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Gemeinschaftliche Nutzung von Stromerzeugungsanlagen

Gemeinschaftliche Nutzung von Stromerzeugungsanlagen Fotos: Thinkstock, ECA/Anna Rauchenberger, PVA/Pflügl

Fachtagung des Regulators E-Control: Mieter und Wohnungseigentümer können künftig den im eigenen Haus erzeugten Strom einfacher verteilen, verbrauchen und abrechnen.

Mit der vom österreichischen Parlament im Sommer beschlossenen kleinen Ökostromnovelle soll die Nutzung von Strom aus gemeinschaftlichen Stromerzeugungsanlagen in Mehrparteienhäusern einfacher werden. Welche Herausforderungen auf die Netzbetreiber zukommen, welche Chancen und Potenziale entstehen durch die Novelle, wie schauen künftig Rechte, Pflichten und Möglichkeiten für Eigentümer und Mieter aus – das waren die Themen, die bei der Fachtagung »Gemeinschaftliche Nutzung von Stromerzeugungsanlagen« der E-Control am 24. Oktober aus verschiedensten Blickwinkeln diskutiert wurden.

Mehr dazu - inklusive Präsentationen - unter https://www.e-control.at/gemeinschaftliche-nutzung-von-stromerzeugungsanlagen

»Die gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen finden erstmals Einzug ins ElWOG. Die Novelle ist grundsätzlich technologieneutral gestaltet«, sieht Wolfgang Urbantschitsch, Vorstand E-Control, vor allem eine Chance für den Einzug der Photovoltaik in die Städte. Ein wesentlicher Punkt der Regelung ist die örtliche Begrenzung auch des Stromverbrauchs aus den Anlagen, der innerhalb eines Hauses erfolgen muss – andererseits sind es die festgelegten Rollen in den neuen, kleinen Versorgungssystemen: MieterInnen, Hauseigentümer, Anlagenbetreiber – dies kann ein Dritter sein, auch sind Contracting-Modelle möglich ­– und auch der Verteilernetzbetreiber. »Der Gesetzgeber bewirkt mit der Regelung, dass mehr Energie dezentral erzeugt und auch verbraucht wird. Das bedeutet, dass weniger Energie aus dem öffentlichen Netz entnommen wird«, erwartet Urbantschitsch. Gleichzeitig sei die »zentrale Rolle des Netzbetreibers« weiterhin wichtig, dieser schaffe erst die Möglichkeit, dass alle am Energiemarkt – und dies zu jeder Zeit – teilnehmen können. »Wir müssen jetzt auch regulatorisch darauf achten, dass jeder Kunde stets einen fairen Anteil auch bei den Netzkosten beiträgt, auch wenn weniger Strom bezogen wird. Der Netzbetreiber ist wie eine Versicherung, wenn dann einmal kein Strom am Dach erzeugt oder der Hausspeicher leer ist.« Aus diesem Grund werde bei einer neuen Tarifgestaltung die Leistungskomponente auf Netz­ebene 7 gestärkt. Ziel sei, dass selbst bei einem Boom von »Local Energy Communities« die Netzbetreiber weiterhin ihren Aufgaben nachkommen können.

Rechtsrahmen geklärt
Paul Oberndorfer, Beurle Oberndorfer Mitterlehner Rechtsanwaltskanzlei, sieht bestimmte rechtliche Voraussetzungen für den gemeinschaftlichen Betrieb: Die teilnehmenden Berechtigten könnten einen Betreiber bestimmen, welcher Ansprechpartner gegenüber dem Netzbetreiber ist. Vorkehrungen sind hinsichtlich Zählpunkten bei der Anlage zu treffen. Benötigt wird ein Netzzugangsvertrag sowie ein entsprechender Vertrag mit einem Energieabnehmer oder -händler für etwaige Überschuss­energie. Ebenso müssen von Gesetz wegen Haftungsfragen sowie die vertragliche Abnahme und Aufteilung der erzeugten Energie unter den Teilnehmern geklärt werden.



Bild: Elektrizitätsrechtliche Fragen erläutert Rechtsanwalt Paul Oberndorfer.

