Quo vadis, Erdgasmarkt?
- Written by Redaktion
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Der Energie Report hat im Markt nachgefragt: Fakten und Statements zur aktuellen Situation und der Zukunft der Branche in 2019 und darüber hinaus.
Zukunftsprojekt grünes Gas
Erdgas spielt eine bedeutende Rolle im österreichischen und europäischen Energieträgermix. Die wesentlichen Verbrauchssektoren von Erdgas in Österreich sind der Wärmemarkt, die Stromerzeugung und der Einsatz für Industrieprozesse. Auch bei der Mobilität kann Erdgas eine Rolle spielen – entweder mit speziellem Erdgasantrieb oder dualen Motorenkonzepten, vor allem im Logistikbereich. Die Substitution von Erdgas durch erneuerbare Gase ist ein weiterer wesentlicher Baustein zur Erreichung der Klimaziele. Unter »grünem« Gas versteht man Gase, die aus erneuerbaren Quellen – Biomasse, Bioabfall, landwirtschaftliche Abfälle, Ökostrom – mithilfe von Gärung, Vergasung oder Elektrolyse hergestellt werden. In Österreich werden 1,3 Mio. Zählpunkte bislang zu fast 99 % mit Erdgas beliefert, bisher ist der Anteil von Biomethan unter 1%.
»Die sinnvolle und effiziente Weiterverwendung von existierender Gasinfrastruktur schafft mehr Akzeptanz für die Energiewende, da sie den notwendigen Ausbau der Stromnetze reduzieren kann«, sagt Regulator Andreas Eigenbauer, E-Control. Er sieht es als »entscheidend, eine integrierte Sichtweise des Energiesektors für ein klimaneutrales Energiesystem der Zukunft zu entwickeln«.
Natürlicher Reaktor
Synthetische erneuerbare Gase werden durch Elektrolyse mit dem Einsatz von erneuerbarem Strom in Power-to-Gas-Anlagen erzeugt. In einem ersten Schritt wird Wasserstoff gewonnen und anschließend – sofern erforderlich – durch die Veredelung mit Kohlendioxid synthetisches Methan hergestellt. Damit lässt sich überschüssige Energie aus volatilen erneuerbaren Quellen wie Wind und Sonne nutzen und zwischenspeichern. Ein Beispiel für ein österreichisches Projekt ist »Underground Sun Conversion« der RAG: Aus Ökostrom wird Wasserstoff produziert und mit CO2 in eine vorhandene Erdgaslagerstätte eingebracht. Natürlich vorhandene Mikroorganismen wandeln Wasserstoff und CO2 mikrobiologisch in Methan um. Das Ziel des Forschungsprojekts ist es,vorhandene Poren-Erdgaslagerstätten als natürliche geologische »Reaktoren« zu nutzen und die Übertragbarkeit der gewonnenen Ergebnisse auf andere Lagerstätten zu prüfen.
Ist Gas zukunftsfähig?
»Gas hat nicht das Image eines ›grünen‹ Energieträgers und wird in Zukunftsbetrachtungen für ein dekarbonisiertes Energiesystem daher oft vernachlässigt. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden: Um die ambitionierten, aber notwendigen Klimaziele zu erreichen, sollten neben der Steigerung der Energieeffizienz alle technischen Möglichkeiten zur Dekarbonisierung des Energiesystems in Betracht gezogen werden. Dazu zählen auch die Möglichkeiten, die die bestehende Gasinfrastruktur bietet, nämlich den Ersatz von Kohle und Öl durch Erdgas und grünen Gasen in der Stromerzeugung, dem Wärmemarkt und dem Verkehrssektor sowie die Speicherung und Einspeisung von Wasserstoff aus regenerativem Überschussstrom in der Gasinfrastruktur. Die Kopplung der Strom- und Gassysteme über die Erzeugung von Wasserstoff aus Überschussstrom kann den Ausbau des Stromnetzes entlasten und damit Kostenvorteile und auch eine bessere Akzeptanz für den Umbau des Energiesystems bringen. Dies alles zeigt: es gibt vielfältige technische Möglichkeiten für eine Dekarbonisierung des Gassektors von heute.
