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Mist macht Profit

Beim Thema Müllverbrennung scheiden sich die Geister. Für die Energieversorger bedeutet diese Technologie die Chance auf günstige Produktion von Wärme und Strom. Mit neuen Verfahren können die Schadstoffemissionen noch weiter reduziert werden. Die Industrie muss als Partner auf den Zug aufspringen.

Am 9. Februar ist die Frist für Einsprüche gegen die Reststoffverwertungsanlage Heiligenkreuz (RVH) beim Umweltsenat abgelaufen. Der Betreiber des Projekts, die burgenländische Begas Kraftwerk GmbH, muss nun abwarten, was der Bescheid des Umweltsenats sagt und ob dagegen wieder, wie schon seit längerem, von Bürgerinitiativen berufen wird. Eigentlich hätte schon im Vorjahr mit dem Bau der Anlage mit 99 MW Brennstoffwärmeleistung begonnen werden sollen. Aus dem geplanten Fertigstellungstermin 2011 soll jetzt der Baustart werden, mit einer Fertigstellung wäre dann 2013 zu rechnen. Dass die Müllverbrennungsanlage aber realisiert wird, daran lässt Begas-Vorstand Reinhard Schweifer laut der Tageszeitung Kurier aber keinen Zweifel.  
Durch das Energiezentrum Heiligenkreuz, zu dem auch eine bereits fertiggestellte Biomasseanlage gehört, komme es zu einer Aufwertung des Produktionsstandortes, argumentiert die Begas: Die rund 115-Millionen-Euro-Investition in eine thermische Reststoffverwertungsanlage könne die kostengünstige und nachhaltige Strom- und Wärmeversorgung für die regionalen Produktionsbetriebe sicherstellen. In der thermischen Verwertungsanlage soll aus Reststoffen, die von Abfällen anfallen, Energie mittels einer Kraft-Wärme-Kopplung produziert werden. Die durch die Verbrennung entstehende Energie wird nicht nur zur Stromgewinnung in einem Turbo-Generator genutzt, sondern auch die verbleibende Abwärme als Energiequelle für die umliegenden Industriebetriebe genutzt.

Streit um Müll
Rund um das Thema Müllverbrennung wogt der Streit um deren Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit seit den 80er-Jahren hin und her. Zwar wurden in den letzten Jahren die Schadstoff­emissionen deutlich reduziert, Umweltorganisationen wie Greenpeace warnen dennoch vor dieser Technologie. Giftige Substanzen würden trotz Schadstoffreduktion in die Atmosphäre gelangen, Dioxin und andere Stoffe würden, auch wenn sie in den Schornsteinabgasen reduziert werden, in anderen Rückständen der Verbrennungsanlagen emittiert. Zudem seien Müllverbrennungsanlagen in puncto Müllvermeidung kontraproduktiv, weil die Anlagen aus ökonomischen Gründen maximal ausgenützt werden müssten.
Befürworter argumentieren, dass durch strenge Auflagen und Regelungen Müllverbrennungsanlagen heute bei den Staub-, Schwermetall- und Dioxinemissionen keine Rolle mehr spielen würden. So ist laut deutschem Umweltministerium der gesamte Dioxinausstoß aus den 66 deutschen Müllverbrennungsanlagen durch Filteranlagen von 400 Gramm auf weniger als 0,5 Gramm zurückgegangen.

Schwefel gegen Dioxine
Nun hat das Institut für Ökologische Chemie bei München ein neues Verfahren entwickelt, mit dem die Entstehung der giftigen Dioxine noch weiter reduziert werden kann. Durch Beimischung von Schwefelverbindungen, wie sie im normalen Hausmüll vorkommen, sei, zumindest im Labor, im Müllverbrennungsprozess eine Verringerung des Dioxinausstoßes von bis zu 99 % erreicht worden, teilt das Institut mit. »Bereits mit einer Zugabe von nur fünf Gewichtsprozenten Amidosulfonsäure reduzierte sich die Dioxinbildung um 97 Prozent«, erzählt der Wissenschaftler Dieter Lenoir. Diese Erkenntnis könne auch auf andere Verbrennungsanlagen wie Kohlekraftwerke angewandt werden. Nun sucht das Institut Partner aus der Industrie, um die Ergebnisse im Großversuch abzutesten.

