Energie aus dem Quartier
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Um Energie- und Mobilitätssysteme zukunftsfit zu machen und Städte lebenswert zu erhalten, sind alle gefordert. Ein Gastkommentar von Wien Energie-Geschäftsführer Michael Strebl.
In Zukunft wird Energie immer stärker vor Ort erzeugt und verbraucht. Dächer werden zu Kraftwerken und liefern Sonnenstrom direkt ins Haus – verteilt auf verschiedene Wohneinheiten.
Was mit dem Ökostromgesetz im Mehrfamilienhaus seit vergangenem Jahr rechtlich möglich geworden ist, soll europaweit mit dem Clean Energy Package sehr bald noch weitere Kreise ziehen. Lokale Kommunen und Stadtviertel sollen unterstützt werden, wenn sie sich bei der Energieproduktion und der Weiterverwertung zusammentun wollen – das reicht von der gemeinsamen Stromerzeugung über die Schaffung von Mikronetzen mit Strom-Sharingangeboten bis hin zur Teilnahme an der Strombörse. In Wien werden im Viertel Zwei und in der Seestadt Aspern erste Schritte gesetzt, um auf lokaler Ebene entsprechende Energiegemeinschaften aufzubauen.
Ziel ist es, langfristig einen beträchtlichen Teil des Stroms für ganze Stadtteile autark zu generieren. Der lokal erzeugte Strom wird je nach Bedarf unter den Bewohnern aufgeteilt. Wenn keiner den Strom nutzt, wird der Strom weiterverkauft oder auch für Stromtankstellen im Quartier verwendet. Mithilfe neuer Technologien wie Blockchain könnte das künftig vollautomatisch und nach ökonomischen Kriterien passieren. So könnten etwa Elektrotankstellen über automatisierte Verträge – sogenannte Smart Contracts – den Strom aus der örtlichen Solaranlage oder umgekehrt vom Energiegroßhandel in Leipzig beziehen und weiter an das Elektroauto vermarkten und dieses laden.
In diesem Zusammenhang wird im urbanen Raum der Ausbau der Photovoltaik weiter vorangetrieben. Das Interesse für saubere Erzeugung vom eigenen Dach ist im vergangenen Jahr von Konsumentenseite stark gestiegen. Mit der Ausweitung der Möglichkeiten etwa durch die Schaffung neuer lokaler Energiegemeinschaften wird das Thema Sonnenstrom noch mehr an Bedeutung gewinnen.
Hebelwirkung Mobilität
Die Notwendigkeit, CO2 in den nächsten Jahren drastisch zu reduzieren, bestimmt maßgeblich die nahe und ferne Zukunft. Der größte Hebel liegt in der Mobilität. Der motorisierte Verkehr zählt etwa in Wien mit über 40 Prozent zu den Hauptverursachern von Treibhausgasen und Luftverschmutzung. Um hier Auswege zu finden, bietet Elektromobilität die derzeit vielversprechendste Perspektive. Die Ökologisierung der Stromerzeugung in Kombination mit dem Ausbau der Stromtankstellen ist daher ein Gebot der Stunde. Die Energiebranche ist hier mit der Infrastruktur sichtbar in Vorleistung gegangen und wird auch dieses Jahr Akzente setzen. Damit E-Mobilität aus erneuerbaren Energien noch alltagstauglicher werden kann, muss jedoch auch die private Ladeinfrastruktur ausgebaut werden. Dabei müssen existierende rechtliche Hürden im Wohnrecht rasch beseitigt werden.
Die Vernetzung der unterschiedlichen Sektoren wie der Mobilität mit Energie oder auch die Möglichkeit neuer Energiegemeinschaften öffnen den Energiemarkt für gänzlich neue Teilnehmer. Der Wettbewerb wird sich weiter verschärfen. In diesem Spannungsfeld müssen sich Energiedienstleister mit innovativen Lösungen präsentieren und gleichzeitig Versorgungssicherheit gewährleisten. Eine immer stärkere Vernetzung findet dabei nicht nur im Energiesystem an sich statt, sondern auch in den Unternehmen. Kooperationen mit großen Partnern und sektorübergreifende Angebote schaffen einen Mehrwert über die reine Energielieferung hinaus.
Um Energie- und Mobilitätssysteme zukunftsfit zu machen und Städte wie Wien lebenswert zu erhalten, sind alle gefordert. Wirtschaft, Industrie, Forschung und Politik – das geht nur gemeinsam.