Eine weitere Basis für erneuerbare Energiegemeinschaften sei der Einsatz von Smart Metern und damit Messungen im Viertelstundentakt. Sind diese nicht vorhanden, ist ein Nachrüsten binnen sechs Monaten erforderlich. Der Anschluss der Anlage ist jedenfalls an die Hauptleitung des Hauses zu unternehmen (Anm.: Verbindungsleitung zwischen dem Hauszugangskasten und den Klammern vor Zählersicherungen), auch als Steigleitung bekannt. »Das bedeutet, dass gemeinschaftliche Erzeugungsanlagen nicht direkt ans öffentliche Netz angeschlossen werden dürfen. Es dürfen keine Leitungen des Netzbetreibers verwendet werden, um Teilnehmer mit Energie zu versorgen. Es sollen auch keine privaten Werksnetze oder Subnetze entstehen«, ist für Oberndorfer »deutlich«, dass der Gesetzgeber hier »Mehrparteienhäuser vor Augen hatte«. Er geht davon aus, dass nicht zulässig ist, mehrere Häuser mit ein und derselben Gemeinschaftsanlage zu versorgen – es sei denn, diese teilen sich eine Hauptleitung. Darf die Erzeugung auf dem Nachbargrundstück erfolgen, wenn beispielsweise auch eine Kleinwasserkraftanlage oder ein Windrad über eine eigene Leitung direkt mit dem Haus verbunden ist? »In Wien: nein«, meint Oberndorfer, »in allen anderen Bundesländern: ja«. Die Wiener Landesgesetzgebung verbiete Privatleitungen über fremde Liegenschaften.

Datenwachstum
Von ersten Erfahrungen und den Erwartungen aus Sicht eines Verteilernetzbetreibers berichtete Margit Reiter, Netz Oberösterreich. »Das Interesse ist groß«, berichtet die Leiterin des Bereichs Netzrecht und -wirtschaft im Unternehmen. Sie erwartet, dass sich die Teilnehmer der Betreibergemeinschaft auf einen Ansprechpartner gegenüber dem Netzbetreiber einigen. »Informationen an den Netzbetreiber über Änderungen des Abrechnungsmodells oder der Zuordnungsschlüssel, über den Wechsel der Zählpunkte, die einbezogen werden, müssen immer vorab erfolgen«, betont sie weiter.



Bild: Erfahrungen und Erwartungen aus Sicht eines Verteilernetzbetreibers schildert Margit Reiter, Netz Oberösterreich.

Reiter differenziert bei den Abrechnungsmodellen zwischen einer statischen und einer dynamischen Zuordnung der Erzeugung zu den einzelnen Teilnehmern. Der große Vorteil der dynamischen Zuordnung sei, dass die Aufteilung der Energie stets proportional mit dem Verbrauch erfolge. Ist die Erzeugung höher als der gemeinschaftliche Verbrauch, wird der gemeinschaftliche Überschuss ins öffentliche Netz eingespeist. Ist dagegen die Erzeugung niedriger als der Gesamtverbrauch, bleibt bei allen teilnehmenden Berechtigten ein proportionaler Restnetzbezug bestehen. Nicht unterschätzt sollte bei diesem Betreibermodell der Bedarf an Daten werden. »Der Betreiber braucht eine Menge an Informationen, um seine Vertragsabwicklungen mit der Betreibergemeinschaft und eine allfällige interne Abrechnung gewährleisten zu können«, warnt sie, »und auch der Netzbetreiber benötigt viele Informationen und einen Kanal, um die Messwerte übermitteln zu können.« Doch dazu hätte die heimische Energiewirtschaft bereits ein »Best Practice« mit der Plattform EDA für den sicheren, energiewirtschaftlicher Datenaustausch bereit. Bei EDA sind bereits Schnittstellen definiert, Prozesse laufen standardisiert und automatisiert ab.

