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Flüssiger Transport

Im europäischen Güterverkehr gibt es einige Baustellen. Das ist auch der europäischen Kommission bewusst. Schließlich wirken sich überlastungen,Kapazitätsprobleme und Verspätungen nicht nur nachteilig auf Umwelt und Lebensqualität in Europa aus, sie beeinträchtigen auch die Mobilität sowie die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit des Standortes. Jetzt will die EU den Verkehr auf weniger energieintensive, umweltfreundlichere und sicherere Verkehrsträger verlagern. Eine wichtige Rolle soll dabei der Binnenschifffahrt zukommen.

Hohes Potenzial
Auf einer Länge von über 36.000 Kilometern schlängeln sich Wasserstraßen durch Europa und verbinden die wichtigsten Städte und Ballungszentren. Das zentrale Netz erfasst die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Deutschland und österreich über unzählige Flüsse und Kanäle. Schon im Jahr 2003 belief sich der Gütertransport auf den Wasserstraßen der Europäischen Union auf 125 Milliarden Tonnenkilometer. Der Anteil der Binnenschifffahrt beträgt sieben Prozent des gesamten Binnenverkehrs. Mit Programmen wie Marco Polo II und \"Naiades\" soll dieser Anteil weiter gesteigert werden.
Die Kommission geht davon aus, dass der Güterverkehr in Europa bis 2015 zumindest um ein Drittel anwachsen wird. Dieses Verkehrswachstum geht aktuell einseitig zu Lasten der Straße. Die Folgen sind überlastung und Umweltverschmutzung, deren Kosten sich laut Kommission bis 2010 voraussichtlich verdoppeln und damit auf ein Prozent des jährlichen europäischen BIP ansteigen werden.
Das größte Potenzial ortet die Kommission in der Binnenschifffahrt, die traditionell stark in der Langstreckenbeförderung von Massengut ist. \"In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden auch mit Erfolg neue Märkte erschlossen, etwa der Hinterlandverkehr mit Seecontainern, wo zweistellige jährliche Zuwachsraten erzielt werden\", heißt es im Europäischen Aktionsprogramm für die Binnenschifffahrt \"Naiades\". Der gesamte Sektor besteht heute aus etwa 12.500 Schiffen, das entspricht einer Ladekapazität von 440.000 LKWs. In manchen Regionen, vor allem im Einzugsgebiet von großen Seehäfen, entfallen schon jetzt rund 40 Prozent des Verkehrs auf die Binnenschifffahrt. Beeindruckende Wachstumszahlen können vor allem Belgien und Frankreich vorweisen: Innerhalb von sieben Jahren konnte Belgien jeweils über 50 Prozent und Frankreich jeweils über 35 Prozent Wachstum bei der Transportleistung erzielen.
Diese Wachstumszahlen können aber nicht über das eigentliche Problem hinwegtäuschen: Das Potenzial der europäischen Binnenschifffahrt ist noch lange nicht ausgeschöpft. Während in den USA alleine die Binnenschifffahrt auf dem Mississippi einen Anteil von zwölf Prozent am Gesamtverkehr verzeichnet, kommt die gesamte EU auf lediglich sechs Prozent. Die Donau als eine der wichtigsten Wasserstraßen Europas verfügt über ein Potenzial, das zu 90 Prozent brach liegt. Reichlich freie Kapazitäten finden sich in der gesamten europäischen Binnenwasserstraßeninfrastruktur.
Mit \"Naiades\" will die Kommission den Hebel ansetzen, um das Potenzial der Binnenschifffahrt auszuschöpfen und bleibt dabei gewohnt schwammig und allgemein: Neue Märkte sollen erschlossen, die unternehmerische Initiative gefördert und die Leistungsfähigkeit der Binnenschifffahrt in Bezug auf Logistik,Umweltfreundlichkeit und Sicherheit erhöht werden. Zudem wird ein europäischer Entwicklungsplan für Ausbau und Unterhaltung vonInfrastruktur und Umschlaganlagen der Binnenwasserstraßen angeregt. Ein am TEN-V-Netz orientierter Plan sollte darauf abzielen, im Einklang mit dem natürlichenWasserhaushalt Engpässe zu beseitigen, und Leitlinien für die Finanzierung und dieFestlegung von Prioritäten enthalten. Das Programm soll bis 2013 umgesetzt werden.

Der Umwelt zu Liebe:
Die Binnenschifffahrt gilt als der umweltfreundlichste Verkehrsträger. Würde der auf die Binnenschifffahrt entfallende Verkehrsanteil über die Straßen fließen, so lägen die Schadstoffemissionen in Europa um mindestens zehn Prozent höher. Auch in Bezug auf die Effektivität ist die Schifffahrt deutlich voraus: Bei gleichem Energieverbrauch kann eine Gütertonne auf der Straße 100 Kilometer, auf der Schiene 300 Kilometer und auf dem Wasserweg 370 Kilometer weit transportiert werden. Ebenfalls unerreicht sind die Transportkapazitäten: ein Schubverband mit 3.700 Tonnen Ladung entspricht 93 Waggons zu 40 Tonnen bzw. 148 Lkw zu 25 Tonnen.

