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Maribor am Wendepunkt

\"KulturEine Stadt (er)findet sich: Die ehemalige Industriestadt Maribor macht jetzt auf Kultur, unter dem Slogan »Am Wendepunkt« startete Maribor in sein Kulturhauptstadtjahr 2012. Eine Zeitreise in die Zukunft, die auch die schillernde Vergangenheit nicht vergisst.

Von Werner Ringhofer, Maribor

So nah und doch so fern. Maribor, ein Missing Link zwischen Dornröschenschlaf und Neuzeit. Eine Schönheit vom Lande, die viel gesehen hat. Sie erlebte Österreichs Kaiser und den Sozialismus. Von den Weinhügeln rund um die Stadt sieht man auf das Zentrum mit Barockbauten und mittelalterlichen Plätzen, entlang des Drauufers stehen noch heute Reste der historischen Stadtmauer mit Synagoge, Gerichts-, Wasser- und Judenturm. Zwischen die mondänen Stadthäuser mit Patina zwängen sich aber bereits junge Pflänzchen mit spiegelnden Bürohäusern.

>> Das wahre Maribor <<

Wo Maribor genau hingehört, weiß es selbst noch nicht so genau. Die ehemalige Industriestadt, sagt Kulturhauptstadtdirektorin Suzana Zilic Fiser, soll nach 2012 auf jeden Fall nicht mehr dieselbe sein. »Wir wollen uns selbst finden, das wahre Maribor zeigen. Eines, das sich und seine Kultur wiederentdeckt«, meint Katja Beck-Kos, freiberufliche Kulturmanagerin und eine der vielen Vertreterinnen der jungen Aufbruchsgeneration. Auf Prestigebauten musste man verzichten, das ursprünglich geplante Budget von 40 Millionen Euro ist wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf 22 Millionen Euro geschrumpft. Doch man hat aus der Not eine Tugend gemacht und setzt auf ein buntes, nachhaltiges Programm. »Die Bewerbung im Ausland fiel eher bescheiden aus. Schauen wir einmal, ob 2012 mehr wird als ein Festspiel für die Slowenen«, meint Toprestaurantkritiker Uroš Mencinger, der selbst in Maribor lebt und ein kulinarisches Projekt organisiert.

Einige Veranstaltungen dürften aber doch klassisches Kulturpublikum und Touristen aus anderen europäischen Ländern anlocken. 2.000 Events und 400 länger ablaufende Programme werden in den kommenden zwölf Monaten in Maribor und den fünf teilnehmenden Nachbarstädten Ptuj, Murska Sobota, Novo mesto, Slovenij Gradec und Velenje stattfinden. So gastieren unter dem Motto »Terminal 12« eine Burlesque-Show aus den USA, Theatervorstellungen aus Frankreich, Tschechien, Belgien (Jan Fabre) und Japan, unter anderem das Odeon Theatre de l’Europe aus Paris oder das Moskauer Bolschoi-Theater in Maribor. Rebecca Horn, Boris Groys, Garri Kasparow und Hans Magnus Enzensberger sind zu Gast. Kunst von Francis Bacon, Paul Cezanne, Gilbert & George, Pablo Picasso und vielen anderen ist ebenfalls zu sehen. Es gibt aber noch drei weitere Elemente: »Life Touch« – die Website, auf der auch Raum für Essays und intellektuelle Debatten ist. »Town Keys« beschäftigt sich mit der Architektur vor allem der Innenstadt von Maribor.

»Urban Farrows« bildet den Kern des engagierten Vorhabens. Eine Reihe von nachhaltigen Projekten soll 2012 überdauern, dabei geht es darum, Wege aus Armut, schlechter Ernährung und sozialer Deklassierung zu finden. Die Sozialökologin Marta Gregorcic zählt die Fakten auf: »Slowenien versorgt sich nur zu rund 35 % selbst mit Obst und Gemüse, der Rest wird aus großindustrieller Billigproduktion importiert. Wir müssen das Kleinbauernsterben aufhalten.« Ein erster Schritt wird bereits unternommen. Die Kulturhauptstadt hat von der Kommune Maribor ein Grundstück für Gemeinschaftsgärten bekommen. So können sich mittellose Familien in Zukunft selbst mit Obst und Gemüse versorgen. Die bisher 100 Teilnehmer organisieren sich gerade in einer NGO und werden von Agrarfachleuten und Gartenarchitekten beraten. Es gibt sogar spezielle Parzellen für Kinder und für Behinderte, die mitmachen. Andere Teile des »Urbane Furchen«-Programms helfen, die Lebensbedingungen von Roma-Gemeinschaften zu verbessern. Arbeitslose Roma werden etwa als Projektmanager geschult, kürzlich konnte der erste von ihnen angestellt werden.

