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Letzte Rettung

Wenn über dem Unternehmen der Pleitegeier kreist, ist es bereits fünf vor zwölf. Ein qualifizierter Sanierungsberater kann zwar keine Wunder bewirken, aber manchmal noch einen Konkurs abwenden oder die Weichen für einen Neubeginn stellen. Je früher Hilfe geholt wird, desto besser sind die Überlebenschancen des Betriebes.

Nimmt man die Zahl der Unternehmenspleiten im ersten Halbjahr, haben Österreichs Betriebe der Wirtschaftskrise bisher tapfer standgehalten. Plus neun Prozent gegenüber dem Vorjahr sind ein relativ moderater Anstieg angesichts der düsteren Prophezeiungen im Herbst 2008. Da aber einige große Firmen in die Insolvenz schlitterten, betrugen die Passiva rund zwei Milliarden Euro – um 82 Prozent mehr als im Jahr davor. Auch die Zahl der gekündigten Arbeitnehmer stieg überdurchschnittlich um 45 Prozent auf 14.600. Das dicke Ende kommt aber erst. »Die Krise ist in Österreich noch nicht ganz angekommen«, warnt Hans-Georg Kantner, Insolvenz-Experte des Kreditschutzverbands von 1870 (KSV). Er rechnet für das Gesamtjahr 2009 mit einem Zuwachs von zwölf bis 15 Prozent bei den Unternehmenspleiten. Deutlich kräftiger wird die Zunahme weiterhin bei den Passiva und den betroffenen Arbeitsplätzen ausfallen.

Die bisher am stärksten betroffene Branche ist der Maschinenbau und damit verwandte Sparten – 155 Betriebe gingen im ersten Halbjahr 2009 in Konkurs, um 53 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, die Passiva verdreifachten sich auf 201 Millionen Euro. Nicht viel besser erging es den Branchen Papier/Druck, Textil sowie Holz/Möbel. Die größte Insolvenz verschuldete jedoch die Wiener Unternehmensberatung Marta mit Passiva von 150 Millionen Euro; die Firma hatte im Auftrag der Rewe-Gruppe den Start von Billa Russia betreut. Allen Unkenrufen zum Trotz hält sich die Bauwirtschaft dagegen wacker – hier zeigen die Konjunkturpakete der Regierung Wirkung, so Kantner.

Kopf im Sand
Obwohl der Anteil jener Insolvenzen, die durch externe Auslöser verursacht wurden, 2008 von zehn auf 16 Prozent deutlich stieg, sind doch nach wie vor rund 40 Prozent der Firmenpleiten durch innerbetriebliche Fehler verschuldet. Der häufigste: Kopf in den Sand stecken, wenn schon alle Alarmglocken schrillen.

Dabei stehen die Chancen, den Betrieb zu retten, um einiges günstiger, wenn möglichst früh Hilfe gesucht wird. »Unternehmer stehen in einer Krisensituation unter hohem Druck und haben nicht die Zeit, um langwierige Recherchen zur Suche eines geeigneten Beraters durchzuführen«, meint die Unternehmensberaterin Regina Haberfellner.

Die Informationsplattform „Unternehmer in Not\" hat deshalb eine Beraterliste für KMU in schwieriger Lage erstellt, die qualitative Kriterien berücksichtigt. Die empfohlenen Sanierungsberater und Anwälte müssen entweder das Zertifikat CTE (Certified Turnaround Expert, seit Herbst 2007 erwerbbar) nachweisen, Absolventen des FH-Lehrgangs Krisen- und Sanierungsmanagement sein (FH Kufstein, erster Abschlussjahrgang Herbst 2008) oder über Erfahrung als gerichtlich bestellter Masseverwalter verfügen.

Mit diesem Service soll verhindert werden, dass Unternehmer vom Regen in die Traufe schlittern. So sorgte im vergangenen Oktober ein Schuldnerberater für Schlagzeilen, der etwa 200.000 Euro von 13 Firmen und 44 Privatpersonen veruntreut hatte, statt ihnen wie versprochen aus der Schuldenfalle zu helfen. Die Staatsanwaltschaft Krems klagte den 54-jährigen wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs, Untreue und Verleumdung an. Den Klienten wird dies wenig Trost sein – durch falsche Beratung und widerrechtliche Verträge gerieten sie in noch größere
finanzielle Schwierigkeiten.

