Wirtschaft im Aufwind
- Written by Martin Szelgrad
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Stromerzeugung durch Erneuerbare ist in Österreich groß angesagt. Nach dem Ausbaustopp in den vergangenen Jahren sind wieder zahlreiche Windkraftprojekte auf Schiene.
Sie wurden als Sonderlinge belächelt, ihre Geschäftsmodelle als undurchführbar abgestempelt. Vieles wurde ihnen angekreidet: die Verschandelung der Landschaft, Schattenbildung durch die Masten, eine Gefährdung von Zugvögeln, bis hin zu messerscharfen Eiszapfen auf den Rotorkränzen, die im Winter Mensch und Tier malträtieren. Meteorologen stellten überhaupt in Abrede, dass es in Österreich genügend Wind für die Stromgewinnung gäbe. Kein Zweifel: Die Windkraft hat in Österreich einen steinigen Weg hinter sich. Erst mit dem heute politisch geforderten Energiewandel findet die Branche ein nachhaltig wirtschaftsfreundliches Umfeld vor.
Ausbau in Wellen
1994 wurde die erste ans Stromnetz gekoppelte Windkraftanlage in Betrieb genommen. Erst acht Jahre später ging mit Unterstützung eines eigenen Ökostromgesetzes der Ausbau der Windkraft dann richtig los. Von 2002 bis 2005 wurden nahezu 80 Prozent der heute in Österreich stehenden Anlagen errichtet. Nach einem Förderstopp von neuen Investitionen, den die Windkraftbranche bis heute schlicht als »energie- und wirtschaftspolitische Kurzsichtigkeit« kritisiert, ging es dann erst 2010 mit neuen Projekten weiter. Heute sind knapp über 1.000 MW in Österreich errichtet. Und die Branche hat dank der Neuauflage des Ökostromgesetzes, das die Energiegewinnung mit Erneuerbaren generell stärkt, bereits ambitionierte Ausbaupläne für die nächsten Jahre. Bis 2020 sollen Anlagen mit einem Leistungsumfang von 2.000 MW hinzukommen. Sie werden Strom für umgerechnet rund 1,2 Mio. Haushalte liefern. Der Wandel ist da: Umweltkatastrophen und globale Krisenherde sind jene Faktoren, die den Boden für die eigene Energiegewinnung fruchtbar machen. Denn wer möchte schon auf ewig von den Gas- und Öllieferungen aus Russland und dem Nahen Osten abhängig sein? Das wollen viele in der Bevölkerung nicht – folglich auch nicht die Politiker.
Wirtschaftlicher Faktor
Der herrschenden Umweltromantik zu Trotz, welche die Windkraft stets umgibt, ist die Branche mit über 3.000 Arbeitsplätzen in Österreich zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor geworden. Die heimischen Zulieferunternehmen zur Endfertigung von Windrädern – sie sind aufgrund florierender Märkte im Ausland mehrheitlich für den Export aufgestellt – und Dienstleistungsunternehmen erwirtschafteten 2009 einen Umsatz von 470 Millionen Euro. Der Branchenverband IG Windkraft rechnet gemeinsam der Österreichischen Energieagentur wesentliche volkswirtschaftliche Auswirkungen eines verstärkten Ausbaus der Windkraft vor.
Fazit einer Studie, die vom BMVIT in Auftrag gegeben wurde: Der Schaffung heimischer Wertschöpfung sowie der Vermeidung von CO2-Zertifikatskosten stehen vergleichsweise geringe Förderkosten gegenüber. Bis 2020 könnten weitere Tausende Arbeitsplätze geschaffen werden, bei einer Wertschöpfung, die in die zig Milliarden geht.
