Menu
A+ A A-

»Für die Klimaziele wird das nicht reichen«

»Für die Klimaziele wird das nicht reichen«

Den Stromverbrauch in Österreich bis 2030 vollständig aus erneuerbaren Energiequellen zu decken, ist das Ziel. Für die Photovoltaik bedeutet dies einen Sprung auf gut 15 GW Leistung. Vera Immitzer, Generalsekretärin des Verbandes Photovoltaic Austria, im Gespräch über Voraussetzungen und Möglichkeiten.

Report: Wie sollte das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz für den Ausbau der Photovoltaik gestaltet werden? Wie sieht Ihr Konzept dazu aus?

Vera Immitzer: Wir betrachten in unserem Konzept zwei parallel verlaufende Wege, um das Ziel zu erreichen: einerseits adaptierte Rahmenbedingungen und andererseits finanzielle Anreize. Klassische finanzielle Anreize sind weiterhin sinnvoll – in einem Fördersystem, das sicherlich zu größerer Effizienz auch in Richtung Investitionsförderungen kleinerer und mittelgroßer Anlagen umgestaltet werden muss. Bei großen Anlagen über 500 kWp sollte man dagegen zukünftig mit Ausschreibungen arbeiten.
Der andere Teil des Konzepts betrifft eine Adaption der Rahmenbedingungen, denn nur mit Förderungen allein werden die benötigten Mengen nicht erreicht werden.

Hier geht es etwa um Sensibilisierung der Bevölkerung und auch um die Ausbildung der Elektriker. Die Rahmenbedingungen schließen aber etwa auch Gesetzesveränderungen ein, um mit einer Gemeinschaftsanlage auch Personen in der Nachbarschaft versorgen zu können. So sollte generell der Handel mit eigenerzeugtem Strom ermöglicht werden. Eine weitere längst überfällige Maßnahme ist die Streichung der Eigenverbrauchssteuer für eigenerzeugten und selber verbrauchten Strom. 

Report: Wenn PV einen großen Anteil an dem Regierungsziel 100 % Erneuerbare bei Strom haben soll – sollten generell auch Verpflichtungen überlegt werden?

Immitzer: Eine verpflichtende PV-Anlage auf öffentlichen Gebäuden ist auch unser Vorschlag und sollte rasch umgesetzt werden. Ebenso fordern wir das bei Einkaufszentren, die viel Energie benötigen und auch extrem viel Fläche versiegeln. Eine Überdachung der Parkplätze hätte mehrfachen Nutzen: die Erzeugung von grünem Strom sowie Beschattung und Abdeckung bei Regen und Schnee. Wenn dann auch eine Elektrotankstelle vor Ort daraus gespeist wird, wird eine weitere Synergie geschaffen.

Report: Mit welchem Ausbau rechnen Sie für Österreich heuer?

Immitzer: Wir gehen von einer installierten Leistung von 1,4 GW Ende des Jahres aus und rechnen mit einem Zubau von rund 200 MW. Das ist ein leichter Anstieg im Jahresvergleich, bedingt durch eine Adaptierung des Tarif-Fördersystems. Seit heuer werden Anlagen nicht wie bislang üblich ausschließlich als Volleinspeiser gewertet. Der Eigenverbrauch wird nun auch im Förderbudget beachtet, was bei gleichem Budget zu einer größeren Zahl förderbarer Anlagen führt.

Derzeit, für 2018 und 2019, haben wir relativ stabile Rahmenbedingungen –Tarifförderungen durch die OeMAG, Investitionsförderungen für PV und Speicher, die ebenfalls durch die OeMAG abgewickelt werden, und – hier sind wir zuversichtlich – Investitionsförderungen durch den Klima- und Energiefonds, die für Private zu Verfügung gestellt werden. Für das erwähnte Stromziel 2030 wird das aber nicht reichen.

Report: Die Technologieplattform Photovoltaik hat im November eine Forschungstagung in Krems abgehalten – was ist aus Ihrer Sicht Wesentliches diskutiert worden?