Entscheidend für die Zukunftsfähigkeit des Gassektors sind technische Weiterentwicklungen und Innovationen, die zur Ausgereiftheit und zu Kostensenkungen bei diesen Technologien führen. Der Regulierungsrahmen muss so gesetzt werden, dass diese Entwicklung unterstützt wird, zum Beispiel durch mögliche Anreize für Innovationen, aber auch durch ein Umfeld, das den Wettbewerb zwischen den Technologien zulässt und technologieneutral, aber nicht brennstoffneutral ist. Ein Energiesystem der Zukunft ist daher unbedingt auch mit Gas vorstellbar – wenn die technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen erfüllt sind.«
Carola Millgramm, Leiterin Abteilung Gas der E-Control
Rekord-Handelsvolumina
Am virtuellen Handelspunkt CEGH sind im Jahr 2018 insgesamt 659 TWh Erdgas gehandelt worden, eine Steigerung um 6 % gegenüber dem Vorjahr. Diese Menge entspricht mehr als dem sechsfachen Jahresverbrauch an Erdgas in Österreich. An der Gasbörse PEGAS CEGH wurden 2018 gesamt 133 TWh Erdgas gehandelt, eine Steigerung um 50 % gegenüber dem Vorjahr.
Gottfried Steiner, Vorstand des Central European Gas Hub: »Neue Rekord-Handelsvolumina sowohl am Virtuellen Handelspunkt, als auch an der Gasbörse bestätigen die Position des CEGH als bedeutendster Handelsplatz für Erdgas in der Region Zentral- und Osteuropa. Diese Rolle Österreichs als Drehscheibe für den internationalen Gashandel trägt auch wesentlich zur Versorgungssicherheit Österreichs mit Erdgas bei.« Per Jahresende 2018 waren 218 Firmen am CEGH zum Handel registriert, mehr als 80 % davon sind internationale Gashandelsfirmen mit Sitz außerhalb Österreichs.
Schwerpunkte und Brennpunkte
»Im traditionellen Transitgeschäft floss Erdgas auch 2018 in großen Mengen nach Österreich und weiter in die angrenzenden Nachbarstaaten. Die Eingangsnominierungen in Baumgarten erreichten mit fast 500 TWh – mehr als der Bruttoenergieverbrauch Österreichs – den zweithöchsten Wert der letzten fünf Jahre. Erdgas stellt für Österreich verlässlich über 20 % der benötigten Gesamtenergie und das zu einem äußerst wettbewerbsfähigen Preis.
Ist das früher heraufbeschworene ›Golden Age of Gas‹ zurückgekommen? Vieles spricht dafür: die Back-up-Rolle für Erneuerbare als saubere und flexible Quelle, der Ersatz der Kohle sowie CNG und LNG für die Mobilität mit sofortigen positiven Umwelteffekten. Die Leistbarkeit für die Konsumenten und die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie sind weitere gewichtige Argumente. Wie der steigende Energiebedarf, ohne technologischen Sprung, erneuerbar zu erzeugen beziehungsweise zu speichern sein wird, ist unverändert unbeantwortet. Erneuerbares Gas wird Erdgas zudem schrittweise ergänzen – zum Beispiel Biogas für Raumwärme –, wodurch die vorhandene Gasinfrastruktur weiter genutzt werden kann.
Unser Schwerpunkt liegt in der Erhaltung Baumgartens als Transitdrehscheibe und Handelsplatz mittels attraktiver Transporttarife und innovativer Produkte.