Fokus Donau
Als zweitlängster Fluss Europas verbindet die Donau zehn Anrainerstaaten. Durch den Beitritt der mittel- und osteuropäischen Länder wurde die Donau, in Verbindung mit dem Rhein, zur wichtigen pan-europäischen Transportachse, die sich über 3.500 Kilometer von der Nordsee bis hin zum Schwarzen Meer erstreckt.Im Zeitraum von 1994 bis 2005 hat sich das Gesamtverkehrsaufkommen im österreichischen Donaukorridor mehr als verdoppelt. Die Stärken der Donauschifffahrt sieht Manfred Seitz, Geschäftsführer via Donau, vor allem \"im günstigen Transport, der hohen Zuverlässigkeit, der Sicherheit und Umweltfreundlichkeit sowie in ihrer Fähigkeit, große Mengen auf einmal zu befördern\". Den Großteil des Güterverkehrs auf der Donau machen derzeit die traditionellen Schüttguttransporte Getreide, Erz und Kohle sowie Flüssigguttransporte (vor allem Mineralöl) aus. Der größte Nutzer der Donauschifffahrt ist seit vielen Jahren die voestalpine in Linz. Rund 3,5 Millionen Eisenerz, Kohle und Schrott werden jährlich auf Trockengüterschiffen nach Linz transportiert.
Im Zuge der Aktivitäten der Europäischen Kommission zeigen sich auch die einzelnen Mitgliedsstaaten umtriebig. In österreich soll mit Hilfe des \"Nationalen Aktionsplan Donauschifffahrt\" (NAP) der Gütertransport vermehrt auf die Donau gebracht werden. Durch das Doppelbudget 2007/2008 wurde die Umsetzung des NAP sichergestellt. Vorgesehen ist eine Verbesserung des Fahrwasserverhältnisses im Rahmen des \"Flussbaulichen Gesamtprojekts östlich von Wien\", das die Interessenslagen der Schifffahrt und der ökologie vereinen soll, eine Reduktion der Schleusenrevisionszeiten, die flächendeckende Implementierung von Telematik- und Informationsservices, die Schaffung von Förderprogrammen für die Modernisierung der Flotte, für den weiteren Ausbau der Häfen und für den Aufbau von Container-Liniendiensten sowie der Start eine Info- und Imagekampagne. Mit diesen Maßnahmen soll zumindest eine Verdopplung der aktuell auf der Donau transportierten elf Millionen Tonnen Güter auf 20 bis 30 Millionen Tonnen bis zum Jahr 2015 erreicht werden. Eine Kosten-Nutzen-Analyse ergab, dass durch die umfassende Forcierung der Donauschifffahrt jährlich nahezu fünf Millionen Tonnen von der Straße auf die Wasserstraße verlagert werden können. \"Dadurch könnten jährlich rund 100.000 Tonnen CO2 auf österreichischem Hoheitsgebiet eingespart werden, eine internationale Betrachtung ergibt ein jährliches Einsparungspotenzial von über 400.000 Tonnen CO2\", weiß die zuständige Staatssekretärin Christa Kranzl. Die Gesamtersparnisse an externen Kosten durch Verlagerungseffekte von der Straße auf das Binnenschiff würden bei Umsetzung des gesamten NAP jährlich mindestens 13 Millionen Euro betragen. Eine Umsetzung des NAP würde auch dem wasserseitigen Güterumschlag zu Gute kommen. Im Jahr 2006 ist der wasserseitige Güterumschlag durch ungünstige Rahmenbedingungen wie Hoch- und Niederwasser um 2,9 Prozent gesunken und lag bei 8,1 Millionen Tonnen. Im Jahr 2015 sollen die österreichischen Häfen rund 17,7 Millionen Tonnen umschlagen, so eine im Auftrag der via donau vom österreichischen Institut für Raumplanung (öIR) erstellte Studie. Voraussetzung dafür sind ein fortgesetztes rasches Wirtschaftswachstum sowie die Realisierung des NAP.

Angekündigte Katastrophen
Eine große österreichische Tageszeitung sorgte am Tag der Arbeit für gehörigen Wirbel. \"Schifffahrt schlittert in Katastrophe\" titelte der \"Kurier\". Gezeichnet wurde ein düsteres Bild für die Donauschifffahrt auf Grund der anhaltenden Schönwetterperiode im April. Zitiert wurde Wolfram Mosser, Obmann des Fachverbandes der österreichischen Schifffahrtsunternehmen. \"Die wirtschaftlichen Verluste sind gigantisch\", \"sinkt der Pegel noch um weitere 20 Zentimeter, müssen die Güterschiffe in den Häfen bleiben\" oder \"wir steuern auf eine Katastrophe zu\" waren die markigen Sprüche Mossers.Schon einen Tag später kam die Kehrtwende. In einer ausführlichen Aussendung distanzierte sich Mosser \"vollinhaltlich von den Ausführungen in der gestrigen Kurier-Ausgabe\". Quasi der gesamte Artikel wurde als unrichtig und falsch zitiert bezeichnet bzw. dem Einfallsreichtum des Redakteurs zugeschrieben.Den Verdacht, dass dem Kurier-Redakteur mit seinem Artikel etwas der Gaul durchgegangen war, legen auch die Aussagen von Manfred Seitz nahe. \"Mit Niederwasser können wir schon seit Jahrzehnten gut umgehen.\" Selbst im extrem heißen Sommer 2003, als der Pegel noch 40 Zentimeter tiefer stand, sei die Donauschifffahrt nicht gefährdet gewesen, einzig die Ladung der Schiffe musste reduziert werden.

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