Markt wächst
Der Markt für private Investoren wäre vorhanden. Die Müllverbrennung in Europa wächst laut einer Studie des Marktforschers Frost & Sullivan kontinuierlich an. Europas Kapazitäten für Müllverbrennungsanlagen werden demnach in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich um weitere 13 Millionen Tonnen wachsen und daher mehr als 100 neue Anlagen entstehen lassen. Als »Top-Geschäft« sieht das Institut vor allem die energieerzeugende Müllverbrennung. Die zum Großteil noch in öffentlicher Hand befindlichen Entsorgungseinrichtungen seien auf dem besten Weg, zu profitablen Selbstläufern zu werden, weil die aus ihnen gewonnene Wärme und auch elektrische Energie zu guten Preisen verkauft werden könne, meinen die Marktforscher. Und die strengeren Umweltauflagen würden größere Investitionen erfordern, was den Markt für private Investoren eröffne, weil sich die öffentliche Hand das alleine nicht mehr leisten kann.

EVUs setzen auf Müll
Gefragt als Partner sind in erster Linie die Energieversorgungsunternehmen. Nicht nur die Begas im Burgenland hat die Potenziale erkannt, die der Müll bei der Erzeugung von Wärme, aber auch elektrischer Energie beinhaltet. Die Wien Energie beispielsweise betreibt über die Fernwärme Wien Abfallbehandlung an drei Standorten: Spittelau, Flötzersteig und Simmeringer Haide. Die Anlage Spittelau liefert darüber hinaus seit dem vergangenen Jahr nicht nur Fernwärme, sondern auch Fernkälte zur Gebäudekühlung. Die für den Betrieb der Kältemaschinen notwendige Wärme und Strom werden aus der thermischen Behandlung des Abfalls gewonnen. Unter anderem wird damit das Allgemeine Krankenhaus Wien versorgt.
Der niederösterreichische Energieversorger EVN exportiert die Müllverbrennungstechnologie sogar und wird ab 2013 in der kroatischen Hauptstadt Zagreb, wo Müllverbrennung bislang nicht stattfindet, eine Anlage errichten. Und die Kärntner Kelag hat gemeinsam mit Partnern aus der Industrie im Jahr 2005 eine Müllverbrennungsanlage in Arnoldstein eröffnet, die pro Stunde elf Tonnen Abfälle verarbeitet.

Hybride Regelung
Die Wirtschaftlichkeit von Müllverbrennungsanlagen steigt mit der Qualität der eingesetzten Feuerleistungsregelung. Je stabiler die Leistung eines Müllkessels bei ihrem Sollwert gehalten werden kann, desto mehr Müll kann innerhalb eines bestimmten Zeitraums durchgesetzt werden. Aufgrund der starken Inhomogenität des Brennstoffes Müll stellt jedoch die Feuerleistungsregelung eine besondere Herausforderung dar.
Bei Müllverbrennungsanlagen, die mit konventionellen Regelkonzepten arbeiten, kann es passieren, dass das Regelverhalten fehlerhaft arbeitet. Als Alternative wird deshalb öfter die Fuzzy-Technologie angewandt. In Form linguistischer Regeln abgebildete Regelfunktionalitäten können alle möglichen Betriebszustände der Anlage definieren und je nach Qualität des Mülls die passenden Regelvorgänge festlegen. Allerdings hat ein Fuzzy-Regler so viele Parameter, dass er nur für ganz bestimmte Anlagen optimiert werden kann. Siemens Power Generation hat deshalb das hybride Regelkonzept SPPA-P3000 entwickelt, das die Vorteile beider Regelungstechniken – einfachere Handhabung und Anpassungsfähigkeit – kombiniert. Mit dieser Technologie kann das Betriebsverhalten von Müllverbrennungsanlagen stabil gehalten werden, während gleichzeitig die Randbedingungen für Emissionswerte und Ausbrand erreicht werden können. Die Leistung des Kessels kann damit erhöht werden, was zu einer Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der Anlage führt. Das SPPA-P3000 wird im Müllheizkraftwerk in der deutschen Stadt Leverkusen eingesetzt. Messergebnisse in dieser Anlage zeigen ein sehr positives Betriebsverhalten. Die Schwankungen des erzeugten Dampfstroms liegen bei gleichzeitiger Einhaltung der CO-Werte im Bereich von +/- 5 %.
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