Im Fokus steht auch die zukünftige Rolle der Erneuerbaren Gase und der Sektorkopplung im EU-Energiemix. Und natürlich, dass die Netzbetreiber in diesem Wandel eine maßgebliche Rolle spielen dürfen – neben den für die Versorgungssicherheit eminent wichtigen Speichern. Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz und das Gas Package 2020 auf EU-Ebene sollten die Basis dafür schaffen, gemeinsam die Energiezukunft zu bewältigen, mit Gas als gleichberechtigtem Partner.«
Harald Stindl, Geschäftsführer Gas Connect Austria
Energiewendeinfrastruktur
»Die Energiewirtschaft steht mit der Mission 2030 der Bundesregierung und den europäischen und internationalen Klimazielen vor großen Herausforderungen, die umfassende Änderungen im Energiesystem notwendig machen. Diese Ziele haben wesentlichen Einfluss auf die Gas-Infrastrukturplanung, eine der Hauptaufgaben der AGGM. Entscheidend ist dabei, das große Ganze im Blickfeld zu behalten und ein neues Energiesystem zu schaffen, das den Ansprüchen der Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit genügt.
Es wird nur dann gelingen, den Anteil erneuerbarer Energie im Energiemix im erforderlichen Ausmaß zu erhöhen, wenn das Potenzial erneuerbarer Gase und der Sektorkopplung genutzt wird. Die Gasinfrastruktur bietet in Kombination mit Power-to-Gas die entscheidende Energiewendeinfrastruktur, um erneuerbaren Strom im großen Maßstab sektorübergreifend nutzbar zu machen: Das aus Ökostrom umgewandelte erneuerbare Gas kann in den Gasnetzen transportiert und in Gasspeichern gespeichert werden. Damit kann die Gasinfrastruktur zur grünen Batterie der Energiewende werden und insbesondere für den saisonalen Ausgleich der schwankenden Stromproduktion sorgen. Mit unseren Infrastrukturplänen wollen wir eine fundierte Grundlage für eine effiziente Kopplung des Strom- und Gassektors sowie für die Integration von Biogasanlagen in die bestehende Gasinfrastruktur liefern. Für die Erreichung der ambitionierten Ziele wird es aber auch nötig sein, rechtzeitig die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.«
Bernhard Painz, Vorstand AGGM Austrian Gas Grid Management AG
Strategische Entwicklung
»Wir bei VNG Austria und unserem Tochterunternehmen goldgas blicken auf ein durch schwankende und steigende Beschaffungspreise geprägtes Jahr zurück. Strategisch konnten wir uns ausgezeichnet weiterentwickeln: Mit der mittel- und langfristigen Absicherung von Großkundenverträgen und dem Gewinn eines neuen Großabnehmers zählen wir namhafte Unternehmen zu unserem Kundenkreis. Diese starke Marktposition möchten wir nicht nur halten, sondern weiter ausbauen. VNG Austria bedient Industrieunternehmen, Kraftwerke, Gewerbekunden und Stadtwerke in ganz Österreich mit Erdgas. Dabei wird das gesamte Spektrum von der kleinen Produktionsstätte bis zur Großindustrie lückenlos abgedeckt. Über die 100-Prozent-Tochter goldgas werden Haushalte sowie Klein- und Mittelbetriebe beliefert.
Zur Entwicklung am heimischen Gasmarkt ist zu sagen, dass die aktuelle Wettersituation und die damit verbundene Entwicklung der Speicherfüllständer zu einer deutlichen Entlastung der Beschaffungspreise geführt haben. Die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit von Erdgas hängt aus meiner Sicht davon ab, ob unsere Branche es schafft, im Sinne der Mission 2030 nachhaltig umzuschwenken. Wir bei VNG Austria haben die Notwendigkeit für Veränderung frühzeitig erkannt und das Produktportfolio bereits vor einem Jahr um Biogas erweitert. Ich bin überzeugt, dass sich der Markt und die Konsumenten in Zukunft verstärkt mit den Themen Alternativenergie und Ressourcenschonung auseinandersetzen werden. Daher war und ist für uns die Positionierung als Händler für grüne Gase ein wichtiger Schritt.«
Eduard Maaß, Energieexperte und Geschäftsführer von VNG Austria und goldgas