Speicher für die Wende
- Written by Martin Szelgrad
- font size decrease font size increase font size
Bei einem Podiumsgespräch im Februar zum Thema Energiespeicher trafen unterschiedliche Ansätze und Lösungen aufeinander. Fazit: Nicht technische Eigenheiten bestimmen die Wegrichtung von wirtschaftlichen Speicherlösungen, sondern Rahmenbedingungen und Politik.
Auf Einladung von Wien Energie trafen am 19. Februar Diskutanten und Fachpublikum am Standort TownTown zusammen. Das Thema: Die Einbindung volatiler Energie der Erneuerbaren hängt künftig von der effizienten Nutzung und Speicherung von Energie ab. Welche Projekte zeigen bereits, wie dieses Zusammenspiel von Erzeugern, Netzen und Speichern künftig aussehen wird? Welche Technologien und Lösungen bringen Versorgungssicherheit und ermöglichen so den Umbau unseres Energiesystems? Es diskutierten Susanna Zapreva, Geschäftsführerin Wien Energie; Josef Plank, Präsident Erneuerbare Energie Österreich; Andreas Werner, Institut für Energietechnik und Thermodynamik, TU Wien; und Alexander Peschl, Business Development Energy Sector, Siemens. Partner des Podiumgesprächs waren Wien Energie und Siemens. Durch das Gespräch mit Publikumsbeteiligung führte Martin Szelgrad, Report.
Fotos und Video unter sowie
Report: Frau Zapreva, wenn man die Möglichkeiten der Speicherung von Energie im Umfeld einer sich verändernden Welt der Energiewirtschaft betrachtet – welchen Herausforderungen begegnen hier Energieversorgungsunternehmen?
Susanna Zapreva, Wien Energie: Aus der Perspektive der Speicher betrachtet haben wir es mit zwei Themen zu tun: Der Speicherung von Gas und der Speicherung von Strom. Das Thema Speicher hat seit jeher mit Versorgungssicherheit zu tun. Im Gasbereich haben wir in Europa eine Situation, dass wir – wenn es zu Lieferausfällen von Gas käme – je nach Jahreszeit eine Versorgung aus eigener Kraft für 60 bis 90 Tage aufrechterhalten könnten. Bei Strom ist die Situation völlig anders. Strom lässt sich physikalisch wesentlich schwerer speichern. Die gegenwärtigen Kapazitäten zur Speicherung von Strom reichen in Europa aus, um die Versorgung für gerade einmal 24 Minuten zu gewährleisten. Dazu kommt, dass sich die Produktion von Strom generell zunehmend volatil gestaltet und dadurch die Anforderungen für und an Speicher steigen. Gleichzeitig sind die Rahmenbedingungen für ein Ausbau der Speicher nicht förderlich.
Durch komplette Umstrukturierung der Energiewirtschaft entstehen Probleme, deren Lösungen erst gefunden werden müssen.Meines Wissens ist für die nächsten zehn Jahre außer der Pumpspeicherung keine marktfähige Technologie für Strom da, die man wirtschaftlich im größeren Ausmaß einsetzen kann. Darüber hinaus werden wir über eine neue Marktgestaltung mit vielen Fassetten denken müssen, in der zum Beispiel nicht nur die Arbeit preislich bemessen ist, sondern auch die Leistung.
Report: Wien Energie hat gemeinsam mit der TU Wien kürzlich ein Wärmespeicherprojekt eröffnet. Was hat Sie bewogen, in diese Speichertechnologie zu investieren?
Susanna Zapreva: Der vorgestellte Wärmespeicher dient als Brücke, um unsere Stromerzeugung mit dem Fernwärmemarkt nachhaltig und sinnvoll zu verbinden. Als Gesamtanbieter von Strom, Gas und Wärme ist uns wichtig, das Thema nicht nur auf den Strom zu reduzieren. Nachdem wir es zunehmend mit sich ständig veränderten Rahmenbedingungen und fluktuierenden Preisen auf Stromseite zu tun haben, erhöhen wir mit dem Wärmespeicher am Standort Simmering auch unsere Flexibilität auf Schwankungen zu reagieren und einen Ausgleich über das Fernwärmesystem zu schaffen. Denn: Energieversorgung betrifft nicht ausschließlich die Erzeugung und Verteilung von Strom. Auch wenn wir von den Erneuerbaren reden sollten wir stets die gesamtenergiewirtschaftliche Situation im Auge haben. In Portfolio von Wien Energie ist eine umfassende Wärmeversorgung von Wien und dem Umland von Wien wesentlich. Da spielt dieser Wärmespeicher eine sehr wichtige Rolle hinsichtlich Effizienz.