Weitere Sichtweisen
In weiteren Vorträgen ging Thomas Starlinger von der Rechtsanwaltskanzlei Starlinger Mayer auf die Novelle und ihre Bedeutung aus Sicht des Miet- und Wohnungseigentumsrechts ein. Wohnrechtliche Vorgaben werden möglicherweise den Gestaltungsspielraum bei Gemeinschaftsanlagen einschränken, etwa bei der Anlagenfinanzierung, bei Aufteilungsschlüsseln, Mitspracherechten und Verpflichtungen.



Bild: Juristischen Blick auf das Mietrecht wirft Rechtsanwalt Thomas Starlinger.

Ernst Bach, Direktor der Sozialbau AG, sprach über die Potenziale für die Nutzung gemeinschaftlicher Photovoltaikanlagen aus Sicht eines gemeinnützigen Wohnungsunternehmens. Für Bach sind auch  Betreibermodelle mit Dritten interessant – wenn auch keine besonders hohen Margen für Bauträger zu erwarten seien. Der Grund für Errichtung und Betrieb müssen deshalb vorrangig auf dem Wunsch der Mieter nach nachhaltigerem Wohnen und Energienutzung sein.



Bild: Aus der Sicht eines gemeinnützigen Wohnungsunternehmens berichtet Ernst Bach, Sozialbau AG.

Reinhold Richtsfeld, Geschäftsführer Clean Capital erneuerbare Energien, rechnete anhand einer Masterarbeit (»Photovoltaik auf Mehrparteiengebäuden in Österreich«, Martin Meingassner, FH OÖ) unterschiedliche Fallstudien und deren Wirtschaftlichkeit vor. Matthias Futterlieb schließlich von der Energiegenossenschaft BürgerEnergie Berlin erzählte von der Situation von Gemeinschaftsanlagen in Deutschland. Eine Zusammenfassung und Schlussfolgerungen lieferte am Ende der Fachtagung E-Control-Vorstand ­Andreas Eigenbauer.


Kommentar zum Thema

Reger Erfahrungsaustausch unumgänglich

"Seit dem Jahr 2014 hat, aufgrund massiv verringerter Einspeisetarife von 27,2 auf 7,91 Cent, eine vollständige Einspeisung des produzierten Sonnenstroms ins öffentliche Netz an Attraktivität verloren. Im Gegenzug stieg der Eigenverbrauch an. Besonders die Möglichkeit einer gemeinschaftlichen Nutzung von Photovoltaikanlagen wurde zum Thema. Diese Nutzung war nach dem bisherigen ElWOG jedoch nicht möglich. Gleichzeitig mit dem Ökostromgesetz wurde im Juni 2017 das ElWOG novelliert und ermöglichte ab sofort die Nutzung von Gemeinschaftsanlagen sowohl im privaten als auch im gewerblichen Bereich. Damit ist ein großer Hemmschuh für PV-Anlagen, vor allem im innerstädtischen Bereich, gelöst.

Die praktische Umsetzung ist nicht ganz unkompliziert, vor allem dann, wenn eine exakte Abrechnung der Nutzungsanteile angestrebt wird. Derzeit sind Interessenten und Investoren noch mit offenen Fragen konfrontiert. Das, vermutlich absichtlich relativ offen gestaltete, Gesetz gewährt relativ viel Handlungsspielraum, erschwert aber die Konzeptionierung von Projekten.

Für mehr Klarheit rund um die Gesetzesnovelle wurden mittlerweile verschiedene Arbeitsgruppen gegründet beziehungsweise Workshops sowie Veranstaltungen organisiert. Um den Start zu erleichtern, ist ein reger Erfahrungsaustausch unumgänglich. Nur die gemeinsame Arbeit von Kunden, Errichtern, Netzbetreibern und Energieversorgern wird optimale Umsetzungsmöglichkeiten und eine rasche Etablierung von PV im Mehrparteienhaus ermöglichen und so einen weiteren wichtigen und notwendigen Schritt zur Energiewende liefern",

kommentiert Vera Liebl, Generalsekretärin des Bundesverband Photovoltaic Austria (PVA)



Bild: Die kleine Ökostromnovelle hat bei vielen Investoren und Interessenten noch Fragen offen gelassen, weiß Vera Liebl.

Last modified onMontag, 20 November 2017 11:45
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