>>  Spuren der Geschichte <<

Ein zentraler Punkt ist die Vergangenheit. »Nur durch ihre Aufarbeitung kann eine Stadt reifen«, ist Maribors berühmter Schriftstellersohn Drago Jancar überzeugt. Ein heikles Thema wird gleich in der Ausstellung »Die Deutschen und Maribor« ab Anfang März angepackt. Vom mehrheitlich deutschen Marburg vor dem Ersten Weltkrieg über die brutale Hitler-Okkupation bis zu den Massakern auf beiden Seiten und der Vertreibung der Deutschsprachigen – alles soll ohne Tabu thematisiert werden. »Eine komplizierte Geschichte«, weiß Drago Jancar, der 1974 in Maribor wegen »publizistischen Ungehorsams« drei Monate ins Gefängnis musste, in das gleiche wie 30 Jahre zuvor sein Vater. Aber Jancar fühlt keinen Groll. »Maribor ist ein freundlicher und angenehmer Ort mit Weinbergen. Wir hoffen, dass die Kultur die Stadt wieder erweckt.«

 

>>> Maribor:

>> Info: www.maribor-pohorje.si
www.maribor2012.info/en/
>> Download: Maribor in your pocket: www.inyourpocket.com/data/download/maribor.pdf
>> Vignette: Vignettenpflicht auf Autobahnen. Sieben-Tages-Vignette: 15 Euro, Jahresvignette: 95 Euro. Maribor ist auch auf nicht mautpflichtigen Straßen erreichbar.
>> Essen & trinken
> Mak. Die Nr. 1. Sehr gute Kreativküche wie Rindfleischcarpaccio mit Rindsuppe oder himmlische Bachsaiblingtürme mit Wachtelei und Steinpilzen. Osojnikova ulica 20 (etwas außerhalb), +386 (0)2/620 00 53, www.restavracija-mak.si
> Rožmarin. Restaurant im Lounge-Stil, slowenisch-mediterraner Mix. Gute Vinothek. Gosposka ulica 8, +386 (0)2/234 31 80, www.rozmarin.si
> Anderlič. Bürgerliche Küche, nette Aussicht auf den Park. Za Kalvarijo 10, +386 (0)2/234 36 5,
www.gostilna-anderlic.si
> Novi Svet. Bekannt für seine Fischküche, gute Scampi. Slomškov trg 5 (Zentrum),
+ 386 (0)2/250 04 86
> Pri Florjanu. Modern, mediterran. Grajski trg 6 (Zentrum), +386 0590 848 50,
www.priflorjanu.si
> Vinag Maribor. Riesiger traditioneller Weinkeller unter der Stadt. Führungen. Trg svobode 3 (Zentrum), (+386 2) 220 81 11, www.vinag.si
>>Schlafen
> City-Hotel. Designerhotel an der Drau, im Juni 2011 eröffnet. DZ ab 140 Euro. Ulica Kneza Koclja 22, +386 (0)2/621 25 00, www.cityhotel-mb.si
>Hotel Pekarna. Ganz neu, im Kulturzentrum. Am schönsten sind die Apartments mit Balkon, gratis Leihräder. Ob želecnici 16, +386 59/18 08 80, www.mkc-hostelpekarna.si, Schlafsaal-Bett 17 Euro, Apartment für zwei: 50 Euro
> Lollipop Hostel. Jugendherberge in schöner Altbauwohnung. Maistrova ulica 17 (Nähe Zentrum), +386 40/24 31 60, Bett im Schlafsaal 20 Euro
>>Sehen: Haus der ältesten Weinrebe der Welt. Vojašniška ulica 8, (+386 2) 25 15 100
>> Buchtipp:
> Die besten Restaurants Sloweniens von Top­restaurantkritiker Uroš
> Mencinger. 100+ Best Dining Experiences in Slovenia (Englisch), 12,99 Euro. Bestellen: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, (+386 41) 93 16 69

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