»Die Windkraft kann einen bedeutenden zusätzlichen Beitrag für eine saubere und sichere Stromversorgung in Österreich leisten«, betont einmal mehr IG-Windkraft-Geschäftsführer Stefan Moidl. Er rechnet mit einem Ausbau von heuer 133 MW, der hauptsächlich im Burgenland stattfinden wird. In Gebieten wie der Parndorfer Platte finden die heimischen Windmüller hervorragende Windverhältnisse vor, wie es sie sonst nur in Meeresnähe gibt. So hat die Bewag in diesen Wochen im burgenländischen Potzneusiedl mit den Bauarbeiten an einem der weltweit größten Windkraftwerke begonnen. Zwei je 7,5 MW starke, kolportierte elf Millionen Euro teure Anlagen vom Typ »Enercon E-126« werden bereits ab Oktober sauberen Strom ins Netz des Energieversorgers speisen. Bewag-Vorstandssprecher Michael Gerbavsits möchte in zwei Jahren sogar eine völlige Netto-Unabhängigkeit von anderen Stromversorgern für das Burgenland erreichen. Heute garantiert die Bewag bereits 100 Prozent Ökostrom aus Österreich – bis 2013 sollen es 100 Prozent aus eigener, burgenländischer Kraft sein. In dem kleinen Bundesland drehen sich heute 206 Windenergieanlagen. 138 davon mit einer Leistung von gesamt 242 MW sind im Besitz der Bewag-Tochter Austrian Wind Power. Gerbavsits plant, die Gesamtleistung der Windenergie in den kommenden Jahren mindestens zu verdoppeln. 70 neue Anlagen sind bereits genehmigt, 20 weitere befinden sich noch in Verfahren. »Ich werde immer wieder gefragt, wie dieser Ausbau möglich ist, ohne einen Volksaufstand zu provozieren«, weiß Burgenlands größter Windmüller um die Brisanz der Standortwahl gerade bei neuen Projekten. »Wichtig ist der politische Konsens, die Einbindung der Bevölkerung und aller Natur- und Landschaftsschutzorganisationen«, erläutert Gerbavsits gegenüber dem Report seine Drei-Säulen-Strategie. So gab es heuer bislang einen einzigen Einspruch von Naturschützern in einem Genehmigungsverfahren, der drei Wochen später aber wieder zurückgezogen wurde. Mit ihrem neuen Spielzeug will die Bewag nun technisch »vorne mit dabei sein und Neues im Hinblick auf die Nachrüstungen bestehender Windparks testen«, heißt es zu den 135 Meter hohen Masten, auf denen die Rotorblätter und das Getriebe der E-126 sitzen.
Goldene Zukunft
Trotz der im Europavergleich relativ kurzen Tariflaufzeiten genehmigter Anlagen von 13 Jahren in Österreich – mit 9,7 Cent Einspeistarif pro Kilowattstunde – wirft die Windkraft heute bereits wirtschaftlich vertretbare Erträge ab. »Sollten die Energiepreise in Zukunft tatsächlich steigen, wie von vielen befürchtet, dann wird auch die Diskussion um die Kosten des Ökostromaufschlags für Industrie und Haushalte ein Ende finden«, meint Stefan Moidl. Die wahren Folgekosten fossiler Energieerzeugung sind Moidl zufolge ohnedies wesentlich höher, als in den Rechnungen der Politik des 20. Jahrhunderts berücksichtigt. Er rechnet damit, dass ein Ökostromaufschlag in Zukunft aufgrund von Marktverschiebungen nicht mehr notwendig sein wird. Die größte Hürde aber sehen die Windmüller schon jetzt geschafft: Bevölkerung und Politik sind bereits aufseite der Erneuerbaren.
>> Statements zum Markt:
»Es wird immer wichtiger, erneuerbare Energiequellen zu nutzen. Dabei wird die Windenergie mit ihrem großen Potenzial in Europa in Zukunft eine wesentliche Rolle spielen. Die Umwelt sollte uns allen am Herzen liegen, damit unsere Nachfahren auch noch in den Genuss kommen können, diese zu genießen«, setzt Christian Hobel, AES-Energie Technik, für seine Kunden auch Kleinwindkraftanlagen um. Hobel beschäftigt sich mit der Beratung, Planung und Realisierung der Nutzung von erneuerbaren Energiequellen.
»Das Schöne an Beteiligungen im Bereich erneuerbare Energie ist, dass man die Investitionen angreifen und sehen kann. Drehen sich die Windkraftwerke, wird sauberer Strom produziert«, erklärt Andreas Dangl, Vorsitzender des Windanlagenbetreibers W.E.B. Er wirbt für Beteiligungen an Anlagen per Aktienhandel auf einem eigenen Onlinemarktplatz unter traderoom.at
»Ich bin überzeugt, dass angesichts begrenzter Ressourcen auch ökonomisch kein Weg daran vorbei führt, Maßnahmen zur Steigerung der Nachhaltigkeit zu ergreifen«, legt sich Werner Wutscher, Vorstand der REWE International AG, fest. »Bis 2012 möchten wir etwa 2 Prozent unseres Energieverbrauchs gemeinsam mit unseren Partnern selbst erzeugen, beispielsweise mit Windkraft- oder Photovoltaik-Anlagen.