Es kann nur noch gemeinsam gehen
- Written by Martin Szelgrad
- font size decrease font size increase font size
Europas größte Messe für fossile Energie, die Power-Gen, tagte Anfang Juni im Wien und zählte mehr als 12.000 Besucher.
Messedirektor Nigel Blackaby lobt im Gespräch mit dem Report die heimische Politik für die »großartige Unterstützung«, den Branchenevent nach Wien zu bringen. Österreich wird als Tor zu den Märkten im Osten für die Technologieanbieter gesehen. Also hatte sich neben Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner der russische Energie-Staatssekretär Yury Sentyurin eingefunden, und auch eine hochrangige türkische Delegation informierte sich zu Neuerungen in der Energieerzeugung. So kann Russland seinen massiv steigenden Energiebedarf derzeit nur mit Öl und Kohle stemmen – weiß aber um die Notwendigkeit eines Engagements über die Fossilen hinaus.
Für die Erneuerbaren organisierte der britische Messeveranstalter mit der »Renewable Energy World« quasi eine weitere Messe in der Messe. »Die Botschaft dazu ist für uns klar: Wir wollen diese beiden Welten zusammenführen«, betont Blackaby. Regenerative Stromerzeugung sei heute bereits »Mainstream Business«. Jetzt geht es um die Anbindung an die bestehenden Verteilnetze. Das internationale Energiewachstum wird Prognosen zufolge bis 2035 um ein Drittel ansteigen und jede Nation wird die Auswirkungen spüren. So ruft die versammelte Wirtschaft die Politik auf, schnell für stabile Rahmenbedingungen zu sorgen. Dass die Stromerzeugung in Europa trotz modernster Kraftwerke derzeit bizarren Preisentwicklungen unterworfen ist, wird einer fehlenden gemeinsamen internationalen Energiestrategie angekreidet. Die Verstromung von Kohle ist aufgrund der billigen CO2-Zertifikate in Europa so billig, dass herkömmliche Gaskraftwerke unrentabel geworden sind. Diese aber werden dringend für den Ausgleich mit den Wind- und Solarerzeugern in den Netzen benötigt.
Kraftwerksausrüster wie Alstom, ABB oder Siemens sind das beste Beispiel, wie sich das alte Regime mit der neuen Energiewelt vereinbaren lässt – vorausgesetzt die Netzbetreiber und Erzeugungsunternehmen investieren kräftig in die neuen Technologien. Um ein Beispiel aufzugreifen: Siemens lässt mit einer neuen Dampfturbine für Geothermiekraftwerke, der »SST-500 GEO« mit einer Leistung von bis zu 120 Megawatt, rund um die Uhr Strom erzeugen. In Deutschland und Österreich spielen solche Kraftwerke geologisch bedingt noch keine Rolle. Die weltweit installierte Leistung für Stromerzeugung aus Geothermie hat 2012 aber mehr als elf Gigawatt betragen – Tendenz steigend.
Lothar Balling, Leiter des Bereichs Gaskraftwerke bei Siemens, setzt nun auf kleinere, wendige Gasturbinen für den volatilen Markt. Das Gas-und-Dampfkraftwerk im deutschen Irsching ist seit zwei Jahren erfolgreich in Betrieb und schafft eine »Load Increase« auf 64 MW aus dem Standby in nur zehn Sekunden, um etwa auf veränderte Windverhältnisse in Windparks reagieren zu können. Eine »Decrease« von 250 MW ist in kurzen sechs Sekunden möglich – wenn die Sonne durch die Wolkendecke in Bayern kommt und die PV-Erträge sprudeln lässt. Auch kleinere Anlagen mit Wärmeauskoppelung, die schneller hoch- und runtergefahren werden können, einhergehend mit neuen Marktmechanismen, die nicht mehr die erzeugte Kilowattstunde, sondern bereitgestellte Kapazitäten entlohnen – so könnte ein Weg aussehen, der langfristige Investments in Kraftwerke wieder sinnvoll ermöglicht.
Alstom-Geschäftsführer Josef Reisel stimmt in die Forderungen nach neuen Rahmenbedingungen mit ein. Der Konzern ist in heimischen Gefilden vor allem Zulieferer für die Wasserkraft. Zuletzt wurde Alstom mit der Modernisierung von zwei Generatoren im Pumpspeicherkraftwerk Kaprun von der Verbund Hydro Power AG beauftragt. Wasserkraftwerke wandeln gut 90 % der Energie in Elektrizität um und sind damit weiterhin die Energiespeicher mit dem höchsten Wirkungsgrad. Im fossilen Bereich schafft man mit dem Kombikraftwerk KA26 einen Start vom Stand weg auf 350 MW in weniger als 15 Minuten. Für leistungsfähige Solarkraftwerke liefert Alstom eine ebenfalls 350 MW starke Turbine.