Guter Rat
Der Rat von Experten ist unerlässlich, wenn eine Sanierung ansteht, Restrukturierungsmaßnahmen notwendig sind oder ein Schuldenberg abgebaut werden muss. Auch das WIFI Wien bietet ein entsprechendes Servicepaket zur Unternehmenssicherung an, vom anonymen Online-Check über eine vierstündige Kurzberatung bis zur fachkundigen Unterstützung bei der Umsetzung der vorgeschlagenen Sanierungsschritte. Der bewusst niederschwellige Zugang soll helfen, schon die ersten Warnsignale zu erkennen.

Gerade Unternehmer, die ihren Betrieb mit viel Leidenschaft selbst aufgebaut haben, verschließen häufig aus Angst, alles zu verlieren, die Augen. Dass etwas nicht stimmt, ist ihnen zwar klar – wie die missliche Lage behoben werden kann, schon weniger. Kontinuierlich sinkende Umsätze oder aber volle Auftragsbücher, von denen unterm Strich nichts übrig bleibt, wachsende Schulden oder ständiges Jonglieren, um wenigstens die nötigsten Rechnungen bezahlen zu können sowie ungeduldige Gläubiger im Nacken, die mit dem Konkursantrag drohen, sind bereits deutliche Anzeichen, dass das Unternehmen in Schieflage geraten ist. Abseits der betriebswirtschaftlichen Logik kommen aber auch soziale Gründe zum Tragen: So spielen etwa bei Familienunternehmen der Druck, die Tradition weiterzuführen, oder bei Firmen im ländlichen Raum die moralische Verpflichtung als wichtiger Arbeitgeber in der Region eine wesentliche Rolle.

Während der etwa 20-minütige Online-Check nur eine erste Einschätzung ermöglicht, welche Risikofaktoren und Gefahrenherde im Unternehmen schlummern, erarbeiten in den Einzelgesprächen externe Unternehmensberater im Auftrag des WIFI gemeinsam mit dem Klienten einen Orientierungsleitfaden für die weitere Vorgangsweise. Bei akuter Existenzgefährdung werden erste Notfallmaßnahmen angeboten. In der Folge stehen die finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen auf dem Prüfstand, außerdem wird das Entwicklungspotenzial hinsichtlich einer Bestandssicherung des Unternehmens abgeklärt. Für weiterführende Beratung und Begleitung bei der Sanierung kann eine Förderung in Höhe von 50 Prozent für Wiener Unternehmen bzw. 75 Prozent für Jungunternehmer beantragt werden.

Das Servicepaket stößt auf großes Interesse. Seit Jahresbeginn wurden 80 Prozent mehr Anfragen verzeichnet, heißt es im Büro von Brigitte Jank, Präsidentin der Wirtschaftskammer Wien. In Anspruch genommen wird die Beratung vor allem von Kleinbetrieben mit weniger als fünf Mitarbeitern, aber auch von mittleren Betrieben.

Neustart
Viele Unternehmer sehen erst Sanierungsbedarf, wenn ihnen das ständige Stopfen finanzieller Löcher schon schlaflose Nächte bereitet. Tatsächlich sollten aber bereits Maßnahmen ergriffen werden, wenn eine Neupositionierung aufgrund veränderter Marktverhältnisse notwendig wird (Strategiekrise) oder die Erträge über einen längeren Zeitraum sinken (Ertragskrise).

Entscheidend für die Rettung eines Unternehmens ist neben der Erstellung eines realistischen Sanierungskonzeptes vor allem die Bereitschaft der Gläubiger, auf einen Teil ihrer Forderungen zu verzichten. Ist auch danach keine ausreichende Risiko- und Kapitalverzinsung zu erwarten und bleibt auch weiterhin kein akzeptabler Unternehmerlohn übrig, sollte der geordnete Rückzug geplant werden. Die Schließung des Unternehmens ist dabei nur eine von vielen Möglichkeiten. Ist zumindest ein Teil der Firma durch marktreife Produkte oder Dienstleistungen lebensfähig, kann durch Ausgleich, Gründung einer Auffanggesellschaft oder Management-Buy-Out ein neuer Rechtsträger geschaffen werden.

Die Sanierung eines insolventen Unternehmens verlangt in jedem Fall hohen persönlichen Einsatz – statt ewigem Weiterwurschteln oder dem Verlust der Existenzgrundlage ist es aber noch immer die bessere Alternative.

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