Jedes Szenario individuell betrachten
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Welche Technologie wird die Zukunft elektrischer Speicher im »Home«-Bereich? Speicher im Vergleich: von Blei-Säure- über Lithium-Ionen-Akkus bis zu Redox-Flow-Batterien.
Von Prof. Karl-Heinz Pettinger
Aktuell finden sich auf dem Markt der elektrischen Speicher nur wenige, teilweise sehr unterschiedliche Speicherlösungen wieder. Von intensiv erforschten Zellsystemen bis zu neuen, viel versprechenden Systemen mit hoher Marktreife. Die technischen wie chemischen Eckdaten sind nur schwer zu erfassen, aber mit Hilfe ausgewählter Parameter können die interessantesten Technologien aussagekräftig miteinander verglichen, und so auch ein passendes Nutzungsprofil für potentielle Käufer und zukünftige Projekte erstellt werden. Zu den wichtigsten Eckdaten zählen der Wirkungsgrad, die Zyklenlebensdauer, der Aufwand für Wartung und Reparatur und natürlich die Systemkosten, anhand dieser sich die Kosten pro installierte Kilowattstunde Speicherkapazität ableiten lassen. Diese Kosten gelten als Hauptgrund, für den nur langsam wachsenden Einsatz von Stromspeichern im Home-Storage wie im gewerblichen Bereich. Der relativ hohe Speicherpreis sowie die unsicheren politischen Rahmenbedingungen drosseln aktuell die Vermarktung. Beide Faktoren werden sich allerdings zu Gunsten von Stromspeichern entwickeln. Prognosen sprechen von einer Steigerung der aktuellen Strompreise auf über 40 Cent pro kWh bis zum Jahr 2050. Für effiziente regenerative Energieerzeugung und Energienutzung rückt der Stromspeicher damit immer weiter in den Investitionsfokus. Der zweite Faktor und der wahrscheinlich wichtigste Kaufindikator betrifft die zu erwartende Senkung der Systemkosten. Die Anschaffung eines Speichers stellt eine einmalige Investition dar, die sich in der Höhe nur minimal verändern lässt. Die Marktpreise liegen größtenteils auf einem angeglichenen Niveau, Schnäppchen sind kaum möglich. Diese kurzfristigen Kosten, also der Kaufpreis, werden vor allem von den Systemkosten eines Speichers bestimmt; von den Zellen, dem Batteriemanagementsystem und dem Wandler. Wenn es um die Prognosen der Preisentwicklung geht, steht die Zelle im Mittelpunkt. Denn zur Speicherung elektrischer Energie können verschiedene Zellen verwendet werden, wie etwa Natrium/ Schwefel-, Redox-Flow-, Blei-Säure- und Lithium-Ionen-Batterien. Genau hier liegt das Potenzial zur raschen Verbreitung von Stromspeichern in Haushalten, Objektbauten und Großprojekten. Denn die Entwicklung der Zellen – technisch wie wirtschaftlich – wird die Speichernutzung in den nächsten Jahren entscheidend voranbringen. Es ist bereits ein Preisverfall bei Speicherzellen spürbar. Welche der Technologien sich langfristig durchsetzen wird, ist noch nicht entschieden, aber einiges weist auf einen klaren Sieger hin.
