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Deutsche Leiden

Die Vorgaben bis 2020 sind ambitioniert: die Hälfte der Kapazität soll erneuert werden. Die Kraftwerksbauer und Versorger appellieren an die Vernunft und hoffen auf die Abscheidung von CO2 in Kohlekraftwerken. Zugleich steigen die Preise.

\"Wir freuen uns, dass es dem ganzen Konzern wieder gutgeht«, erklärte Andreas Wittke, einer der fünf Geschäftsführer der neu formierten Alstom Deutschland AG vor Journalisten. Der Umsatz der deutschen Gruppe, in der auch die heimischen Aktivitäten enthalten sind, soll im laufenden Geschäftsjahr von 1,7 auf 2,1 Milliarden Euro ansteigen, so die Prognose. Der Kraftwerksbau floriert, derzeit stehen sechs Kohlekraftwerke in Bau. Alstom baut an einigen davon erheblich mit. Die Aufbruchsstimmung kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Deutschlands Stromwirtschaft erhebliche Probleme anstehen. Unser Nachbarland hat sich bis 2020 nämlich viel vorgenommen. Der Ausstieg aus der Kernkraft erfordert Ersatzkapazitäten in der Stromerzeugung von 20 Gigawattstunden. Zusätzlich stehen zahlreiche Kraftwerke am Ende ihrer Lebensdauer, was einen Ersatz von weiteren 40 Gwh mit sich bringt. »Insgesamt müssen rund 60 Gigawattstunden ersetzt werden, das sind rund 50 Prozent der gesamten Kraftwerkskapazität«, betont Wittke die Dimension. Eine Studie des Hamburger HWWI-Institutes sieht für Deutschland ab 2008 bereits einen Strommangel, der bis 2020 auf 16 Prozent anwachsen wird. Der Import von Strom werde unumgänglich.

Der Grund dafür liegt in den derzeit begrenzten Ausbaumöglichkeiten. Gaskraftwerke wären zwar rasch gebaut, die Versorger haben jedoch Probleme langfristige Lieferverträge für Erdgas zu realisieren. Ein geplantes Kraftwerk in Berlin wurde deshalb kürzlich zu den Akten gelegt. Die Nabucco-Pipeline und ein geplanter LNG-Terminal in Wilhelmshafen, die Abhilfe versprechen, sind noch Jahre entfernt. Die Erneuerbaren bringen nach Ansicht der Experten nicht die benötigten Leistung und sind - Stichwort Windkraft - inzwischen auch mit Widerständen konfrontiert. Und seit rund einem Jahr - wohl auch im Zuge der Klimaschutzdebatte - sind auch Kohlekraftwerke auf die schwarze Liste der Bürger gelangt. Zwar sind derzeit sechs Kohlekraftwerke in Bau, den weiters geplanten 27 Anlagen weht aber heftiger Gegenwind entgegen. Der frühere Umweltminister Jürgen Trittin legte mit dem Sager von der »prähistorischen Technologie«, erfolgreich die Lunte. Eben erst wurde ein von der RWE geplantes Kohlekraftwerk in Ensdorf (Saarland) von den Anrainern zu Fall gebracht. Ein Investment von 2,2 Milliarden Euro landet bei den Akten - oder anderswo. Was keine leichte übung ist, denn Ablehnung von Kohlekraftwerken scheint zum Volkssport zu werden. Landesweit formieren sich Bürgerinitiativen gegen Kohlestrom. Zufall oder nicht, nur wenige Tage nach der Ablehnung von Ensdorf kündigten die Stromversorger geschlossen Preiserhöhungen zum Jahreswechsel an.

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