Report: Herr Plank, im Verband Erneuerbare Energie Österreich sind unterschiedliche Interessen der Energiewirtschaft unter einem Dach vereint. Wie funktioniert das Zusammenspiel zwischen den Erneuerbaren und den größeren Energieversorgern in Österreich?
Josef Plank, Erneuerbare Energie Österreich: Wir haben im Verband tatsächlich dieses breite Band der traditionellen und in der Regel großen Energieversorgungsunternehmen bis hin zu den neuen, sogenannten »alternativen« Energieversorgern oder Energieproduzenten. Unser Verband ist eine gute Basis für die vielen Fragestellungen zur Energieversorgung der Zukunft, um die Energiewende zu einem wirtschaftlichen Erfolg zu machen. Österreich hat hier durch die geografische »Kleinheit« des Landes auch eine Chance, eine Vorreiterrolle zu spielen. Die große Frage aber, die wir dabei nicht aus den Augen verlieren dürfen, ist: Warum tun wir das überhaupt? Setzt man auf bestimmte Investitionen, weil es dort Förderungen gibt, oder gilt es, das Energiesystem in den nächsten paar Jahrzehnten auf ein treibhausgasfreies, kohlenstofffreies System umzustellen?
In der öffentlichen Diskussion von Energiethemen landen wir schnell beim Strom und übersehen dabei die großen Blöcke Wärme oder Mobilität. Doch rechnen sich die notwendigen Investitionen überhaupt? Derzeit ist dies nicht der Fall, bei den Strompreisen, die wir am Markt haben. Und trotzdem brauchen wir neue Technologien und Lösungen. Da stellt sich natürlich die Frage auf europäischer Ebene zur Regulierung des Marktes und der nötigen Veränderungen. Denn eines ist klar: Kohlenstofffreie Energiewirtschaft wird der Markt aus sich heraus alleine nicht hervorbringen – zumindest nicht auf sozialverträgliche Weise. Das braucht einen entsprechenden Rahmen, braucht Planung und natürlich Investitionen. Und es braucht das Zusammenspiel der Kräfte.
Eine weitere, durchaus auch kontroversielle Diskussion betrifft die Art von Energieerzeugungslösungen, ob zentrale oder dezentrale. Der»Prosumer« von morgen ist Energieproduzent und Konsument zugleich. Dazu wären auch lokale Energiespeicher nötig. Das ist ein spannendes Feld für die Technologieentwicklung, als auch für eine vorausschauende, planende und steuernde Politik. Letztere muss die Marktrichtungen verantworten. Wir glauben, dass dieser Weg gangbar ist, gerade hier in Österreich. Wir können hierzulande durchaus auch eine wirtschaftliche Stärke entwickeln, die zeigt, dass man mit erneuerbaren Energiesystemen erfolgreich sein kann. Aber sich nicht zu trauen und erst abzuwarten, wie es die anderen machen, das wird für Österreich keine Antwort sein. Stattdessen müssen wir die Chancen nutzen.
Report: Herr Professor Werner, Ihre Forschungsarbeit betrifft unter anderem den in Wien vorgestellten Wärmespeicher. Was macht diesen aus Forschungssicht interessant?
Andreas Werner, TU Wien: Der Hochdruckspeicher ist an sich etwas sehr Einfaches. Es ist ein Gefäß mit heißem und kaltem Wasser, die Schichten werden durch gezieltes Ein- und Ausströmen und durch eine Trennschicht gebildet. Es handelt sich also um zwei parallele Speicher, zirka 45 Meter hoch. Die Speicher selbst stehen unter Druck und sind so konzipiert, dass man knapp den Siededruck des Wassers überschreitet und damit Dampfblasenbildung vermeidet. Die Speicher haben eine Kapazität von 850 Megawattstunden. Bei einem Spitzenbedarf der Fernwärme Wien von zirka 1.700 bis 1.800 Megawatt bedeutet dies, Wien theoretisch eine halbe Stunde lang versorgen zu können. Das ist aber nur eine grobe Zahl und man würde es auch so nicht durchführen können, da die Energie in einer solch kurzen Zeit nicht ausgekoppelt werden könnte. Das Ziel des Projekts ist es, die Funktion des Speichers zu optimieren, den Betrieb an die Erfordernisse des Netzes anzupassen und auch sicherheitstechnische Analysen durchzuführen. Wir wollen auch erforschen, mit welchen Maßnahmen auch kritischen Betriebszuständen entgegengewirkt werden kann.
Report: Ist das nun eine Technologie, auf die Sie bei Wien Energie prinzipiell setzen werden? Wird es weitere Speicher geben?
