dabei entfallen mit 8,3 Millionen Tonnen rund zehn Prozent auf den Gebäudesektor. 

»Die Anpassung von Gebäuden an den Klimawandel und Klimaschutz müssen gemeinsam und angesichts der Gebäudelebensdauer auf lange Sicht gedacht werden«, sagt Renate Hammer vom Institute of Building Research & Innovation. Dabei spielen die städtebauliche Konfiguration und die Gebäudeform ebenso eine Rolle wie die Wahl der Materialien und Oberflächen. »Wichtig ist auch, dass die Einsatzzeiten aktiver Maßnahmen zum Heizen und Kühlen möglichst kurz gehalten werden. Dabei ist es sinnvoll, Heizung und Kühlung nicht nebeneinander, sondern gemeinsam zu entwickeln«, so Hammer.

Ideal sind Systeme, die je nach Lastfall heizen oder kühlen können und einen Speicher antizyklisch regenerieren. Dabei kann mit niedrigen Temperaturniveaus gearbeitet werden. »Die für den Betrieb der Anlagen nötige Energie ist anteilsmäßig gering und sollte möglichst aus regenerativen Quellen gedeckt werden«, sagt Hammer.

Fokus Lebenszyklus

In Hinblick auf die Klimaschutzziele ist es wichtig, dass Gebäude so effizient wie möglich errichtet werden. »Bei der Errichtung neuer Gebäude sind die höchsten Standards bei der Energieeffizienz der Gebäudehülle, Haustechnik und des Heizsystems heranzuziehen. Dabei sollten verstärkt innovative architektonische Konzepte, Bauweisen und Technologien die etwa die Speicherung von Wärme und Kälte ermöglichen, verstärkt eingesetzt werden«, erklärt Jürgen Schneider, Klima-Sektionsleiter im Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus.

Darüber hinaus muss ein Gebäude aber immer über den Lebenszyklus und im Kontext seiner Umgebung betrachtet werden. »Beginnend bei Überlegungen zur Ressourceneffizienz bis hin zur Wiederverwendbarkeit der eingesetzten Baustoffe muss in der Planung auch über Themen wie Raumplanung, Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz und Vermeidung von Hitzeinseln durch z.B. Grünraum- und Regenwassermanagement nachgedacht werden«,  sagt Daniela Trauninger vom Zentrum für Bauklimatik und Gebäudetechnik an der Donau-Universität Krems.

Und schließlich ist vor dem Hintergrund des Klimawandels natürlich auch die Wahl des verwendeten Baustoffes wichtig. Es gilt, je nach Bauaufgabe das optimale Material zu wählen. Auch hier muss im Lebenszyklus und räumlichen Kontext gedacht werden und folgende Fragen beantwortet werden: Welches Material liegt regional vor? Lassen  sich die Herkunft eines Materials und die Qualität des Herstellungsprozesses prüfen? Wie langlebig ist das Material?

Besser als der Ruf

Bild oben: »Mineralische Baustoffe weisen über den gesamten Lebenszyklus betrachtet die gleiche Ökobilanz wie organische Baustoffe auf«, erklärt der Obmann des Fachverbands Steine-Keramik Robert Schmid. 

Kurze Transportwege und langlebige Baustoffe, die ohne Emissionen vollständig recyclingfähig sind, leisten einen wesentlichen Beitrag zu einem effektiven Klimaschutz. Das spielt einer Branche in die Hände, die in der allgemeinen Wahrnehmung nur wenig mit Klimaschutz am Hut hat: die oft als »Betonierer« verschrienen Hersteller mineralischer Baustoffe.

»Mineralische Baustoffe weisen über den gesamten Lebenszyklus betrachtet die gleiche Ökobilanz wie organische Baustoffe auf. Durch neue Technologien wie Bauteilaktivierung können sie zudem einen ganz massiven Beitrag zur Senkung des Energieverbrauchs im Gebäudebereich und zur Erreichung der Klimaschutzziele leisten«, erklärt der neue Obmann des Fachverbands Steine-Keramik Robert ­Schmid. Um das verzerrte Bild in der Öffentlichkeit zurechtzurücken, hat die österreichische Baustoffindustrie eine »KlimAgenda« formuliert, die zeigt, wie mineralische Rohstoffe auf unterschiedlichsten Ebenen einen essenziellen Klimaschutzbeitrag leisten und gleichzeitig regionale Wertschöpfung sichern können (siehe Kasten). Die KlimAgenda wurde den Parteien schon im Wahlkampf zur Kenntnis gebracht. Jetzt soll auch das Lobbying intensiviert werden.


Die KlimaAgenda der österreichischen Baustoffindustrie

Die »KlimAgenda« der österreichischen Baustoffindustrie zeigt, welchen Beitrag mineralische Rohstoffe schon heute zum Klimaschutz leisten und welche konkreten Maßnahmen zu einer weiteren Steigerung nötig wären. 

1. Klimaschutzpotenziale mineralischer Baustoffe nutzen: Mineralische Baustoffe weisen über den gesamten Lebenszyklus betrachtet die gleiche Ökobilanz wie organische Baustoffe auf. Durch neue Technolo­gien wie Bauteilaktivierung können sie zudem einen ganz massiven Beitrag zur Senkung des Energieverbrauchs im Gebäudebereich und zur Erreichung der Klimaschutzziele leisten.

Stellhebel: Berücksichtigung des Klimaschutzpotenzials mineralischer Baustoffe durch Forcierung innovativer Bauweisen wie Bauteilaktivierung bzw. Heizen und Kühlen mit massiven Bauteilen; Lebenszyklusmodell bei der Bewertung von Baustoffen zur Anwendung bringen.

2. Klima für Regionale Wertschöpfungseffekte und heimische Versorgung stärken: Die regionale Verankerung sorgt für lokale Wertschöpfungseffekte und Arbeitsplätze – insbesondere in strukturschwachen Regionen. Daher ist die Sicherung der heimischen Versorgung mit Rohstoffen bei gleichzeitiger Reduktion des Transportaufkommens sowie die Stärkung der Unabhängigkeit gegenüber Dritten ein Gebot der Stunde.

Stellhebel: Reduktion des Transport­aufkommens durch kurze Transportweiten; Sicherung des Zugangs zu Baurohstoffen und Stärkung der Versorgungssicherheit mit regional verfügbaren Rohstoffen.

3. Klimaschutz und Wirtschaft in Einklang bringen: Ein verantwortungsvoller Umgang mit natürlichen Rohstoffvorkommen und Energie liegt im ureigensten Sinne der Unternehmen. Um eine weitere Ökologisierung der Produktionsprozess zu forcieren, braucht es unterstützende Maßnahmen.

Stellhebel: Schaffung von Anreizen, um weitere Reduktionspotenziale von Emissionen im Sinne eines Carbon Managements zu heben; eine CO2-Bepreisung ist ausschließlich auf europäischer Ebene zu regeln und einer internationalen Lösung zuzuführen.

Last modified onMontag, 09 März 2020 05:03
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