Sommerfrisch
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Der Sommer lacht, die Köpfe rauchen, die Ferne lockt: Das bisschen Krise kann uns doch den Urlaub nicht verderben. Im Gegenteil!
Gerade jetzt, in Zeiten der Depression, sorgt es für gute Laune, einmal Abstand zu suchen und die wichtigen Dinge des Lebens wieder klarer zu betrachten. Natürlich schadet es nicht, Ihre Abwesenheit gründlich vorzubereiten, damit in der Zwischenzeit nicht an Ihrem Ast gesägt werden kann. So empfiehlt es sich, bereits Wochen vor der Abreise die eigenen Dateien und Unterlagen mit Sorgfalt entweder im eigenen Büro gefinkelt zu verstecken oder aber, als Variante für besonders Besorgte, sämtliche Dateien im Büro einfach zu löschen und diese während der Reise am USB-Stick in diversen Körperöffnungen mit sich zu führen – sicher ist sicher. Besonders Schlaue lassen den anscheinenden Datenverlust wie von der Vertretung verschuldete EDV-Katastrophen aussehen – mal ehrlich, braucht ein Computer wirklich so viele Systemdateien? – und können sich bei Ihrer Rückkehr samt Unterlagen als weise, mitdenkende Datenretter feiern lassen. Vorausschauende Leistungsträger, denen auch im Urlaub der Weg zum Laptop nicht zu weit ist, können überdies vom anonymen Email-Account aus ihre Vertretung mit immer wütender werdenden Anfragen zu nicht existenten Projekten an den Rand des wohl verdienten Wahnsinns treiben und so ihre eigene Unersetzlichkeit in der Firma untermauern. Wenn in der Chefetage klar ist, dass nur Sie selbst den Überblick über Ihr erschreckend komplexes und diffiziles Aufgabengebiet haben, sind Sie bald selbst too big to fail – vielleicht winkt Ihnen sogar eine Gehaltserhöhung, wenn sich Ihr Ersatzmann besonders blamiert!
Verweisen Sie bei der Abreise höflich, aber bestimmt darauf, dass Sie in Ihrem wohlverdienten Urlaub nur in absoluten Notfällen per Telefon gestört werden wollen und bereiten Sie für die Zeit stattdessen einen umfangreichen Leitfaden vor. Es empfiehlt sich, dieses beeindruckende Dokument im Umfang von etwa 400 Seiten auszudrucken und nach wenigen einleitenden Sätzen aus dem »Tractatus logico-philosophicus« verschiedene Arbeitsversionen des Lissabon-Vertrags in den Text einfließen zu lassen, um allzu übereifrige Leser zugleich abzuschrecken und ihnen die Vergeblichkeit des vermessenen Ansinnens, dass Sie tatsächlich irgendwie vertreten werden könnten, klarzumachen. Überlassen Sie beim unweigerlich stattfindenden Anruf Ihrer verzweifelten Vertretung nichts dem Zufall: Antworten Sie freundlich und in aller Kürze, zeigen Sie Verständnis für die Überforderung und bitten Sie aber im Anschluss gleich darum, jetzt vielleicht wieder zum Golfspiel mit dem CEO eines angesehenen, aber weitgehend unbekannten Unternehmens im hochinteressanten Gebiet der Künstliche-Intelligenz-Forschung zurückkehren zu dürfen.
Wenn Sie nach drei Wochen wieder frisch gestärkt an Ihren Arbeitsplatz zurückkehren, wird man Sie wie einen Messias empfangen. Ein Tipp zum Abschluss: Das Schöne daran ist, dass Sie nicht einmal unbedingt verreisen müssen. Wer seinen Urlaub bei zugezogenen Jalousien zu Hause mit einer Tube Selbstbräuner genießt, kann sich sogar heimlich des Nachts im Büro vergewissern, dass alles nach Plan läuft – sicher ist sicher. Schönen Urlaub!