Susanna Zapreva: Wir haben diesen ersten Speicher umgesetzt und wir werden nun Betriebserfahrungen dazu sammeln. Über eine Pufferlösung wie diese kann eine Speicherung zwischen Strom und dem Fernwärmenetz hergestellt werden. Wenn es wetterbedingt etwa ein Überangebot von Strom am Markt gibt, werden die Speicher gefüllt. Bei einem Wärmebedarf könnten dann unter Umständen damit auch Gaskraftwerke entlastet werden. Wir sind überzeugt davon, dass Strom zunehmend auch zur Abdeckung des Wärmebedarfs kommen wird. Die Gaskraftwerke sind ein natürlicher Partner der erneuerbaren Energien und über die Lösung der Wärmespeicher schaffen wir es hier eine Brücke zu bilden, denn Energie ist nicht nur Strom sondern auch Wärme und Brennstoff für Verkehr.
Report: Welche vielversprechenden Speicherlösungen und Produkte gibt es überhaupt am Markt? Siemens ist ja Hersteller einiger solcher Lösungen.
Alexander Peschl, Siemens: Als Technologieunternehmen interessieren wir uns natürlich sehr für dieses Thema. Wir stellen uns aber auch die Frage der Wirtschaftlichkeit der unterschiedlichen Technologien. Was davon kann noch wirtschaftlich werden? Welche Rahmenbedingungen wären dafür nötig? Das ist ein wesentlicher Punkt gerade im Zusammenhang mit der Frage nach der Speicherung von Energie. Auch muss man sich ansehen, wofür Speicher überhaupt verwendet werden. Da gibt es unterschiedlichste Einsatzfälle, beginnend bei kurzfristigen Zwischenspeicherungen und Überbrückung von kurzfristigen Vorhersagefehlern bis hin zur langfristigen Speicherung, die Speicherzyklen von Tagen bis zu Wochen haben. Bereits heute einsatzfähig sind natürlich Batteriespeicher. Auch dort ist die Frage der Wirtschaftlichkeit je nach Anwendungsfall unterschiedlich. In der langfristigen Speicherung, die wir auch für eine Energiezukunft in Europa brauchen, gibt es mit den Pumpspeichern heute ebenfalls bereits eine Lösung. Es wird nur kaum möglich sein, die Menge an Pumpspeicherkraftwerken in Europa zu errichten, die notwendig wäre, um beispielsweise einen Ausfall der gesamten erneuerbaren Energieversorgung kompensieren zu können.
Also brauchen wir auch hier noch andere Technologien. Einige sind im Demonstrationsstadium und es gibt erste Pilotanlagen – etwa bei Druckluftspeichern, in denen Luft komprimiert und in unterirdischen Kavernen gespeichert wird. Später wird beim Dekomprimieren dieser Druckluft wieder Energie erzeugt. Eine weitere Variante sind Massenschwungräder, sogenannte »Fly Wheels«, die auch über kürzere Zeiträume Energie speichern können. Eine dritte Option bietet Power-to-Gas. Hier wird Energie verwendet, um mittels Elektrolyse Wasserstoff aus Wasser zu erzeugen. Die Krux bei dieser Technologie ist aber die bis dato geringe Gesamteffizienz von 30 bis 40 %. Wirtschaftlich gesehen sind solche Lösungen daher noch schwierig umzusetzen. Wenn man sich aber den einen oder anderen Umwandlungsschritt ersparen kann – beispielsweise den Wasserstoff direkt weiterverwendet –, dann sieht die Lage schon anders aus.
Report: Kann man jetzt zu einer bestimmten Speichertechnologie sagen, dass sie effizienter als andere ist? Unabhängig von den Rahmenbedingungen?
Alexander Peschl: Siemens setzt stark auf das Thema Wasserstoff, also auf das Thema Power-to-Gas. Wasserstoff weist eine sehr hohe Energiedichte auf und ist langfristig speicherbar. Hier sind wir an einigen Pilotprojekten in Deutschland beteiligt. Wir testen zum Beispiel, wie Strom aus Windrädern, der bei einem Energieüberangebot nicht in die Netze eingespeist wird, dazu verwendet werden kann, um über Elektrolyse Wasserstoff zu erzeugen und diesen so zwischenzuspeichern. Bei dieser Technologie wird sich auch noch einiges weiterentwickeln. Das Spannende wird sein, unter Berücksichtung all der Aspekte den erzeugenden Konsumenten, den Prosumer im Kleinen genauso wie die großen Versorger in Kombination mit verschiedenen Energieerzeugungsformen und Energiespeichern gemeinsam zu optimieren. Das ist eine große Herausforderung für uns alle und Siemens wird einiges dazu beitragen können.