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"Wir müssen die Rohstoffe, die wir haben, besser nutzen"

Für sein soziales und ökologische Engagement hat Sepp Eisenriegler zahlreiche Preise gewonnen. Bei R.U.S.Z. setzt man auf die Ausbildung von Langzeitarbeitslosen. Für sein soziales und ökologische Engagement hat Sepp Eisenriegler zahlreiche Preise gewonnen. Bei R.U.S.Z. setzt man auf die Ausbildung von Langzeitarbeitslosen. Foto: R.U.S.Z.

Sepp Eisenriegler, Gründer und Geschäftsführer des Reparatur- und Servicezentrums R.U.S.Z, fordert vehement ein Umdenken in unserer Konsumgesellschaft. Er ist überzeugt, dass nachhaltigere Wirtschaftsmodelle die einzige sinnvolle Zukunft sind.

Report: Sie engagieren sich in Gremien auf EU-Ebene für Nachhaltigkeit in der Wirtschaft. Worum geht es dabei?

Sepp Eisenriegler: Ich bin in einem Normungsausschuss in leitender Position aktiv, der im Auftrag der EU-Kommission gebildet wurde: Das Technical Committee 10 der europäischen Normungsorganisation CEN-CENELEC trägt den Namen »Energy-related products – Material Efficiency Aspects for Ecodesign«. Hier geht es neben Fenstern, Dämmungen und Solarpaneelen ausschließlich um Elektrogeräte. Die EU-Kommission ist im Dezember 2015 mit einem »Circular Action Economy Plan« an die Öffentlichkeit gegangen. Man möchte einen systemischen Wandel von der linear ausgerichteten Wirtschaft zu einem zirkulären Wirtschaftssystem erreichen.

Bis es soweit ist, werden noch einige Jahre vergehen und es müssen auch entsprechende Normen für nachhaltige Produkte und Prozesse festgelegt werden. Die Ergebnisse werden dann als Grundlage für die Ressourceneffizienz in die Ökodesign-Richtlinie fließen. Dies mit einem bestimmten Datum zu versehen, ist aber schwierig. Nach meiner Einschätzung wird es ab 2025 Restriktionen für Wegwerfprodukte am europäischen Markt geben.


Report: Sind Sie optimistisch, dass dieser Zeitplan eingehalten wird?


Eisenriegler: Das bin ich, auch weil ich mit wichtigen europäischen Akteuren wie Bosch-Siemens Hausgeräte gesprochen habe. Die Unternehmen erschließen auch neue Geschäftsmodelle im Bereich der sogenannten Produkt-Dienstleistungen. Das heißt: Man wird in Zukunft eine Waschmaschine unbefristet mieten können – nicht als Finanzierungsmodell über Leasing, wie es das bereits in der Vergangenheit vereinzelt gegeben hat, sondern mit einem nachhaltigeren Zugang, also ohne Eigentumsübergang.


Report: Gibt es in Zukunft also die »Waschmaschine als Service«?


Eisenriegler: Wir selbst bieten das bereits an und haben mittlerweile 35 Waschmaschinen vermietet. Für 18 Euro monatliche Gesamtkosten sind wir auch zur Stelle, wenn das – oder besser gesagt: unser – Gerät defekt ist. Wir gehen mit diesem Service die Verpflichtung ein, eine Maschine innerhalb von drei Tagen zu reparieren oder auszutauschen. Erst in diesen Dienstleistungsmodellen zahlt es sich für die Hersteller aus, bei der Produktion in besseres Material zu investieren. Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie arbeitet mit dem Begriff des ökologischen Rucksacks, als Fachbegriff »Material-Input pro Serviceeinheit (MIPS)«. Berechnungen zufolge braucht man derzeit das Dreißig- bis Dreitausendfache an Material, um ein Produkt herzustellen. Wenn aber für unsere Wirtschaft und Gesellschaft unkritisch nur das Produkt zählt und der Rest einfach Abfall ist, ist das kaum materialeffizient und ressourcenschonend. Auch wenn es bei Waschmaschinen nicht ganz so dramatisch ist. Man geht von dem fünfhundertfachen Materialaufwand in der Produktion aus. Um 100 kg Waschmaschine herzustellen und an den Point-of-Sale zu liefern, brauchen wir 50 Tonnen Material.