Technologie mit Ecken und Kanten
Seit Jahren etabliert und vor allem für Daueranwendungen ausgelegt sind die so genannten Bleispeicher oder Blei-Säure-Batterien. Momentan die am preiswertesten herstellbare Batterie am Markt und damit oft genutzt: als Starthilfe für den PKW, zur unterbrechungsfreien Stromversorgung, als Notstromversorgung oder zur Nutzung von Heimspeichern. Zahlreiche Hersteller bieten dieses System an, da es als sichere Technologie gilt. Das große Problem: Die Chemie kann icht überlistet werden. Bleispeicher sind nicht hochstromfest. Jede Anwendung erfordert eine enorme Überdimensionierung und damit nicht nur mehr Platz, sonder n auch mehr Kosten. Die geringe Lebensdauer sowie das enorme Gewicht gelten ebenfalls als Negativpunkte der Technologie. Zudem muss bei Bleispeichern auf eine gute Belüftung geachtet werde. Speziell für den Einsatz im Home-Storage-Bereich ist dies aber kontraproduktiv, denn das Durchbrechen von Außenverbindungen für die Belüftung steht einer energieeffizienten Bauweise klar entgegen. Der relativ hohe Wartungs- und Austauschbedarf ist ein weiteres Hemmnis für den flächendeckenden Einsatz.
Technologie unter Preisdruck
Das zweite, am Markt befindliche Speichersystem, ist der Lithium-Ionen-Speicher. Ein chemisches Speichersystem mit hoher Energiedichte und einem sehr hohen (90-95%) Wirkungsgrad. Eigentlich für mobile Anwendungen entwickelt, deckt es mittlerweile einen sehr breiten Markt ab. Von der Handy-Anwendung bis zur Pufferung von Wohnquartieren. So ging im Oktober ein 5 MW großer Lithium-Speicher der Younicos AG aus Berlin für die Pufferknotenversorgung im Norden Deutschlands ans Netz. Die immense Reaktionsfähigkeit von Lithium-Ionen prädestinieren diese Zellen für Großprojekte. Denn der Entwicklungsgedanke sieht Lithium-Ionen als Hochleistungsbatterien. Dank des sehr hohen Verhältnisses von Leistung zu Energie eignet sich diese Technologie besonders als Kurzzeitspeicher über Minuten oder Stunden. Große internationale Hersteller garantieren zudem eine Batterieleistung von bis zu 20 Jahren. Kombiniert mit der fast hundertprozentigen Wartungsfreiheit sind die Lithium-Eckdaten äußerst interessant. Die Systemnachteile finden sich hier im Kosten- wie auch Sicherheitsbereich. Vor allem die relativ hohen Zellkosten von etwa 500 bis 1.000 Euro pro Kilowattstunde schaden dieser Technologie. Der Grund für diese enormen Kosten ist in der Materialbasis zu finden. Denn für die Speichermassen werden bestimmte Edelmetalle benötigt wie beispielsweise Nickel und Kobalt. Diese so genannten Buntmetalle unterliegen dem Spot-Markt und gelten damit als Spekulationsmetalle. Ein künstliches Problem, das weder plan- noch steuerbar ist und zudem eine grundlegende, gesellschaftliche Problematik reflektiert, die sich in absehbarer Zeit kaum verändern wird. Dieser Kostenfaktor kann allerdings über einen anderen Parameter gedrosselt werden, nicht in der Herstellung, sondern in der Verwertung. Forschungseinrichtungen arbeiten bereits am Second-Life von Lithium-Ionen-Zellen, um beispielsweise eine Wiederverwendung gebrauchter Automobilbatterien für den Heimbereich zu ermöglichen. Ähnlich wie die jüngeren Geschwister, die die Kleider der älteren nutzen. Denn Automobilbatterien werden sehr günstig hergestellt, günstiger als beispielsweise Heimspeicherbatterien. Werden diese dann nochmals gebraucht auf dem Markt angeboten, sinkt der ursprüngliche Preis drastisch. Wenn der Staat, die Industrie und der Handel bei der Wiederverwertung langfristig an einem Strang ziehen, wird enormes Potenzial für Preissenkungen freigesetzt. Momentan gelten Lithium-Batterien im Home-Storage-Bereich aber noch als Preistreiber. Genau deshalb richtet sich das Interesse des Marktes auf die dritte, relativ neue Technologie am Speichermarkt: die Redox-Flow-Batterien.
Technologie für die Zukunft?
