Giftmüll-Skandal
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Der Report Plus-Bericht über die Geheimstudie zur Sanierung der Aluschlackendeponie N6 schlug Wellen. Jetzt werden Details einer ominösen »Supergeheimstudie« bekannt, die einen schlimmen Verdacht nähren. Wurden Gefahrenpotenzial und Sanierungskosten von 200 bis 300 Millionen schöngerechnet?
Die Sanierung der Aluminiumschlackendeponie Berger westlich von Wiener Neustadt wird die Steuerzahler richtig Geld kosten. Wie viel Geld tatsächlich, ist offen. Mehrere Insider sprechen von Beträgen im Bereich von 200 bis gar 300 Millionen Euro, offizielle Stellungnahmen stehen freilich aus. Unbestritten ist, dass die Aluschlackendeponie – im Behördenjargon auch als Ökoaltlast N6 bezeichnet – gefährlich ist. Wie gefährlich, ist seit der Veröffentlichung einer »Geheimstudie« zu N6 im letzten Report Plus Gegenstand von Kontroversen und Empörung. Jetzt sind neue und brisante Unterlagen aufgetaucht, die die Sachlage weiter verkomplizieren. Daher kurz eine Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse. Bis etwa in die 80er-Jahre wurden insgesamt rund 700.00 Tonnen Aluminiumschlacke in die Bergerdeponie, vulgo N6, gekippt.
Aluschlacke ist ein Teufelszeug, das bereits alleine durch Kontakt mit Luftfeuchtigkeit extrem reaktiv reagiert. Besonders heikel ist der Umstand, dass N6 in der »Mitterndorfer Senke« liegt, die das größte Grundwasserreservoir Europas ist. Dass Sanierungsbedarf besteht ist seit den 90er-Jahren bekannt. Um auszuloten, wie gefährlich N6 tatsächlich ist, beauftragte die Bundesaltlastensanierungsgesellschaft (Balsa) die Montanuniversität Leoben mit einer Studie. Die Ergebnisse dieser »Geheimstudie« liegen – zumindest inoffiziell – seit Spätherbst vor. Offiziell wurde dazu geschwiegen. Bis zum Report-Plus-Bericht wusste nicht einmal der direkt betroffene Wiener Neustädter Bürgermeister Bernhard Müller Bescheid. Dieser hielt nach der Veröffentlichung prompt eine Pressekonferenz ab, um offen und ungewöhnlich heftig seinen Unmut über die Geheimniskrämerei zu äußern.
Brisante Supergeheimstudie
Jetzt sind neue Details aufgetaucht, die das Versteckspiel um Zahlen und tatsächliches Gefährdungspotenzial endgültig in einem ominösen Licht erscheinen lassen. Die Montanuni Leoben hat nicht nur diesen Herbst eine Studie abgeliefert, sondern bereits Anfang 2009 einen »Situationsbericht zur Altlast N6« verfasst, der dem Report Plus in wesentlichen Auszügen vorliegt. Erstaunlich: Die Ergebnisse über die Schadstofffrachten differieren gewaltig (siehe unten). Noch erstaunlicher: Balsa-PR-Mann Marco Jäger dementiert, dass es außer der schon durchgesickerten Studie 2010 bereits frühere Studien gegeben habe. Eine offizielle Erklärung für den drastischen Schwund des Schadstoffeintrages steht auch deswegen aus, weil die Montanuni zur Schweigepflicht verdonnert ist. Mangels offizieller Statements kann über die Hintergründe der Geheimniskrämerei nur spekuliert werden.
Aus Balsa-Kreisen wird etwa kolportiert, dass die Sanierungskosten für N6 vielleicht auch nur 100 statt der kolportierten 200 bis 300 Millionen Euro betragen könnten. Das wäre immerhin eine indirekte Erklärung für den »Schwund« der Schadstoffe. Wie etwa die Grünen monierten, steht die Balsa vor der Austrocknung ihrer Geldtöpfe, da die Zweckbindung des Altlastensanierungsbeitrages künftig wegfällt, was der Sanierungsgesellschaft bis 2014 rund 48 Millionen Euro an laufenden Einnahmen kosten dürfte. Darüber hinaus soll das Finanzministerium schon auf den Altlastensanierungsfonds – in dieser »Kriegskassa« liegen etwa 200 Millionen – spitzen. Womit sich eine Vermutung förmlich aufdrängt: Eine schnelle und konsequente Sanierung von N6 könnte die Balsa vielleicht gar nicht finanzieren. Was wiederum erklären könnte, warum die Studienergebnisse möglicherweise gar »schöngerechnet« wurden.
Zahlen & Fakten:
\"Verschwundene\" Giftfracht
Zahlen und Details der jüngsten Geheimstudie der Montanuni Leoben zum Gefahrenpotenzial der Aluschlackendeponie »N6« wurden bereits im letzten Report Plus genannt. Brisant: Untersucht wurde N6 bereits Anfang 2009 – und binnen eines Jahres ist die potenzielle Grundwasserbelastung geschmolzen wie Eis in der Sahara. Bei Chloriden etwa hat sich die Schadstofffracht – gemessen in Tonnen pro Jahr – fast um den Faktor 13 vermindert, der Kalium-Eintrag noch um den Faktor 11. Eine offizielle Erklärung für den massiven Giftschwund gibt es nicht. Die Montanuni verweist auf ihre Schweigepflicht, die Balsa dementiert die Existenz der älteren Studie von 2009 überhaupt.
Schadstofffracht in Tonnen/Jahr
| Studie 2009 | Studie 2010 |
Ammonium | 164 | 22 |
Nitrat | 547 | 39 |
Nitrit | 11 | 1 |
Natrium | 274 | 26 |
Kalium | 365 | 33 |
Chlorid | 986 | 77 |