Report: Gehen Geräte heute schneller kaputt als früher?


Eisenriegler: Ich kann das mit »absolut ja« beantworten. Wir beschäftigen uns vornehmlich mit dem Elektrogroßgerät Waschmaschine und haben 2015 im Auftrag einer europäischen Konsumentenschutzorganisation 28 Neugeräte getestet. Das Resultat war ziemlich enttäuschend. Ausnahmslos jedes Modell – sei es eine günstige oder eine teurere Variante eines Herstellers – war hinsichtlich Langlebigkeit und reparaturfreundlichem Design schlechter aufgestellt als sein eigenes Vorgängermodell – auch bei den sogenannten Qualitätsmarken. Zudem bekommen wir fast keine Angaben von den Herstellern, mit welcher Lebenserwartung die Produkte designt sind. Es gibt allerdings inoffizielle Preislisten dazu, wie etwa die »UNETO VNI Vorschrift 2015« der Branchenvertretung des Elektrohandels in den Niederlanden, die uns vom Hersteller zweier Marken zugeschickt worden ist. Darin werden Preisempfehlungen anhand der unterschiedlichen Lebensdauer der Geräte aufgelistet. Der Elektrohandel bestellt Geräte mit Ablaufdatum bei den Herstellern. Üblich sind 100 Euro Endverkaufspreis pro erwartetem Lebensjahr einer Waschmaschine. Doch nicht nur das: Jedes Gerät, das in dieser Liste mehr als 700 Euro kostet, darf nur maximal acht Jahre halten.

Die Gewinnmargen in diesem Bereich sind nicht rasend hoch, und die Marktsättigung bei Waschmaschinen ist ebenfalls gegeben. Was liegt also näher, als die Nutzungsdauer der Geräte zu reduzieren? Um immer kurzlebigere Produkte am Markt zu haben, verschwenden wir Rohstoffe auf Kosten der nächsten Generationen. Das ist Wahnsinn.


Report: Dann kommen Hersteller wie Apple hinzu, deren Geräte kaum noch repariert werden können – oder die Reparatur kostet fast so viel wie ein Neugerät.


Eisenriegler: Reparaturplattformen wie ifixit.com zeigen sehr wohl, wie auch solche Geräte instandgesetzt werden können. Dort kann man sich auch gleich die richtige Toolbox dazu bestellen. Das fängt ein bei einem Spatel an, um ein Gehäuse aufzubringen, ohne Kratzer zu verursachen, und endet bei Mikroschraubenziehern. Es gibt dort zu fast allen Geräten Reparaturanleitungen, die auch für Laien nachvollziehbar sind.

Dass übrigens Akkus in manchen Smartphones fest verbaut werden, halte ich für einen Skandal. Damit bestimmt ein einziges Verschleißteil die Lebensdauer des Produktes. Dagegen gäbe es sogar eine Batterieverordnung – auch wenn darin die Möglichkeit eines einfachen, kostengünstigen Akkutausches nicht eindeutig festgeschrieben ist.


Report: Gehen Sie davon aus, dass in den nächsten Jahren nachhaltigere Wirtschaftsmodelle nach Europa zurückkehren?