In den letzten Monaten wurden kleinere Redox-Flow-Systeme, 5 bis 50 KWh, für den Heimspeicherbereich angekündigt. Prototypen gibt es bereits seit längerem, aber der tatsächliche Praxiseinsatz läuft erst an. Dieser Testlauf wird mit viel Interesse beobachtet. Die Redox-Flow-Technologie gilt bereits jetzt als starker Konkurrent des Lithium-Systems, besonders bei Heimspeicher-Anwendungen. Denn trotz der Vorteile von Lithium-Batterien profitieren vor allem die Technologien für Mobilität von den Stärken dieser Primärzelle. Die hohe Energiedichte von Lithiumbatterien ist eigentlich zu schade für den Heimspeicherbereich. Dagegen eignet sich die Redox-Flow-Technologie mit einem Wirkungsgrad von bis zu 80 % hervorragend als Saisonspeicher. Der Energieträger altert oder verschleißt praktisch nicht und ist damit – bei geringem Wartungsaufwand – nahezu unbegrenzt haltbar. So muss ein Bleiakku im Betrieb des Heimspeichers beispielsweise alle fünf bis sieben Jahre ausgetauscht werden, bei Redox-Flow-Batterien wie auch Lithium-Ionen-Akkus erst nach etwa 25 Jahren. Je nach Anforderung können Leistung und Energie getrennt und flexibel skaliert werden. Zudem haben Redox-Flow-Batterien fast keine Selbstentladung. Kurz gesagt: eine robuste Technologie mit hoher Zyklenlebensdauer, die gleichzeitig sehr kostengünstig ist – die perfekte Kombination für Home-Storage-Anwendungen. Der niedrige Zellpreis dieses neuen Batteriesystems erklärt sich über die verwendeten Materialien. So werden bei Redox-Flow-Batterien keine Buntmetalle verwendet, im Gegensatz zu Lithiumzellen. Die Rohmaterialbasis von Redow-Flox-Zellen beinhaltet größtenteils preiswerte Elektroden aus simplen Graphit, ein häufig vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der Elemente. Das Speichermaterial selbst besteht aus Schwefelsäure und Vanadiumsalzen. Viele Fachleute gehen inzwischen davon aus, dass die momentane Marktmacht von Lithium-Batterien und den folgenden Blei-Batterien in den nächsten fünf Jahren von der Redox-Flow-Technologie abgelöst wird.
Monetär vs. nachhaltig
Um eine nachhaltige Speicherlösung zu erarbeiten, muss jedes Wohn- und Nutzungsszenario individuell betrachtet werden. Kurzfristige finanzielle Vorteile sollten nicht im Vordergrund stehen, sondern die Umsetzung einer nachhaltigen Lösung, die in einem Zeitrahmen von 10 bis 20 Jahren greift. So kostet im Augenblick die kWh Strom in Deutschland circa 25 Cent (Anm.: In Österreich rund 20 Cent/kWh im Haushaltsbereich). Mittelfristig wird dieser Preis auf über 40 Cent/kWh steigen. Genau dann wird ein Speicher wirklich rentabel. Warum dann bereits jetzt einen Speicher planen? Die Antwort ist einfach: Weil Speicher bereits jetzt relativ günstig sind, wenn sie – wie es mancherorts der Fall ist – auch gefördert werden. Im Idealfall garantiert der Speicheranbieter 10 bis 15 Jahre Laufzeit sowie einen kostenlosen Ersatz bei Defekt. Diese Absicherung ist wichtig und sinnvoll und macht den heutigen Speicherkauf umso rentabler. Prinzipiell gilt, dass sich die Rentabilität eines Speichers stark beeinflussen lässt, da sie sich aus der Intensität der Nutzung ergibt. Je öfter der Speicher also be- und entladen wird, desto geringer fallen die Speicherungskosten pro genutzter Kilowattstunde Energie aus. Eine standort- und nutzungsorientierte Betrachtung gibt die Antwort, ob sich ein Speicher rechnet oder nicht.