Immitzer: Ein Fokus wurde auf Innovationen und neue Anwendungsmöglichkeiten für PV-Anlagen gelegt. Es geht um die Integration ins Gebäude, in die Fassade und sogar ins Auto oder in die Fahrbahn, wenn etwa in Deutschland bereits Fahrradwege mit Modulen bestückt werden. Photovoltaik kann auch in der Kleidung genutzt werden. In Dänemark werden bei Dachsanierungen bereits Module fertig in Bauteile integriert per Kran aufs Dach gehoben und verbaut. Bauarbeiten werden dadurch extrem beschleunigt.

Um den Ausbau zu schaffen, sind weiterhin enorm viel Forschung und Entwicklung wichtig. Aber auch Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung ist notwendig, um zu zeigen, was mittlerweile schon alles möglich ist. Das betrifft dann auch PV-Module, die beispielsweise beidseitig mit Zellen bestückt sind, um auch Reflexionen zu nutzen – oder senkrecht ausgerichtete Kollektoren am Boden, um weniger Fläche zu belegen.

Report: Wie offen sind Bauträger bei Sanierungen, auch gleich PV einzuplanen? Ist es Kostenthema oder mangelt es an Verständnis?

Immitzer: Noch gibt es eher eine Zurückhaltung, da oft das Wissen über die Möglichkeiten fehlt. Hier müssen wir noch andere Zielgruppen wie Dachdecker  oder Installateure gewinnen. Werden sie mit der Errichtung oder eben der Sanierung beauftragt, könnten sie den Kunden auch für eine PV-Anlage sensibilisieren und diese schmackhaft machen. Die Installation erfolgt dann ohnehin durch den Elektriker. Auch den Fassadenbauer müssen wir als Multiplikator erreichen. Prinzipiell müssen wir mehr Gewerke erreichen, in der ganzen Vielfalt der Anwendungen von Photovoltaik. Für viele sind PV-Anlagen natürlich etwas Neues, das anfangs mit einem gewissen Aufwand für Einlesen und Schulungen verbunden ist.

Andere Branchen wie die Landwirtschaft setzen bereits sehr erfolgreich auf PV auf Hallen- und Stalldächern zur Deckung des Eigenbedarfs bei Belüftung, Kühlung und teilweise auch Wärme. Wir gehen hier noch weiter und empfehlen auch Anlagen für landwirtschaftlich genutzte Flächen. So können unter PV-Freiflächenanlagen Schafe gezüchtet werden, die ja auch Schatten brauchen, ebenso wie bestimmte Pflanzenarten, die besonders von der Mittagssonne gestresst werden. Mit dem zunehmenden Klimawandel könnte das neue Möglichkeiten bringen.

Es gibt tolle Projekte in Deutschland, wo der Traktor einfach unter den Modulen, die auf mehreren Metern Höhe befestigt sind, durchfährt. Und natürlich gibt es bereits auch Traktoren, die elektrisch fah­ren. Wir sehen bereits, dass der Umstieg auf Photovoltaik machbar ist.


Wirtschaftlichkeit von PV

Die Rentabilität einer PV-Anlage hängt von Faktoren wie Modulpreisen, Dimensionierung, Grad des Eigenverbrauchs und des Strompreises ab – je größer eine Anlage, desto geringer die Gestehungskosten, die Herstellung und Betrieb umfassen. Wird der erzeugte Strom vor Ort zu einem großen Teil verbraucht, begünstigt dies die Wirtschaftlichkeit. Größere Anlagen im Gewerbe rentieren sich nach fünf bis acht Jahren, kleinere im privaten Bereich ab etwa sieben bis zehn Jahren. Darüber hinaus produzieren Anlagen in der Regel weitere 20 Jahre lang. Eine der ältesten PV-Anlagen Österreichs wird von der Energie AG am Loser betrieben: Sie ist 30 Jahre alt.

back to top