Eisenriegler: Die ordnungspolitischen Schritte dafür sind gesetzt. Aus dem von der EU angestrebten Prozess der Circular Economy gibt es kein Zurück mehr. Wir sind immer noch der größte Wirtschaftsraum der Welt, aber wie kein anderer abhängig von Rohstoffimporten. Die meisten kritischen Rohstoffe kommen aus politisch instabilen Ländern. Alleine um den Wirtschaftsstandort Europa abzusichern, muss man die Rohstoffe, die man hat, besser nutzen. Damit brauchen wir einfach bessere Rohstoffkreisläufe in der Wirtschaft, um zumindest den Ressourcenverbrauch zu minimieren. Die zirkuläre Wirtschaftsweise ist politisch gerade noch durchsetzbar, weil sie noch ein paar Jahre Wirtschaftswachstum bei abgekoppeltem Ressourcenverbrauch zulässt – das ist ja schon etwas.


Report: Wie sieht es allerdings mit der Energieeffizienz bei Neugeräten aus?


Eisenriegler: Dieses Thema war die größte PR-Aktion des Elektrohandels und der Hersteller aller Zeiten.


Report. Weil sich der Neukauf eines Gerätes niemals auszahlt?


Eisenriegler:
So würde ich es nicht sagen. Wenn aber Millionen Menschen ohne Not ein funktionierendes gegen ein energieeffizientes Gerät tauschen, um den Planeten zu schützen, ist das ein Wahnsinn. Der Dachverband der Haushaltsgerätehersteller CECED hatte genau das propagiert und erwirkt, dass Millionen Geräte in der EU getauscht worden sind. Die Menschen haben erwartet, mit dem Gerätetausch etwas Gutes für die Umwelt zu tun und gleichzeitig durch den geringeren Stromverbrauch Geld zu sparen. Beides stimmt nicht – oder zumindest nur teilweise.

In einer Studie der größten europäischen Konsumentenschutzorganisation BEUC wurde festgestellt, dass bei einem Kauf einer A+++ Waschmaschine in einem Zeitraum von zehn Jahren nicht einmal eineinhalb Euro jährlich eingespart werden können. Damit gibt es also eine Einsparung, auch wenn sie vernachlässigbar ist. Der größere Betrug findet bei aber bei der Umweltfrage statt. 53 % aller Umweltbelastungen im gesamten Lebenszyklus einer Waschmaschine entstehen bereits in der Produktion und Lieferung. Bei einem Laptop entstehen 60 % der CO2-äquivalenten Emissionen bereits in der Produktionsphase. Der Transport ist hier noch gar nicht mitgerechnet.

Report: Was raten Sie Konsumenten?

Eisenriegler: Wenn man tatsächlich der Umwelt etwas Gutes tun will, sollte man Geräte so lange wie möglich nutzen, um den bereits entstandenen Schaden wenigstens auf längere Zeit zu verteilen. Deshalb treten wir für Langlebigkeit von Geräten und reparaturfreundliches Design ein.



Hintergrund: Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft

Der im Dezember 2015 von der Europäischen Kommission vorgelegte »Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft« soll dazu beitragen, die Entstehung von Abfall zu minimieren, indem Ressourcen effizienter genutzt und von der Herstellung bis zur Entsorgung auf Wiederverwertbarkeit geachtet wird. Ziele sind eine nachhaltige, CO2-emissionsarme und wettbewerbsfähige Wirtschaft sowie die Erhöhung der Rohstoff-Versorgungssicherheit der EU. Die Kreislaufwirtschaft soll in der gesamten Wertschöpfungskette unterstützt werden – vom Produktdesign und der Herstellung über den Verbrauch, die Reparatur oder Wiederherstellung bis zum Abfallmanagement. Enthalten sind zudem Vorschläge betreffend sekundäre Rohstoffe und die Wiederverwendung von Wasser sowie Maßnahmen in den Schlüsselbereichen Kunststoff, Lebensmittelabfälle, kritische Rohstoffe, Baugewerbe und Biomasse. Die Vorlage der einzelnen Maßnahmen soll bis 2019 erfolgen.

Mehr Info: ec.europa.eu

Last modified onDienstag, 04 April 2017 11:17
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